Steigende Mieten, private Investoren - Berliner Jugendzentren haben einen schweren Stand

Am Mittwoch wird das Urteil im Räumungsprozess um die "Potse" erwartet. Sehr wahrscheinlich wird das Jugendzentrum weichen müssen - ein Schicksal, das immer wieder Kinder- und Jugendeinrichtungen in Berlin droht. Von Birgit Raddatz
30 Jahre gibt es das "Unabhängige Jugendzentrum Pankow JUP e.V." schon. 30 Jahre, in denen sich auch der Anspruch an Jugendclubs geändert hat, findet Leiterin Jana Ringer. Früher seien die Zentren vor allem Räume gewesen, die frei von Erwachsenen und mitunter auch von Strukturen gewesen. Kinder- und Jugendarbeit werde aber immer mehr professionalisiert.
Das Jugendzentrum "Potse" in Berlin-Schöneberg ist für sie ein gutes Gegenbeispiel: "Bei der Potse haben wir noch den Umstand, dass das tatsächlich ein Raum ist ohne Professionalisierung. Und das ist natürlich für Politikerinnen und Politiker schwer auszuhalten." Denn dort werde umgesetzt, was die Jugendfreizeitbewegung in den 70er- und 80-er Jahren gefordert habe: dass sich junge Menschen selbst organisieren und "gucken, was sind unsere Wünsche, wie möchten wir unsere Freizeit gestalten". Dazu gehörten auch Punkkonzerte - "auch das ist Jugend".
Selbstbestimmung soll an vorderster Stelle stehen
Ihre Einrichtung, das "JUP", kann derzeit drei halbe Stellen besetzen. Vor Corona kamen bis zu 80 Jugendliche und junge Erwachsene dort hin. Jana Ringer ist es wichtig, dass die Selbstbestimmung an vorderster Stelle steht, gepaart mit einer politischen Haltung - was allerdings auch immer wieder die AfD auf den Plan rufe. Für ihre Arbeit erhielten sie viel Unterstützung vom Bezirk, sagt Ringer. Aber: "Wertschätzung funktioniert in der heutigen Gesellschaft auch darüber, wie viel Geld eine Einrichtung erhält. Da haben wir schon manchmal den Eindruck, dass geguckt wird, wie lange wir das noch so hinkriegen und durchhalten."
Mehr Gelder durch ein neues Gesetz
Das "JUP" ist eines von rund 400 öffentlich geförderten Jugendzentren in Berlin. Die Anzahl ist in den vergangenen Jahren geringfügig gesunken - die Finanzierung auch. Das Anfang des Jahres in Kraft getretene neue Jugendförder- und Beteiligungsgesetz verspricht fünf Millionen Euro zusätzlich bis 2023. Aber: Bei steigenden Mieten und dem Verkauf an private Investoren wird es für die sozialen Einrichtungen schwerer, bezahlbare Räumlichkeiten zu finden. Das "JUP" hat einen Mietvertrag mit der Stadt. Jana Ringer geht davon aus, dass der in fünf Jahren auch verlängert wird.
Angst vor der Verdrängung lässt einige politisch aktiv werden
In Neukölln waren zuletzt zwei Jugendzentren von einer Schließung bedroht: Der Mädchentreff "Schilleria" und das "Sunshine Inn", das von der mobilen Jugendarbeit Outreach betrieben wird. Für das "Sunshine Inn" sei jetzt eine Regelung mit der Kirche getroffen worden, erklärt Falko Liecke, Stadtrat für Jugend und Vize-Bürgermeister in Neukölln. "Da haben wir einen Erbbaurechtsvertrag übernommen. Und bei der 'Schilleria' haben wir in den nächsten zwei Jahren wieder erneut Vertragsverhandlungen mit dem Eigentümer." Um das aber zu umgehen, wolle man versuchen, eine langfristige gesicherte Lösung zu finden, sagt der CDU-Politiker. Auch hier sei man mit der Kirche im Gespräch.
Im neuen Gesetz ist auch festgehalten, dass die Bezirke sich rechtzeitig um geeignete Lösungen kümmern müssen. Die Kinder und Jugendlichen lernten in den Jugendzentren wichtige Regeln, so Liecke. Die Angst vor der Verdrängung lasse viele politisch aktiv werden: Bei der "Schilleria" habe das Engagement der Mädchen dazu geführt, dass der Vermieter mit sich reden ließ.
Sendung: 08.07.2020, Inforadio, 08:15 Uhr