Anschlagsserie Neukölln - Koppers verteidigt Abzug von Staatsanwälten als "alternativlos"

Do 20.08.20 | 14:10 Uhr
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Symbolbild: Graffiti von Neonazis an einer Häuserwand (Quelle: imago-images)
Audio: Inforadio | 20.08.2020 | Sebastian Schöbel | Bild: imago-images

Die Absetzung zweier Staatsanwälte bei den Ermittlungen zu mutmaßlich rechtsextremen Anschlägen sorgt für politischen Streit: Die Opposition hält die Gründe für nicht plausibel und übt scharfe Kritik. Derweil zeigen sich die betroffenen Juristen einsichtig.

Es ist ziemlich unmissverständlich, was Generalstaatsanwältin Margarete Koppers den Berliner Abgeordneten aus den Akten zur Anschlagsserie in Neukölln vorliest: In fett gedruckten Buchstaben weisen die Ermittler auf eine besonders brisante Aussage eines Verdächtigen hin. Es geht um einen der Staatsanwälte, die ihn befragt hatten. "Also, die Staatsanwaltschaft ist auf unserer Seite, der ist AfD-Wähler", zitiert Koppers.

Hinweis "nicht ernst genommen"

Der Staatsanwalt sei also keine Gefahr, möglicherweise sogar ein Gesinnungsgenosse: So jedenfalls kann man die Schlussfolgerung des Rechtsextremisten verstehen. Dieser Hinweis hätte zwingend weitergeleitet werden müssen, so Koppers, "ungeachtet des Wahrheitsgehalts". Doch der Hinweis auf die brisante Aussage verschwand für gut acht Monate in den Akten und wurde erst durch wiederholte Bemühungen der Anwältin eines der Opfer, dem Linken-Politiker Ferat Kocak, entdeckt. Die hatte monatelang Akteneinsicht erbeten, war aber immer wieder abgewiesen worden - zu Unrecht, wie die Generalstaatsanwaltschaft später feststellte.

Die Abberufung des ermittelnden Staatsanwaltes und seines Chefs sei daher alternativlos gewesen, so Koppers. "Nur der kleinste Verdacht einer politisch motivierten staatsanwaltlichen Ermittlung kann das Vertrauen in den Rechtsstaat gefährden."

CDU und AfD üben Kritik, Linke verlangt U-Ausschuss

Für den Innenexperten der AfD, Karsten Woldeit, reicht diese Begründung allerdings nicht aus. "Es kann doch nicht sein, dass ein Verdächtiger mutmaßt, der Staatsanwalt gehöre einem beliebigen politischen Lager an", so Wodeit. "Und die Generalstaatsanwältin die Staatsanwälte abzieht. Das kann doch nicht sein."

Auch bei der CDU regt sich Unmut. Ihr Fraktionschef Burkard Dregger fühlt sich an das neue Landesantidiskriminierungsgesetz des rot-rot-grünen Senats erinnert: Das, so Dregger, stelle Polizei und Justiz unter Generalverdacht. "Wenn sie so weitermachen, beschädigen sie das Vertrauen in unsere Sicherheitsorgane und unsere Justiz, ohne Grund, und spalten unser Land."

Vor allem Linke und Grüne aber sehen in dem Vorgang den Verdacht vieler Betroffenen bestätigt, dass die Aufklärung rechtsextremer Straftaten in Berlin nicht ernst genommen werde. Linken-Fraktionschefin Anne Helm fordert deswegen eine umfangreiche Aufklärung von Verbindungen zwischen rechten Strukturen und Sicherheitsbehörden. "Lassen sie uns diesen Auftrag annehmen, um einen Untersuchungsausschuss einzurichten."

Staatsanwälte räumen Fehler ein

Die beiden Staatsanwälte, die von den Ermittlungen abgezogen wurden, haben inzwischen Fehlverhalten eingeräumt, sagte Generalstaatsanwältin Koppers. Die Aussage des Verdächtigen habe man schlicht "nicht ernst genommen". Auch der abgesetzte Leiter der zuständigen Abteilung habe im Gespräch eingesehen, dass man die Brisanz dieses Hinweises nicht erkannt habe. Wie der Mann zu der Ansicht gekommen ist, dass der Staatsanwalt AfD-Unterstützer sei, habe er sich nicht erklären können, so Koppers. "Er habe mitnichten irgendwas in diese Richtung erklärt."

Konkrete Hinweise darauf, dass die Staatsanwälte tatsächlich befangen sind, gebe es auch nicht, sagt Koppers. Dass der Verdächtige aus der rechten Szene die Staatsanwaltschaft möglicherweise gezielt diskreditiert hat, glaubt sie ebenfalls nicht: Seine Aussagen wurden nämlich nicht bei der Telekommunikationsüberwachung entdeckt, was der Verdächtige eventuell hätte ahnen können. Vielmehr sei die Aussage in einer alten Chat-Nachricht entdeckt worden, auf einem beschlagnahmten Handy.

13 Kommentare

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  1. 13.

    "Vor allem Linke und Grüne...sehen sich bestätigt". Und da haben wir es doch, eindeutig politisch motivierter Schachzug der Knoppers, die ihrem Posten nur dem RRG Senat zu verdanken hat."

    Verdrehungen aus der rechtsextremen Ecke. Sie lesen nur dass, was ihre von ihrer Gesinnung geprägte Informationsblase aufnehmen kann, so "überlesen" sie selbstvertändlich "Die beiden Staatsanwälte, die von den Ermittlungen abgezogen wurden, haben inzwischen Fehlverhalten eingeräumt, sagte Generalstaatsanwältin Koppers."

    "Und das die Sicherheitsorgane Linken und Grünen schon immer ein Dorn im Auge waren ist ja nun nichts Neues."

    Merkwürdig, unter "ganz normale rot-grüne Landespolitik" wurden die Mittel für Justiz, Polizei usw. massiv aufgestockt.

    Ihre Verschwörungstheorien scheitern also schon hier an der Realität.

  2. 11.

    Für alle, die es noch nicht begriffen haben, welches Spiel Frau Koppers hier Zusammen mit den politischen Verantwortlichen von RRG spielt.:
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/razzien-rocker-und-verfolgungseifer-wie-staatsanwaelte-und-polizeifuehrung-einen-berliner-polizisten-kaputt-machten/26114164.html

  3. 10.

    "Vor allem Linke und Grüne...sehen sich bestätigt". Und da haben wir es doch, eindeutig politisch motivierter Schachzug der Knoppers, die ihrem Posten nur dem RRG Senat zu verdanken hat. Und außerdem - nichts ist alternativlos. Leute die solche Formulierungen verwenden wollen damit nur jegliche andere Ansichten und Argumentationen im Keim ersticken, weil Sie Ihre eigenen Handlungen nicht nachvollziehbar begründen können, da es keinerlei Beweise gibt. Und das die Sicherheitsorgane Linken und Grünen schon immer ein Dorn im Auge waren ist ja nun nichts Neues. Also alles in allem also ganz normale rot-grüne Landespolitik was hier passiert (ist).

  4. 9.

    "Die Linken haben den Staat an den Eiern, weil ein Rechter behauptet der Staat wäre Rechts. "

    Wow. Stammt das von ihnen? Ein Satz wie ein Hieb. DER war auch geklaut. Und jetzt im Ernst.

    In Teilen der Gewaltenteilung läuft was schief. Seit Jahrzehnten. Das sieht man in Neukölln.

  5. 8.

    Toll. Es hat geklappt. -
    Die Linken haben den Staat an den Eiern, weil ein Rechter behauptet der Staat wäre Rechts. - So macht der NichtGute für den Bösen die Arbeit. - Und das im Akkord. Wenn dieses Geschachere bis zur Wahl Früchte tragen soll, müssen die sich beeilen, wer fährt sonst die Ernte ein ?

  6. 7.

    "Zu blöd nur, dass sogar die abgezogenen Anwält*innen von eigenem Fehlverhalten sprechen" Es ist blödsinnig hier zu gendern, es waren zwei Männer. Den Rest dessen, was die beiden gesagt haben, haben Sie offenbar intellektuell nicht erfasst. Das einzige Fehlverhalten lag darin, dass sie die Aussage nicht weitergeleitet haben, weil sie ihnen schlicht und ergreifend als gehöriger Unsinn erschien, den man nicht ernst nehmen kann. Es liegen ungeachtet dessen immer noch und unverändert KEINE Hinweise vor, dass die Staatsanwälte tatsächlich befangen waren oder Ermittlungen nicht korrekt geführt oder bewertet hätten. Also versuchen Sie nicht ständig, das umzudeuten und Rufmord an Ihnen unbekannten Menschen zu begehen!

  7. 6.

    Was hat denn das Antidiskriminierungsgesetz mit dem konkreten Fall zu tun? Nichts! Herr Dregger sollte sich mal überlegen, welchen gehörigen Anteil er selbst hat an dem schwindenden Vertrauen. Man kann auch Dinge herbeireden. Umso schlimmer, wenn das billigend in Kauf nimmt, weil man ansonsten nicht mit gerade viel punkten kann.

  8. 5.

    Das ist unerträglich wie erwartbar, dass einerseits die AfD das Opfernarrativ bedient, sich selbst als gewöhnliche und nicht etwa in großen Teilen rechtsextreme und verfassungsfeindliche Partei darstellend, und die cDU mal wieder die Nähe zu rechtsextremen Positionen sucht. Zu blöd nur, dass sogar die abgezogenen Anwält*innen von eigenem Fehlverhalten sprechen. Das entzieht eigentlich Rechten jede Grundlage zu pöbeln, ist ihnen aber egal.

    Schon die Tatsache, dass jemandem, der von Anschlagsplanungen mehrfach und lange Zeit betroffen und nicht zuletzt auch direkt von einem Mordversuch betroffen ist, wiederholt kein Einblick in Akten gewährt wird, ist aktive Vereitlung von Ermittlungen und ggf. Strafen. Das war blanke Schikane und WIllkür, geltende Rechtsansprüche lange Zeit zu ignorieren. Wer auf dem rechten Auge blind sein will(!), gehört nicht in den Staatsdienst, egal ob Justiz oder Polizei.

  9. 3.

    Wie kann man so was Geistfreies Schreiben
    Lesen , nachdenken und schreiben und nicht gleich los trollen.
    Wenn man bedenkt aus welcher Ecke das kommt klärt sich das von ganz allein

  10. 2.

    Und ein erneutes Mal üben Rechtsaußen Dregger und die rechtsextreme AfD den Schulterschluß.

  11. 1.

    Wenn man Verbindungen zwischen rechten Strukturen und Sicherheitsorganen aufdecken will müsste man den halben Verfassungsschutz auflösen.

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