Deniz Yücel über Prozess in Istanbul - "Dieses Urteil ist ein weiterer Skandal"

Do 16.07.20 | 18:52 Uhr
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Journalist Deniz Yücel (Quelle: dpa/Marlene Gawrisch9
Audio: Radioeins | 16.07.2020 | Deniz Yücel im Interview | Bild: dpa/Marlene Gawrisch

Zu zwei Jahren, neun Monaten und 22 Tagen Haft hat ein Istanbuler Strafgericht am Donnerstag den Berliner Journalisten Deniz Yücel verurteilt - wegen "Terrorpropaganda". Der "Welt"-Autor zeigt sich im rbb empört und will gegen das Urteil ankämpfen.

Für den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel ist seine Verurteilung wegen Terrorpropaganda durch ein Istanbuler Gericht "ein weiterer Skandal in einer Kette von Skandalen". Yücel sagte am Donnerstag dem rbb, dies habe mit seiner Verhaftung in der Türkei begonnen und sei mit öffentlichen Anschuldigungen und Isolationshaft bis hin zu Misshandlungen im Gefängnis fortgesetzt worden. Skandalös seien schließlich auch die Umstände seiner Freilassung gewesen.

Yücel, der für die "Welt" schreibt und in Berlin lebt, wurde am Donnerstag in Abwesenheit zu einer Haftstrafe von zwei Jahren, neun Monaten und 22 Tagen verurteilt [tagesschau.de]. Der 46-Jährige saß bis zum 16. Februar 2018 ein Jahr in türkischer Untersuchungshaft, er verließ das Land unmittelbar nach seiner Freilassung und kehrte nicht mehr zurück.

"Weiß nicht, ob es über Erdoğans Tisch ging"

"Heute hatte das Gericht die Möglichkeit, dem im Nachhinein ein Ende zu bereiten - stattdessen haben sie sich entschieden, dieser Kette von Skandalen neue hinzuzufügen", sagte Yücel. Das Gericht in Istanbul habe sich über das Urteil des türkischen Verfassungsgerichts hinweggesetzt, das seine Untersuchungshaft für rechtswidrig und seine Texte als von der Pressefreiheit gedeckt befunden habe. Nun werde eine schriftliche Einlassung, die er in einem Berliner Gericht abgegeben habe, für ein neues Strafverfahren missbraucht.

Ob das Gericht selbst geurteilt habe oder in Wirklichkeit Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, wollte Yücel nicht abschließend bewerten. "Die Umstände meiner Freilassung hat Erdoğan in zwei Gesprächen mit Sigmar Gabriel besprochen. Jetzt weiß ich nicht, ob es noch über seinen Tisch ging." Er vermute aber, so Yücel, dass die Richter des Strafgerichts sich einer Unterstützung gewiss sein könnten, "wenn sie nicht sogar auf Veranlassung handeln".

Yücel will Urteil anfechten

Yücel betonte, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig sei. "Wir werden selbstverständlich in Revision gehen." Letztlich sei er bereit, auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen. "Dieses Urteil wird früher oder später aufgehoben werden, ganz sicher."

Sendung: Radioeins, 16.07.2020, 16.00 Uhr

29 Kommentare

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  1. 29.

    Professor Hastig:
    "Antwort auf [Immanuel] vom 19.07.2020 um 06:06
    Mit dem Allgemeinwissen, mit dem Sie hier prahlen? Aus irgendwelchen politisch links stehenden Publikationen und beigelegten Propagandermaterial?"

    Aus welchen "politisch links stehenden Publikationen und beigelegten Propagandermaterial" soll ich mein Allgemeinwissen haben? Bitte konkret!!!

    Professor Hastig:
    "Das spiegelt nur nicht die Meinung vieler hier wieder."

    Das habe ich auch nie behauptet. Im übrigen spiegelt die Meinung der wenigen Dutzend Kommentatoren hier auch nicht die Meinung der Bevölkerung wider.

    Professor Hastig:
    "Sie, der Krug des Wissens, alle Anderen "mit auffallend geringem Allgemeinwissen"."

    Falsch! Ich habe nicht "alle Anderen "mit auffallend geringem Allgemeinwissen"" tituliert, sondern nur den Kommentator, der sich rühmte, nicht zu wissen, wer Denis Yücel ist.

    Peinlich für Professor Hastig von der Trump-Uni!

  2. 28.

    Mit dem Allgemeinwissen, mit dem Sie hier prahlen? Aus irgendwelchen politisch links stehenden Publikationen und beigelegten Propagandermaterial?
    Das spiegelt nur nicht die Meinung vieler hier wieder.
    Wie Sie Usern vorwerfen, die Urteilsbegründung nicht zu kennen, werfe ich Ihnen vor, die staatsanwaltlichen Vorwürfe in Gänze nicht zu kennen - außer das eben, was man Ihnen in den genannten Publikationen vorsetzte, was Sie hier allzugerne verbreiten. Dazu in einer fast unerträglichen Arroganz und Überheblichkeit. Sie, der Krug des Wissens, alle Anderen "mit auffallend geringem Allgemeinwissen".
    Peinlich!

  3. 27.

    Rainer, Samstag, 18.07.2020 | 02:29 Uhr:
    "Wer ist Deniz Yücel?"

    Wer ist "Rainer"?
    Jemand mit auffallend geringem Allgemeinwissen!

  4. 26.

    Aus zweiter Hand? Dann geben Sie doch einmal, ich setze voraus, dass Sie es können und sich nicht nur auf die von Ihnen verwandten Vordrucke verlassen, "Etwas Besseres als Deutschland findet sich allemal." ein und dann können Sie lesen, was Herr Yücel über uns Deutsche denkt. Sicher, dass ist alles durch die Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt, aber, warum lebt er den hier, wenn alles nur Scheiße ist. Das Gleiche gilt auch für diesen "Künstler" Ai Waiwai, dem es in Deutschland nicht mehr gefallen hat, weil ihn die Chickeria nicht mehr hofierte, nach Großbritannien zog, um, weil er da keine Unterstützung erfuhr, wieder an den Trog Deutschland zurück kehrte.
    Auch das ist ein Skandal.

  5. 25.

    Wer ist Deniz Yücel?

  6. 24.

    herman, Freitag, 17.07.2020 | 19:23 Uhr:
    "Vorab gesagt, ich bin der Meinung D sollte viel konsequenter den Auswüchsen von Erdogan entgegen treten, das zur politischen Einordnung. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, und die hiesigen Qualitätsmedien abgesucht, ob wenigste eine das Urteil gelesen hat. (Funktioniert auch mit den Browser-Übersetzern) . Keines dieser Medien hatte sich mal sachkundig gemacht. Alle kupfern nur den verteilen Standardtext ab. Da wird nicht eine Silbe des Urteils erwähnt."

    Ist denn das Urteil schon veröffentlicht, Sie Schlaumeier, oder ist bisher nur der Tenor veröffentlicht?
    In Deutschland gibt es die schriftliche Urteilsbegründung oft erst später, während in der mündlichen Verhandlung nur der Tenor verkündet und gegebenenfalls allenfalls nur mündlich begründet wird.

  7. 23.

    Alexandra Strittmatter, Freitag, 17.07.2020 | 10:51 Uhr:
    "Schein, die Dankbarkeit bei den "Intelektuellen" denen in ihren Heimatländer Gefahr droht und hier in der BRD Schutz finden, hält sich eben in Grenzen. Da denke ich auch an den "Künstler" Ai Waiwai."

    Auch wenn dies für eine Alexandra Strittmatter unverständlich ist: Auch Menschen, die aus einer diktatur geflohen sind und in Deutschland Schutz gefunden haben, haben ein Recht deutsche Politik zu kritisieren. Meinungsfreiheit gilt nicht nur für Deutsche. Ach übrigens: Denis Yücel ist Deutscher, sein Heimatland ist (auch) Deutschland. Und hier in seinem heimatland Deutschland droht ihm zum Glück keine Gefahr - außer von Menschen wie vielleicht Alexandra Strittmatter.

  8. 22.

    Alexandra Strittmatter, Freitag, 17.07.2020 | 10:51 Uhr:
    "Ein Skandal ist es, sich nicht der Verantwortung zu stellen und aus sicherer Ferne sein Urteil zu kommentieren."

    Was für ein Unsinn!
    Seit wann ist es ein Skandal, wenn sich jemand nicht einem Prozess in einer Diktatur stellt, der nicht rechtsaatlich ist?
    War es etwa auch ein Skandal, dass Menschen aus Nazideutschland geflohen waren und sich nicht der NS-Justiz gestellt hatten???

    Alexandra Strittmatter, Freitag, 17.07.2020 | 10:51 Uhr:
    "@themroc: das war keine "rechte Attitüde", sondern Ausdruck der Dankbarkeit des Herren Yücel in einer Kulumne in der taz."

    Sie können stolz darauf sein, dass sie den Text nicht verstanden haben und ihn nur aus zweiter Hand kennen!

  9. 21.

    wolfgang, Berlin, Freitag, 17.07.2020 | 08:50 Uhr:
    "Nein kein Skandal"

    Doch! Jeder Verstoß gegen Menschenrechte und Pressefreiheit ist ein Skandal!

    wolfgang, Berlin, Freitag, 17.07.2020 | 08:50 Uhr:
    "jedes Land in der Welt verurteilt nach SEINEN Gesetzen und verbietet sich Einmischung,
    egal ob Bananenrepublik oder Supermacht, oder reagiert Deutschland anders ?"

    Ja, Deutschland verbietet sich keine Kritik von außen, sondern setzt sich inhaltlich damit auseinander. Jeder darf sich in die politische Diskussion in Deutschland einmischen. Deutschland ist - im Gegenteil zu Diktaturen wie z.B. Türkei - eine offene Gesellschaft.

    wolfgang, Berlin, Freitag, 17.07.2020 | 08:50 Uhr:
    "einfach mal in die Vergangenheit schauen ....."

    Ja, in der Vergangenheit war dies einmal anders.

  10. 20.

    Erich, Berlin, Donnerstag, 16.07.2020 | 22:40 Uhr:
    "Yücel ? Das ist doch der Deutschlandhasser...."

    Falsch! Sie haben nur einfach nichts verstanden!

  11. 19.

    Nur so, Berlin, Donnerstag, 16.07.2020 | 22:38 Uhr:
    "Denke Dtschld. ist schon lange kein Beispiel mehr für Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Chancengleichheit. Überall haben Parteien ihr Personal in sämtlichen Institutionen, damit diese in ihrem Sinne agieren. Justiz und Verwaltungen funktionieren schon lange nicht mehr so wie es mal war. Ständig wird zur Ablenkung von dem ganzen Übel noch eins draufgesetzt oder eine neue Sau durch Dorf getrieben."

    Dumme Behauptungen ("Früher war alles besser!") ohne jegliche Belege und fernab der Realität! Da liegt wohl Verfolgungswahn vor. Dafür sind andere Fachleute zuständig.

  12. 18.

    Nur so, Berlin, Donnerstag, 16.07.2020 | 22:38 Uhr:
    "Weiß nicht, ob viele hier nicht schon täglich zu verstrahlt werden um noch Propaganda zu erkennen? Da wurde einfach ein Unterstützer für eine kurdische Terrororganisation abgeurteilt, richtig so!"

    Eine bloße Behauptung ohne jegliche Belege. D.Y. hat keine Terrororganisation unterstützt!

    Es ist allein die Erdogan-Logik. Erdogan denkt: Ich bin gegen Terror, also ist jeder, der gegen mich ist oder mich kritisiert für den Terror und unterstützt mit der Kritik gegen mich den Terror und gehört bestraft. So einfach ist das!

  13. 17.

    Vorab gesagt, ich bin der Meinung D sollte viel konsequenter den Auswüchsen von Erdogan entgegen treten, das zur politischen Einordnung. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, und die hiesigen Qualitätsmedien abgesucht, ob wenigste eine das Urteil gelesen hat. (Funktioniert auch mit den Browser-Übersetzern) . Keines dieser Medien hatte sich mal sachkundig gemacht. Alle kupfern nur den verteilen Standardtext ab. Da wird nicht eine Silbe des Urteils erwähnt.

  14. 16.

    Noam Chomsky - US-amerikanischer Linguistiker und politisch engagierter Mensch - hat nach dem Sept. 2001 mal vorgeschlagen, dass es eine einfache Lösung gäbe, den Terrorismus zu bekämpfen. Die USA bräuchten nur aufhören, daran teilzunehmen.

    Gänzlich Unrecht hat er mit Sicherheit nicht ...

  15. 15.

    Es gibt keine Zensur. Nur ein wiederum kassierter Gewaltbefürwortungsparagraf, wobei sich alle Beteiligten eines Besseren besannen und auf der anderen Seite eine Türkei, die diesen Gewaltbefürwortungsparagrafen sogar noch übertrumpft. Weil ein Mensch faktisch alle Macht in den Händen hält. Anders als im "komplizierten Deutschland".

  16. 14.

    Ich dachte erst, ich hätte mich verlesen. Yücel wird wegen Terrorpropaganda in Deutschland verurteilt.

  17. 13.

    Zitat: "Ein Skandal ist es, sich nicht der Verantwortung zu stellen und aus sicherer Ferne sein Urteil zu kommentieren."

    Ach so, wenn man nicht dazu bereit ist, sich einem rein politisch motivierten (Show-)Prozess vor einem ausländischen Gericht zu stellen, der mit demokratischer Rechtsprechung nicht das geringste zu tun hat und bei dem ein Knastaufenthalt bereits zuvor feststeht, ist das skandalös und vlt. auch noch "unehrenhaft", ne Alexandra Strittmatter?!

  18. 12.

    Mit dieser Einstellung kann man jedes Terroregime und jeden Völkermord ligitimieren.

  19. 11.

    Ein Skandal ist es, sich nicht der Verantwortung zu stellen und aus sicherer Ferne sein Urteil zu kommentieren.
    @themroc: das war keine "rechte Attitüde", sondern Ausdruck der Dankbarkeit des Herren Yücel in einer Kulumne in der taz.
    Schein, die Dankbarkeit bei den "Intelektuellen" denen in ihren Heimatländer Gefahr droht und hier in der BRD Schutz finden, hält sich eben in Grenzen. Da denke ich auch an den "Künstler" Ai Waiwai.

  20. 10.

    Danke. Sehe ich genauso. Dem ist nun wirklich nichts hinzuzufügen.

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