Überwachung auf Autobahnen - Datenschützerin kritisiert geplante Kennzeichenfahndung

Mo 06.01.20 | 18:05 Uhr
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An einer Brücke über der Autobahn 12 zwischen Berlin und Frankfurt (Oder) ist das System der automatischen Kennzeichenfahndung KESY angebracht (Quelle: DPA/Patrick Pleul)
Audio: Inforadio | 06.01.2020 | Torsten Sydow | Bild: DPA/Patrick Pleul

Die Brandenburger Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge hält die massenhafte automatische Kennzeichenfahndung auf Autobahnen zur Strafverfolgung für unzulässig. "Durch den dauerhaften Betrieb des Aufzeichnungsmodus sind ganz überwiegend unbeteiligte Personen betroffen, welche die Erfassungsgeräte auf den überwachten Straßenabschnitten passieren", erklärte Hartge am Montag per Mitteilung.

Durch das massenhafte Aufzeichnen sei es außerdem möglich Bewegungsprofile von unbescholtenen Verkehrsteilnehmern zu erstellen, teilt Hartge mit. "Eine Ausweitung des Betroffenenkreises in dieser Größenordnung ist durch keinerlei Tatsachen begründbar und nicht zu rechtfertigen."

Die Erfassung und Speicherung dieser Daten sei ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht. Für diese Speicherung ist laut Innenministerium eine Anordnung von Justizbehörden notwendig. Davon ist die Kennzeichenerfassung zur Gefahrenabwehr zu unterscheiden, die das Polizeigesetz auf bestimmte Anlässe bezogen ermöglicht.

Existenz der Anlagen wurde durch Vermisstenfall bekannt

Gutachter, die von Hartge beauftragt worden waren, kritisierten das Vorhaben bereits. Aus datenschutzrechtlicher Sicht lege die Rechtsgrundlage die Voraussetzungen und Beschränkungen der Maßnahme nicht hinreichend konkret fest, hieß es darin.

Das Portal Netzpolitik.org hatte bereits im August ein als geheim eingestuftes Gutachten aus dem Brandenburger Innenministerium veröffentlicht, das die umstrittene Kennzeichenspeicherung im Land als unverhältnismäßig und illegal bewertet. Das Innenministerium hatte daraufhin betont, dass es sich bei dem internen Papier um die Position eines einzelnen Mitarbeiters handele. Dabei stützte sich das Ministerium auf einen im Juni vorgelegten Prüfbericht, demzufolge die Erfassung und Speicherung von Autokennzeichen nicht zu beanstanden sei.

Öffentlich bekannt wurden die Überwachungsanlagen im Fall der 15-jährigen vermissten Rebecca aus Berlin. Die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY" hatte die Funktionsweise und einen Standort des Erfassungssysten veröffentlicht, weil die Berliner Polizei mithilfe von Kesy den damals dringend tatverdächtigen Schwager in seinem Wagen am Tag des Verschwindens der Schülerin auf der Autobahn erfasst hatte.

8 Kommentare

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  1. 8.

    Ich kann keinen vernünftigen Grund gegen eine Kennzeichenfahndung sehen. Ich fühle mich nicht überwacht, wenn die entsprechenden Aufzeichnungen nach einer festgelegten Zeit gelöscht werden.Aber ich fühle mich sicherer, wenn es so etwas gibt.Wer nichts zu verbergen hat oder extrem verunsichert ist kann doch eigentlich nichts dagegen haben .

  2. 7.

    So fängt für mich Überwachung an - egal aus welchen Gründen auch immer. Früher hat sich jeder darüber aufgeregt und jetzt nimmt und soll es jeder hinnehmen - aus Gründen der Sicherheit.
    Dabe sagen unsere Politiker: sicher ist man nirgendwo. Aber Kennzeichen-Überwachung. Unter dem Mantel der Sicherheit kann man alles verkaufen. Jeder schreit: hast du etwas zu verbergen - nein habe ich nicht, hatte ich früher auch nicht. Was früher nicht richtig oder recht war - kann es heute auch nicht sein. Es ist immer eine Ansichtssache oder von welcher Seite ich es betrachte.

  3. 6.

    Abgesehen davon, dass ich kein Problem damit habe, dass mein Auto an bestimmten Stellen erfasst wird.
    Wir haben Fachkräftemangel im Land. Wer soll sich da bitte hinsetzen und ein Bewegungsprofil von mir anlegen ? Freiwillig macht das keiner.
    Ich schütze meine privaten Daten und gebe so wenig wie möglich von mir preis, aber die Diskussion hier finde ich übertrieben. Wenn es der Polizeiarbeit hilft, bitte schön.

  4. 5.

    Wer bereits das Ablichten seines Autokennzeichens als eine Einschränkung seiner Freiheit betrachtet, dürfte eigentlich kein Kfz benutzen. Denn sind dann nicht Verkehrsregeln etwas absolut Unerträgliches?
    Mich erinnert diese Debatte an den Zank um Google-Kamerwagen und Gesichtserkennungssoftware:
    Jeder darf (sogar mit einer Kamera o. ä.) durch die Straßen gehen, sich alles mögliche ankucken und es je nach Wunsch auch fotografieren.
    Aber wehe Ablichtungen sind in irgendeiner Weise automatisiert.
    Dann springen sofort diverse Mahner auf und rufen: "Wehret den Anfängen!"
    Denn dann lauert garantiert der Große Bruder im Hintergrund, der uns allen etwas Übles will (das nur merkwürdigerweise niemand so recht benennen kann).
    Und es muss bedeuten, dass wir alle für alle Zeit überwacht, kontrolliert und bespitzelt werden.
    Wir würden es zwar (u. a. weil es folgenlos bliebe) sicher nicht bemerken, doch es wäre irgendwie total böse und muss unbedingt verhindert werden.

  5. 4.

    Kämen derlei Paranoiabekundungen von Datenschützern nicht eh alle Nase lang, würde ich beim Lesen dieses Berichtes sicher seufzen oder leise aufstöhnen.
    Wem entsteht um Himmels Willen was für ein Schaden, wenn irgendwer sehen kann, wer, wann und wo mit seinem Auto entlangggefahren ist?
    Was zum Zeisig soll daran so schlimm sein?
    Was sind die (offenbar sehr üblen) Folgen, die unbedingt abgewehrt werden müssen?
    Werden nun Massen unbescholtener Autobahnbenutzer für den Rest ihres Lebens überwacht & ausgehorcht?
    Von Schlapphüten nach Guantanmo verschleppt?
    Wegen versuchter Republikflucht eingekerkert?
    Gefoltert & gehirngewaschen?
    Was bitteschön ist diese große, böse Gefahr, vor der wir alle nun unbedingt beschützt werden müssen?
    Ich habe Orwells "1984" gelesen und komme trotzdem nicht dahinter.

  6. 3.

    Wer bereit ist, auch nur ein Stück Freiheit gegen Sicherheit einzutauschen wird beides nicht bekommen und hat beides nicht verdient! Frei nach Herrn Franklin..

  7. 2.

    Weil es Ihnen in den Kram passt soll die Regierung Gesetze brechen? Und was hilft es mir wenn die Polizei weiß das mein geklauted Auto irgendwo gefilmt wurde?

  8. 1.

    Frau Hartge lebt in ihrer wohlbehüteten Welt. Im übrigen Land werden nahezu täglich Autos geklaut, in Wohnungen und Büros eingebrochen. Und die Tätigkeit der Polizei beschränkt sich auf die Erfassung der Daten am Tatort. Die bei uns agierenden osteuropäischen Banden haben nahezu freies Feld oder Täter die gefasst wurden, werden von irgend einem Richter wieder freigelassen. Das Erfassen der Kennzeichen ist aus meiner Sicht eine sehr gute Sache. Verleiht sie mir doch das Gefühl das wenigstens etwas gegen diese Banden getan wird. Das pfeife ich auch gern auf den Datenschutz. Sicherheit ist mir wichtiger als das ständige Gelaber vom Datenschutz was em Ende keiner ist. Aber die Datenschutzbeauftragte muss natürlich auch ihre Bedeutung nachweisen.

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