Anschlagsserie in Neukölln - Justizsenator Behrendt übt Kritik an Staatsanwaltschaft
Wurden die Ermittlungen zur rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln verschleppt? Justizsenator Behrendt kritisiert erhebliche Mängel bei der Weitergabe von Informationen bei der Staatsanwaltschaft. Einige fordern schon einen Untersuchungsausschuss.
Der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hat Kritik am bisherigen Vorgehen der Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen zur Brandanschlagsserie in Neukölln geübt. Der Hinweis, dass einer der ermittelnden Staatsanwälte möglicherweise befangen sein könnte, habe "schon seit Monaten in den Akten geschlummert" und sei "nicht nach oben weitergegeben" worden, sagte Behrendt am Donnerstag dem rbb. Es hätte "allen Beteiligten beim Landeskriminalamt und der Staatsanwaltschaft klar gewesen sein [müssen], dass dieser Vorgang Anschlagsserie in Neukölln eine hohe Brisanz hat" und "auch dem allerkleinste nach Hinweisen nachgegangen wird".
"Selbstreinigungskräfte des Apparats haben gewirkt"
Ob der Vorwurf, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen Befangenheit verschleppt hat, zutrifft, werde aber noch geprüft, so Behrendt. Ob die kompromittierende Aussage der Verdächtigen stimmt, sei nicht geklärt. "Kann ja auch sein, dass die Betroffenen sich da das ausgedacht haben, um den bösen Schein zu erwecken."
Behrendt wies zudem darauf hin, dass die ihm unterstellten Ermittlungsbehörden die Sache selbst entdeckt hätten: Denn die Opferanwältin, die den Ball ins Rollen gebracht hatte, habe nur Akteneinsicht verlangt. Daraufhin habe die Generalstaatsanwaltschaft die Papiere geprüft und den Hinweis entdeckt und gehandelt. "Die Selbstreinigungskräfte des Apparats haben gewirkt", so Behrendt. "Immerhin haben wir gezeigt, dass wir hier solche Fehler auch entdecken."
Forderung nach Untersuchungsausschuss
Der Linken-Fraktionsvorsitzende Carsten Schatz sieht sich derweil in seiner Forderung nach einem Untersuchungsausschuss bestätigt. "Erstens gibt es jetzt noch mehr Verdachtsmomente, dass die Sicherheitsbehörden tendenziös oder gar nicht richtig ermittelt haben", argumentierte Schatz. "Zweitens zeigt der Vorgang, dass die interne Untersuchung der Polizei mit der Sonderermittlungsgruppe Fokus gescheitert ist." Die Ermittlungen hätten keine nennenswerten Erkenntnisse zu Tage gebracht.
Die Grünen hatten einen Untersuchungsausschuss zunächst abgelehnt, ziehen es nun aber in Betracht, wie ihre rechtspolitische Sprecherin Petra Vandrey sagte. Die Fraktion werde über das Thema aber noch diskutieren. "Das Problem ist, dass hier der Eindruck entsteht, dass sich rechtsextreme Tatverdächtige, Zitat, keine Sorgen machen müssen um die Staatsanwaltschaft, weil sie auf ihrer Seite", sagte Benedikt Lux, der innenpolitische Sprecher der Grünen, dem rbb. Die Befürchtung sei da, so Lux, dass es rechtsextreme Strukturen innerhalb der Behörde gibt. "Die Staatsanwaltschaft ist eine unabhängige, objektive Behörde, die eine gute Arbeit macht, aber allein dieser Vorwurf wirft schon ein schlechtes Licht auf die Staatsanwaltschaft."
CDU fordert Sonderermittler
Der rechtspolitische Sprecher der SPD, Sven Kohlmeier, äußerte sich dagegen kritisch zur Einrichtung eines Untersuchungsausschusses. Denn deren Erkenntnisse hielten sich meist in Grenzen, so Kohlmeier. Die CDU will das Thema zunächst im Rechtausschuss auf die Tagesordnung heben, so ihr innenpolitischer Sprecher Burkard Dregger. "Wir wollen im Ausschuss den Justizsenator mal bitten, darzulegen, worum es eigentlich geht. Wir wissen es nämlich nicht, weil der Senator es nicht für nötig hält, uns als Parlament zu unterrichten", so Dregger. "Das ist der nächste Skandal in dieser Stadt." Sollte Behrendt das Parlament nicht ausreichend informieren, so CDU-Landeschef Kai Wegner, "kann ich mir einen Sonderermittler gut vorstellen".
Neueinstellungen in den Ermittlungsbehörden vorab durch den Verfassungsschutz überprüfen zu lassen, lehnt Justizsenator Behrendt derzeit ab. Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter überprüfe man bereits die Verfassungstreue, so Behrendt, und wolle das auch noch stärker tun. "Wir haben dann auch schon mal Google benutzt, um mal zu gucken bei dem ein oder anderen, was der so veröffentlicht im Internet, aber das hat rechtliche Grenzen, wir können ja jetzt nicht bei jedem Facebook, Twitter und Emails mitlesen, dürfen wir auch gar nicht."
Zudem dürften Staatsanwälte rechtlich gesehen auch Mitglied in der AfD sein - so wie es einer der ermittelnden Staatsanwälte wohl gegenüber einem Zeugen erwähnt hatte. In ihre Ermittlungsarbeiten dürfe das jedoch in keinem Fall beeinflussen, so Behrendt.