1.000 statt 100.000 Passagiere täglich - Streit um Flughafen Tegel soll endgültig beigelegt werden
An den Schaltern und vor den Gates ist es leer, kaum jemand fliegt noch. Trotzdem sind sich der Bund und die Länder Berlin und Brandenburg uneins, ob sie den Flughafen Tegel bis zur BER-Eröffnung in Betrieb lassen sollen. Nun muss eine Entscheidung getroffen werden.
Schließen oder offen halten - um diese Frage geht es am Mittwochmorgen in der Sitzung des Aufsichtsrates und anschließend in den Beratungen der Flughafengesellschafter Berlin, Brandenburg und dem Bund.
Die Fronten im Streit um die Zukunft des Altflughafens Tegel sind ausnahmsweise klar: Die Flughafengesellschaft möchte Tegel lieber heute als morgen aufs Altenteil schieben. Sie hat einen Antrag auf eine "zeitweilige Befreiung von der Betriebspflicht" für Tegel gestellt.
Reaktivierung von Tegel nur in der Theorie
Im Klartext heißt das: Der zivile Luftverkehr im Berliner Norden wird eingestellt. Lotsen, Feuerwehrleute und Flughafenpersonal können andere Aufgaben übernehmen, beispielsweise in Schönefeld. Der Flughafen selbst geht in einen Dämmerzustand über und würde er noch einmal gebraucht, könnte er innerhalb von 14 Tagen reaktiviert werden.
Doch gerade mit der Reaktivierung ist das so eine Sache. Der Berliner Flugverkehr wird sich, wenn überhaupt, nur sehr langsam vom Corona-Schock erholen. Tegel ist überflüssig und nach der Eröffnung des BER Ende Oktober dieses Jahres, wäre der Altflughafen planmäßig abgeschlossen worden.
Warum also noch das Ende hinauszögern, wenn es mit Schönefeld eine funktionieren Alternative gibt, fragen sich viele.
Argumente der FBB für das Aus
Die Flughafengesellschaft FBB hat vorgerechnet, dass sie rund 200.000 Euro täglich allein an Betriebskosten sparen könnte, wenn sie Tegel nicht länger betriebsbereit halten müsste. Einen wirklichen Bedarf gibt es dafür nicht. Früher sind an einem Tag etwa 100 Tausend Passagiere an den Berliner Flughäfen abgefertigt worden. Heute sind es noch ganze 1.000 Passagiere, mithin also 1 Prozent des vor Corona üblichen Verkehrs.
Und der könnte natürlich in Schönefeld abgefertigt werden. Zumal am dortigen Flughafen bis zur BER-Eröffnung rund um die Uhr geflogen werden darf.
In Tegel muss die Flughafengesellschaft zudem rund 500 Angestellte vorhalten. Das sind zum Teil mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als überhaupt noch Passagiere kommen.
Bund will Infrastruktur in Krisenzeiten nicht aufgeben
Die Flughafengesellschaft will Tegel schließen. Von den Gesellschaftern Berlin und Brandenburg bekommt sie dabei Unterstützung. Auch die Länder, die mit je 37 Prozent an der Flughafengesellschaft beteiligt sind, wollen die Betriebskosten für Tegel gern sparen.
Doch für den Bund als dritten Gesellschafter ist Geld offenbar nicht alles. Flughäfen gehörten zur kritischen Infrastruktur und gerade Krisenzeiten werde er sich allen Schließungswünschen widersetzen, hatte Bundesverkehrsminister Scheuer aus seiner Meinung nie einen Hehl gemacht. Und bis heute sieht es auch nicht danach aus, dass das Bundesverkehrsministerium inzwischen seine Meinung geändert haben könnte.
Gegen den Bund werden die beiden Gesellschafter Berlin und Brandenburg ganz sicher nicht agieren können. Und damit dürfte der Flughafen Tegel möglicherweise über seine gesamte Restlaufzeit bis zur BER-Eröffnung im Herbst dieses Jahres offen bleiben. Die Entscheidung, Tegel vom Netz zu nehmen ist nämlich weniger eine finanzielle, als vielmehr eine politische Frage.