Anschlagsserie in Neukölln - Justizsenator Behrendt übt Kritik an Staatsanwaltschaft

Do 06.08.20 | 19:51 Uhr
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Dirk Behrendt (Bündnis 90/Die Grünen), Justizsenator des Landes Berlin (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Audio: radioeins | 06.08.2020 | Katja Weber | Bild: dpa/Britta Pedersen

Wurden die Ermittlungen zur rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln verschleppt? Justizsenator Behrendt kritisiert erhebliche Mängel bei der Weitergabe von Informationen bei der Staatsanwaltschaft. Einige fordern schon einen Untersuchungsausschuss.

Der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hat Kritik am bisherigen Vorgehen der Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen zur Brandanschlagsserie in Neukölln geübt. Der Hinweis, dass einer der ermittelnden Staatsanwälte möglicherweise befangen sein könnte, habe "schon seit Monaten in den Akten geschlummert" und sei "nicht nach oben weitergegeben" worden, sagte Behrendt am Donnerstag dem rbb. Es hätte "allen Beteiligten beim Landeskriminalamt und der Staatsanwaltschaft klar gewesen sein [müssen], dass dieser Vorgang Anschlagsserie in Neukölln eine hohe Brisanz hat" und "auch dem allerkleinste nach Hinweisen nachgegangen wird".

"Selbstreinigungskräfte des Apparats haben gewirkt"

Ob der Vorwurf, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen Befangenheit verschleppt hat, zutrifft, werde aber noch geprüft, so Behrendt. Ob die kompromittierende Aussage der Verdächtigen stimmt, sei nicht geklärt. "Kann ja auch sein, dass die Betroffenen sich da das ausgedacht haben, um den bösen Schein zu erwecken."

Behrendt wies zudem darauf hin, dass die ihm unterstellten Ermittlungsbehörden die Sache selbst entdeckt hätten: Denn die Opferanwältin, die den Ball ins Rollen gebracht hatte, habe nur Akteneinsicht verlangt. Daraufhin habe die Generalstaatsanwaltschaft die Papiere geprüft und den Hinweis entdeckt und gehandelt. "Die Selbstreinigungskräfte des Apparats haben gewirkt", so Behrendt. "Immerhin haben wir gezeigt, dass wir hier solche Fehler auch entdecken."

Forderung nach Untersuchungsausschuss

Der Linken-Fraktionsvorsitzende Carsten Schatz sieht sich derweil in seiner Forderung nach einem Untersuchungsausschuss bestätigt. "Erstens gibt es jetzt noch mehr Verdachtsmomente, dass die Sicherheitsbehörden tendenziös oder gar nicht richtig ermittelt haben", argumentierte Schatz. "Zweitens zeigt der Vorgang, dass die interne Untersuchung der Polizei mit der Sonderermittlungsgruppe Fokus gescheitert ist." Die Ermittlungen hätten keine nennenswerten Erkenntnisse zu Tage gebracht.

Die Grünen hatten einen Untersuchungsausschuss zunächst abgelehnt, ziehen es nun aber in Betracht, wie ihre rechtspolitische Sprecherin Petra Vandrey sagte. Die Fraktion werde über das Thema aber noch diskutieren. "Das Problem ist, dass hier der Eindruck entsteht, dass sich rechtsextreme Tatverdächtige, Zitat, keine Sorgen machen müssen um die Staatsanwaltschaft, weil sie auf ihrer Seite", sagte Benedikt Lux, der innenpolitische Sprecher der Grünen, dem rbb. Die Befürchtung sei da, so Lux, dass es rechtsextreme Strukturen innerhalb der Behörde gibt. "Die Staatsanwaltschaft ist eine unabhängige, objektive Behörde, die eine gute Arbeit macht, aber allein dieser Vorwurf wirft schon ein schlechtes Licht auf die Staatsanwaltschaft."

CDU fordert Sonderermittler

Der rechtspolitische Sprecher der SPD, Sven Kohlmeier, äußerte sich dagegen kritisch zur Einrichtung eines Untersuchungsausschusses. Denn deren Erkenntnisse hielten sich meist in Grenzen, so Kohlmeier. Die CDU will das Thema zunächst im Rechtausschuss auf die Tagesordnung heben, so ihr innenpolitischer Sprecher Burkard Dregger. "Wir wollen im Ausschuss den Justizsenator mal bitten, darzulegen, worum es eigentlich geht. Wir wissen es nämlich nicht, weil der Senator es nicht für nötig hält, uns als Parlament zu unterrichten", so Dregger. "Das ist der nächste Skandal in dieser Stadt." Sollte Behrendt das Parlament nicht ausreichend informieren, so CDU-Landeschef Kai Wegner, "kann ich mir einen Sonderermittler gut vorstellen".

Neueinstellungen in den Ermittlungsbehörden vorab durch den Verfassungsschutz überprüfen zu lassen, lehnt Justizsenator Behrendt derzeit ab. Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter überprüfe man bereits die Verfassungstreue, so Behrendt, und wolle das auch noch stärker tun. "Wir haben dann auch schon mal Google benutzt, um mal zu gucken bei dem ein oder anderen, was der so veröffentlicht im Internet, aber das hat rechtliche Grenzen, wir können ja jetzt nicht bei jedem Facebook, Twitter und Emails mitlesen, dürfen wir auch gar nicht."

Zudem dürften Staatsanwälte rechtlich gesehen auch Mitglied in der AfD sein - so wie es einer der ermittelnden Staatsanwälte wohl gegenüber einem Zeugen erwähnt hatte. In ihre Ermittlungsarbeiten dürfe das jedoch in keinem Fall beeinflussen, so Behrendt.

19 Kommentare

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  1. 19.

    "Herr Behrendt sollte sich in erster Linie mal um seine Linksextremestiten [sic!] kümmern, aber Nein, diese unterstützt und beklatscht seine Partei und er selbst ja eher noch. "

    nennen sie uns doch mal ein einziges Beispiel, welches einer Überprüfung standhält und nicht aus ihrer von ihrer Gesinnung geprägten Echokammer stammt.

    Nur EINS!

  2. 18.

    Ihre Behauptung ist eben das, eine pure Behauptung! Es gab lange vor der AfD bereits deutlich mehr Rechtsextreme Gewalt und auch das Auftauchen der AfD auf der politischen Bühne hat zunächst nicht zu einem erneuten Anstieg geführt. Der nächste Anstieg hing mit der Flüchtlingspolitik ab 2015 zusammen, die gleichzeitig auch der AfD Auftrieb verschafft hat. Über einen Zusammenhang zwischen AfD und Gewaltanstieg gibt es überhaupt keinen belegten Zusammenhang sondern nur politisch motivierte Unterstellungen. Den tatsächlichen Gewalttätern ist diese Partei gar nicht rechts genug.

  3. 17.

    "Ich mag die AfD nicht. Aber seit diese Partei bei uns im Landtag vertreten ist, und immer wieder "kleine Anfragen" eingibt, bin ich wesentlich besser informiert."

    Das ist ja schön wenn die AFD für sie ein "persönliches" Glück bedeutet, für viel andere Menschen in diesem Land bedeutet sie ein Trauma und u.U. auch Gewalterfahrung. Seid diese Partei auf der politischen Bühne erschienen ist, steigt die rechtsextreme Gewalt in einem unerträglichen Maß. Morde sind inzwischen keine Seltenheit mehr. Die Vertuschung und Relativierung gehören ebenfalls zur Agenda der Partei, wovon auch dieser Artikel handelt.

  4. 16.

    Es gibt auch noch eine feine Nuance zwischen Vermuten und Fakten. Und was daraus-- auch medial-- gemacht wird.Man hat doch als Normalsterblicher kaum eine Chance --trotz 100%iger Fakten--gegen Staatsanwälte juristisch erfolgreich sein zu können.Weil die Verfahren halt eben--wie Sie richtig schreiben- von "Kollegen" eingestellt werden.Jetzt sieht die Sache doch ganz anders aus.Wenn die Generalstaatsanwaltschaft von sich aus eine politisch motivierte "Strafvereitelung im Amt " vermutet--dann wird das eventuell eine Lawine auslösen.Denn es gibt sicherlich auch Staatsanwälte und Richter, die "links--un--motiviert" ermitteln und entscheiden. Ganz ehrlich--ich warte schon lange darauf, dass sich juristisch einmal links und rechts aneinander reibt--und es nicht mehr so einfach wird, Dinge zu vertuschen.Ich mag die AfD nicht. Aber seit diese Partei bei uns im Landtag vertreten ist, und immer wieder "kleine Anfragen" eingibt, bin ich wesentlich besser informiert.

  5. 15.

    Herr Behrendt sollte sich in erster Linie mal um seine Linksextremestiten kümmern, aber Nein, diese unterstützt und beklatscht seine Partei und er selbst ja eher noch.

    Dieser Mensch ist sowas von peinlich und als Politiker nicht mehr tragbar !!!

  6. 14.

    Es tut mir leid wenn Sie den ganzen Tag mit nörgelnden Rentnern zu tun haben. Für mich gibt es eine feine aber doch wichtige Nuance zwischen nörgeln und Zynismus. Wenn der Apparat bei Straftaten nicht so ermittelt wie er sollte kann es auch daran liegen, dass er es gar nicht wirklich will um einen eventuellen Schaden für den Apparat zu vermeiden.

  7. 13.

    "Woher wollen Sie wissen, dass es keine Strafanzeige und kein Ermittlungsverfahren gibt?" Weil nichts derartiges verlautbart wurde? Oder ist Ihnen Gegenteiliges bekannt. Bislang lautet die gesamte Kommunikation der Generalstaatsanwaltschaft, dass man lediglich dem Eindruck einer Befangenheit entgegenwirken möchte, was sehr zu begrüßen ist, aber noch keine stichhaltigen Anhaltspunkte auf ein tatsächliches Fehlverhalten hat. Alles Andere wird von geneigter Seite begierlich hinein interpretiert. Kann man freilich machen, nennt sich aber Vorverurteilung. Warten wir doch einfach mal die nächsten Ermittlungsergebnisse ab.

  8. 12.

    "Die CDU will das Thema zunächst im Rechtausschuss auf die Tagesordnung heben, so ihr innenpolitischer Sprecher Burkard Dregger."
    Hach, wer erinnert sich nicht an die reaktionären Positionen seines Vaters. Aber vielleicht ist der Sohn ja nicht so schlimm. Letztlich dürfen in der CDU/CSU die rechten und/oder oppurtunistischen Kräfte halt nicht wieder zu stark werden, nicht das die Konservativen die Rechtsradiaklen wieder an die Macht schaufeln, wie schon mal in unserer Geschichte. Und wenn ich mir die aktuellen Aussagen und Positionen von Herrn Vaatz, Herrn Caffier (Regenbogenflagge), Seehofer (Flüchtlinge Berlin/Thüringen) etc. so anschaue muss man tatsächlich pessimistisch sein. Hoffentlich erinnern sich Polizei und andere Ordnungskräfte, dass sie alle schützen müssen und nicht nur "autoritäre" Freunde.

  9. 11.

    Bisher dachte ich, Beamte würden vorübergehend suspendiert und nicht "nur" versetzt, würden Ermittlungen gegen sie laufen. Deshalb meine Annahme, dass eventuell noch keine Ermittlungen am Laufen seien.
    Da angeblich seit Jahren nicht richtig ermittelt worden sein soll, bin ich davon ausgegangen, dass das erhebliche Auswirkungen auf die Innere Sicherheit haben könnte--deshalb dachte ich tatsächlich an die Bundesanwaltschaft(und nicht an eine andere Generalstaatsanwaltschaft--sorry).
    Ich bin allerdings keine Juristin--und sollte ich falsch liegen , dann Danke für Ihren Hinweis, der mich geradezu dazu zwingt, mich selbst noch einmal in das Thema einzulesen.
    Danke für ihren sachlichen Kommentar---und auch Danke an rbb--Ich erlebe selten, dass es im Kommentarbereich so gesittet zu geht. Großes Lob an Alle!

  10. 10.

    chr/christiane:
    "Wenn die Generalstaatsanwaltschaft und der Justizsenator "Strafvereitelung im Amt" vermuten-und dies auch öffentlich machen-, warum gibt es dann keine Strafanzeige samt Ermittlungsverfahren gegen die Staatsanwälte?"

    1. Woher wollen Sie wissen, dass es keine Strafanzeige und kein Ermittlungsverfahren gibt?

    2. da dies ein Offizialdelikt ist, wird von Amts wegen ermittelt. Es braucht keine Strafanzeige.

    chr/christiane:
    "Und warum hat die Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren an sich genommen und nicht an eine unabhängige Generalstaatsanwaltschaft weitergeleitet?"

    Weil dies die zuständige Staatsanwaltschaft ist. Andere Generalstaatsanwaltschaften aus anderen Bundesländern und die Bundesanwaltschaft sind nicht zuständig. Und die Generalstaatsanwaltschaft ist unabhängig von der einfachen Staatsanwaltschaft.

  11. 9.

    Enric:
    "letztendlich ist es doch egal wer wen überprüft. Entscheidend ist das Ergebnis und das lautet. Das Verfahren wird mangels Beweise eingestellt. Das haben sich einige nur ausgedacht und es gibt keine weiteren Nachforschungen. Dafür ist das Thema zu brisant und der ganze Apparat könnte sonst Schaden nehmen."

    Sie wissen anscheinend mehr als wir. Lassen Sie uns an Ihrem Wissen teilhaben. Nennen Sie bitte die Quellen für Ihre Behauptungen!

    Oder sind das nur einfach bösartige Unterstellungen?!?!

  12. 8.

    Vielleicht sollte der geneigte Leser erst einmal das Ergebnis der Ermittlungen abwarten. Bisher gibt es nur wenige Punkte, die tatsächlich zu einer Anklage führen könnten. Von einer Einstellung mangels Beweisen kann man bisher nicht ausgehen. Frau Koppers will sich nun profilieren. Schauen wir mal.

    Ihr ganzer Kommentar, der übrigens in weiten Teilen völlig sinnfrei ist, vermittelt den Eindruck eines ständig vor sich hinnörgelnden Rentners. Liege ich richtig oder ist es Ihr ach so schlechtes Weltbild, was Sie zum Schreiben veranlasst hat?

  13. 7.

    Es gab ja auch Betroffene, über die nicht geredet wurde, denen monatelang Leute nachgelaufen sind und die sogar an einem öffentlichen Platz mit irgendwelchen Chemikalien beworfen wurden. Anschließend lagen sogar noch Lappen, die mit dieser (organischen) Chemikalie getränkt waren, vor einigen Haustüren. Man weiß ja, dass Justizangestellte auch immer mal wieder bedroht werden und wahrscheinlich darum befangen sind. Das kann man nur nicht belegen und das gibt auch keiner zu.

  14. 6.

    Kritik an einer Behörde zu Üben, für welche man selbst verantwortlich ist, "respekt"!

    Wie wäre es denn mal Verantwortung zu übernehmen, als Justizsenator?

  15. 5.

    Ich finde es misslich, wenn der „Chef“ über seine „Leute“ in der Öffentlichkeit redet. Letztendlich ist der Senator für die StA verantwortlich.

  16. 4.

    "Zweitens zeigt der Vorgang, dass die interne Untersuchung der Polizei mit der Sonderermittlungsgruppe Fokus gescheitert ist." Die Ermittlungen hätten keine nennenswerte Erkenntnisse zu Tage gebracht.

    Dem ist nichts hinzuzufügen. Rechtsextreme haben leider bei der Berliner Polizei eine lange Tradition.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Republikaner_Berlin#Abgeordnete_im_Abgeordnetenhaus_von_Berlin

  17. 3.

    Wenn die Generalstaatsanwaltschaft und der Justizsenator "Strafvereitelung im Amt" vermuten-und dies auch öffentlich machen-, warum gibt es dann keine Strafanzeige samt Ermittlungsverfahren gegen die Staatsanwälte?--Und warum hat die Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren an sich genommen und nicht an eine unabhängige Generalstaatsanwaltschaft weitergeleitet?

  18. 2.

    Wo haben Sie Ihre Glaskugel gekauft? Offenbar sind Sie von Ihrer überzeugt. Würde die Kugel gerne vor der nächsten Lottoziehung haben.

  19. 1.

    letztendlich ist es doch egal wer wen überprüft. Entscheidend ist das Ergebnis und das lautet. Das Verfahren wird mangels Beweise eingestellt. Das haben sich einige nur ausgedacht und es gibt keine weiteren Nachforschungen. Dafür ist das Thema zu brisant und der ganze Apparat könnte sonst Schaden nehmen.

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