Wenn der Fernunterricht droht - Berliner Schulen drängen auf bessere digitale Ausstattung

So 23.08.20 | 08:14 Uhr | Von Kirsten Buchmann und Matthias Schirmer
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Symbolbild: Grundschüler nutzen ein Tablet. Viele Schulen stehen bei der Digitalisierung des Lernens erst am Anfang. (Quelle: dpa/A. Weigel)
Bild: dpa/A. Weigel

Unterricht in voller Klassenstärke – so läuft es momentan. Wenn die Infektionszahlen weiter steigen, soll es eine Mischung aus Präsenz- und Fernunterricht geben. Aber dafür fehlen oftmals die Voraussetzungen. Von Kirsten Buchmann und Matthias Schirmer

"Da hakt es noch ganz schön", sagt Stephan Witzke – und meint die digitale Schule. Witzke ist Vorstandsmitglied der Schulleitervereinigung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Rektor in Neukölln. Um den digitalen Unterricht voranbringen zu können, fehlt ihm an seiner Schule etwa noch ein neuer Server: "Ich möchte für alle Schüler und Lehrer das Office-Paket kaufen, aber ich kann es nicht installieren, weil der Vertrag für den Server ausläuft."

Aufgaben auch online

Seine Grund- und Förderschüler sollen erst einmal Basiswissen lernen: Wie melde ich mich am Computer an, wie lade ich eine Aufgabe für den Lehrer hoch? Denn die Kinder sollen dann Aufgaben in Mathe, Deutsch oder Englisch auch online bewältigen können - in Corona-Zeiten, wenn nötig, im Fernunterricht.

Um seine Schule dafür zum Beispiel mit Laptops ausstatten zu können, wünscht sich Witzke allerdings mehr Unterstützung. Er kann nicht verstehen, wo die angekündigte digitale Ausstattung bleibt, die mit Geld aus dem Digitalpakt des Bundes und der Länder finanziert werden soll. "Da merkt man nicht, dass es hier eine Priorität gibt, jedenfalls nicht hier konkret vor Ort."

Bei den Zeugnisvorlagen fängt es an

Andernorts ist die Kritik noch härter: "Setzen. Sechs" – so zensiert ein Gymnasiallehrer anonym im rbb Inforadio-Chat die Senatsschulverwaltung. Seit langem schaffe diese es nicht einmal, Zeugnisvorlagen als bearbeitbare PDF-Dateien zu liefern. Stattdessen kämen sie in Formaten, die an schulischen Rechnern gar nicht benutzt werden dürften. Ein Hybrid-Unterricht – also eine Mischung aus Präsenz- und Fernunterricht - sei weder vom Stundenplan her noch technisch auf eine Weise möglich, dass die Zuhausebleibenden sich darauf verlassen könnten. Die Schulen hätten oft keinen ausreichenden Breitband-Anschluss.

Welche Tools sind datenschutzrechtlich überhaupt erlaubt?

Kritik kommt auch von den Eltern: Sie habe nicht den Eindruck, dass die letzten sechs Wochen Sommerferien sinnvoll genutzt wurden, sagt Esther Konieczny vom Eltern-Krisenteam der Flaeming-Grundschule in Friedenau: Noch immer sagten ihr Grundschullehrer, sie wüssten nicht, welche elektronischen Tools sie benutzen dürfen und welche nicht. "Das, finde ich, ist ein Skandal."

Sie bekommt Unterstützung von Jacob Chammon. Er arbeitet für das Forum Bildung Digitalisierung e. V. und war selbst in Berlin Schuldirektor. Die Schulverwaltung müsse Lehrenden hier den Rücken freihalten – und die Schulleitungen stärken, so Chammon im rbb. Wer als Direktorin oder Direktor ständig den Eindruck habe, mit einem Bein im Gefängnis zu stehen, von dem dürfe auch niemand erwarten, dass sie oder er mit digitaler Eigeninitiative mutig voranschreite.

Verteidigung aus der Senatsschulverwaltung

Die Verwaltung habe sich in den Ferien keineswegs "einen schlanken Fuß gemacht“, erwidert Bildungsstaatssekretärin Beate Stoffers im rbb. Pädagogen seien mit Fachbriefen zum digitalen Lernen unterstützt worden. Und von 4,9 Millionen Euro Soforthilfe des Senates seien seit Beginn der Corona-Krise unter anderem 9.500 Tablets für sozialbedürftigte Kinder angeschafft und auch unter ihnen verteilt worden. Aus Bundesmitteln sollten nun demnächst weitere 40.000 Tablets für Schüler bestellt werden, sagt die Staatsekretärin. Außerdem würden doch bis Jahresende 2020 schon einmal alle Berufsschulen ans Breitbandnetz angeschlossen - das war ursprünglich für Dezember 2019 angekündigt. Auch für alle anderen Schulen, die allgemeinbildenden Schulen, bediene sich die Schulverwaltung hierfür des IT-Dienstleisters IDTZ. "Das ist nicht trivial, da geht es um 980 Standorte", so Stoffers.

Klar ist: Je näher wegen steigender Corona-Fallzahlen ein Fernunterricht rücken könnte - immer jeweils für einen Teil der Klasse - desto lauter dürften die Rufe aus den Schulen werden, für ihre digitalen Angebote mehr Unterstützung zu erhalten.

Erst vier Millionen aus dem Digitalpakt geflossen

Aus den Mitteln des Digitalpakts soll es für Berliner Schulen für fünf Jahre insgesamt rund 260 Millionen Euro geben. Inzwischen haben mehr als 600 der rund 800 Berliner Schulen ihre Anträge gestellt. Für sie können laut der Bildungsverwaltung also die Bezirke Fördergelder aus dem Digitalpakt beantragen. Erst ein Bruchteil der Mittel ist bisher allerdings tatsächlich geflossen, nämlich vier Millionen Euro.

Für die Beantragung der Mittel ist in Rektor Witzkes Fall der Bezirk Neukölln zuständig. Dort erklärt der kommissarische Leiter der Wirtschaftsstelle im Schulamt, Stephan Harke, dass unter anderem die Konzepte der Schulen zunächst geprüft werden müssten, auch mit Blick auf bauliche Aspekte. Und wenn neben baulichen Veränderungen für die digitale Ausstattung auch andere Großbaumaßnahmen an den Schulen liefen, werde es sehr komplex.

Schulungen für die Lehrer nötig

Inzwischen gebe es bezirksweit grünes Licht für 27 Schulen. Das Signal - auch für Stephan Witzke: Ein neuer Server komme immerhin in diesem Jahr. Eine Schulleiterin in einem weiteren Bezirk wiederum vermisst noch etwas anderes: Schulungen. Ihr Kollegium wolle zum Beispiel erfahren, welche Konferenz-Tools sicher sind, um datenschutzkonform untereinander und mit den Schülern zu kommunizieren.

Auch für Fortbildungen sollen Gelder aus dem Digitalpakt eingesetzt werden können – nur, dass diese Hilfe bis jetzt noch längst nicht in allen Schulen ankommt. Rund 600 von ihnen haben ihre Medienkonzepte eingereicht. 454 Anträge von 348 Schulen habe sie bisher bewilligt, rechnet die Bildungsverwaltung vor.

Sendung: Inforadio, 23.08.2020, 11.04 Uhr

Beitrag von Kirsten Buchmann und Matthias Schirmer

30 Kommentare

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  1. 30.

    Abgesehen von wenigen Oberschulen waren in Berlin kaum Schulen von der Schließung betroffen. Notbetreuung, schon mal gehört?

  2. 29.

    Keine Ahnung mit wem sie da kommuniziert haben wollen, aber es war in den letzten 6 Monaten absolut üblich die Aufgaben in der Schule abzuholen und die erledigten Arbeiten dort abzulegen. Die Tage wurden den Eltern/Kindern mitgeteilt, damit sich nur 1Klassenstufe im Schulhaus aufgehalten hat. Es war ja auch möglich das Sekretariat und den Verantwortlichen der Notbetreuung aufzusuchen um Absprachen zu treffen und die Bedürftigkeit nachzuweisen. Das funktioniert nun mal ausschließlich persönlich.

  3. 28.

    Von mir war nicht die Rede - mein Kind ist schon älter und super klargekommen, ohne dass ich groß beteiligt war.

  4. 27.

    Übrigens bezeichnen Sie mich als Frech, bezichtigen mich aber genau so Frech der Lüge!? Wir sind auch andauernd zur Schule gelaufen, das Arbeitsmaterial abzuholen! jedes Kind hat ein Fach und in vielen Fächern haben sich die Materialien gesammelt um es nett zu formulieren! Persönlich kenne ich Lehrer, die die halbe Stadt abgeklappert haben um ihren Schülern das Material in den Briefkasten zu werfen! Da waren die Eltern zu faul oder unfähig eine Telefonnummer oder eine E-Mail Adresse zu hinterlassen! Sie haben betont Lehrer nicht für "Faul" zu halten, aber haben meinen "Einsatz" für die Lehrer angegriffen! Sie sollten, wie alle anderen hier auch, ihre gewählten Volksvertreter zu Verantwortung ziehen!

  5. 26.

    Tja, ich habe anderes beobachtet! Und übrigens sind Sie nicht die Einzige, die Arbeiten geht!

  6. 25.

    Ihnen ist schon klar, dass es ziemlich frech ist, Eltern als faul zu bezeichnen, die neben ihren 40-Stunden-Jobs parallel die Kinderbetreuung übernommen haben, was schon nicht funktioniert, und dann noch Hilfslehrer für alle Fächer mit normalen Unterrichtsstoff gespielt haben. Klar, dass sie da noch fröhlich ständig in die (geschlossene) Schule rennen, um sich das alles selbst abzuholen.
    Ihr Problem muss aber ohnehin eine absolute Ausnahme sein, wenn es denn existiert. Mir ist im gesamten Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis kein Fall bekannt, in dem die Aufgaben zur Abholung bereitgestellt wurden statt digital (es sei denn, der Schule wurde bspw. keine Mailadresse benannt).

  7. 24.

    Welche Tablets wurden ausgegeben? Ich als alleinerziehende Mama und Alleinversorger habe für mein Kind auch über die Schule eins beantragt mit dem Nachweis dafür. Ich habe bis heute keins bekommen. Ich Frage mich wer eins bekommen hat????

  8. 23.

    Ich war selbst lange Lehrer im Land Brandenburg und musste miterleben, wie immer wieder an der Bildung gespart wurde.
    Schulen wurden geschlossen und große Bildungseinrichtungen geschaffen mit viel zu vielen Schülern und zu großen Klassen.
    Hätten wir diese kleinen Schulen noch und dazu genug ausgebildete Lehrkräfte, dann wären die heutigen Probleme halb so groß.
    Digitales Lernen wird es nicht richten, sondern kleinere Lerngruppen und genügend Lehrer, die in der Lage sind mit viel Empathie und Einsatzwillen für unsere Kinder da zusein.
    Technische Ausrüstung allein reicht nicht.

  9. 22.

    Ist schon klar, Ihnen soll man es bringen! Genau diese Faulheit und dieses Anspruchsdenken meinte ich! Richtig!

  10. 21.

    Eigentlich ist es egal, ob da irgendwas passiert.
    Die Kinder werden mit diesem vorhandenen Bildungssystem auf keinen Fall unsere Zukunft sein, das scheint auch nicht mehr gewollt zu sein.

    Lehrer haben eh kein Interesse mehr an Kindern und versuchen sich wo es geht vor Arbeit zu drücken.
    Allerdings sollten sie bedenken, das sie ohne Präsenzunterricht auch nicht mehr benötigt werden.

    Bildung scheint derzeit kein Kriterium mehr für Kinder zu sein.

    Im übrigen bekommt unser Kind jetzt ein Tablet, was die Eltern (720€) zahlen müssen. Natürlich dürfen wir auch in Raten zahlen.
    Ohne Worte.

  11. 20.

    Was genau meinen Sie mit abzuholen? Mailpostfächer abzurufen? Vor Ort in der Schule ja wohl kaum, das wäre ja der Witz schlechthin.
    Ich persönlich unterstelle Lehrern keine Faulheit, bei meinem Sohn lief es aber auch ganz gut, trotz einiger Anfangsschwierigkeiten, aber das ist in so einer neuen Situation ja normal.

    Allerdings frage ich mich, woraus Sie Ihre Kenntnisse beziehen. Lehrer sind Sie ja nun hoffentlich nicht, zumindest kein Deutschlehrer. Kommasetzung nach dem Zufallsprinzip, Groß- und Kleinschreibung eieiei, Grammatik... Insofern vermute ich dann auch, dass der Nickname keinen neckischen Hintergrund hat, sondern schlicht schlechte Rechtschreibung ist.

  12. 19.

    Da kann ich nur zustimmen. Schon in den Diskussionen zur Digitalisierung und dem Digitalpakt drehte sich alles um Hardware, Netzwerktechnik, WLAN etc. aber nie um Inhalte, Medienkompetenz, digitale Lernmethoden Lehrerweiterbildung.
    Genau daran ist doch das letzte Schulhalbjahr gescheitert. Das beste Laptop oder Tablett mit ganz tollem Internetanschluss hat nix genützt, da kaum angepasste Lehrinhalte, Konzepte, Software etc. vorhanden ist.

  13. 18.

    Wenn die Politik nur noch Geld für Stay@home-Filme + Lohnfortzahlung 100% anbietet und jeden mit Alternativ-Idee als Corona-Leugner abstempelt, muss man sich nicht wundern.
    Noch können wir uns leisten, Probleme mit Geld zuzuschütten.
    Man darf ja dieses Thema auch gar nicht mehr ansprechen.
    Dann heißt es: Nach dem Krieg hatten wir nichts zu essen. Das war viel schlimmer.
    Dass unsere Renten vom Bildungsstandort für unsere Kinder abhängen, daran denkt scheinbar keiner.
    Klar sind Kinder heute verwöhnt. Aber das könnte man doch über viele Ältere und Lehrer genauso sagen. Wir sind alle verwöhnt.

  14. 17.

    Das mag stimmen, aber die ganzen Wochen waren auch viele Eltern zu faul die vorbereiteten Materialien, in der Schule abzuholen. Die Fächer der anderen Kinder waren zum Schluss übervoll! Also nicht nur aufgeschnapptes weitergeben, auch selber beobachten! Es ist Modern geworden Verantwortung auf andere abzuwälzen, besonders die eigene! Ich bin für das Einführen eines "Kinderführerscheins", zu viele Eltern sind nicht in der Lage ihre Kinder zu erziehen und Leistung zu fordern, diese Unfähigkeit tragen sie dann nach außen, mit pauschalen sinnlos Bla Bla über Lehrer! Gerade Corona hat diese "Rudi-Sorglos" Mentalität ans Licht gebracht!

  15. 16.

    Was nutzt die Hardware, wenn nur ein Bruchteil der Lehrer in der Lage oder Willens ist über diese Unterricht zu gestalten?

    In den ganzen Wochen wo die Schule geschlossen war, gab es nach Angaben von Freunden mit Schulkindern, lediglich eine einzige Onlinestunde von einem Lehrer oder gar keinen Onlineunterricht, obwohl PC, Tablets, Smartphone und Drucker vorhanden waren.

  16. 15.

    Wo für braucht man "Office Pakete" an Schulen? Was möchten Sie mit "Entlüftungsanlagen" erreichen? Wie kommen Sie zu dem Vorurteil, dass Lehrer nicht arbeiten? Machen Sie wirklich mehr, so das Sie sich so einen Kommentar erlauben können? Lehrer sind unserer Politiker-Kaste schutzlos ausgeliefert, während diese mit großmäuligen Versprechen und Ankündigungen wie Inklusion, Digitalisierung, Schulsanierung, Corona-Concepte und ähnlichem Bla Bla auf Dummenfang gehen, stehen die Lehrer alleine mit den Problemen da und müssen sich noch solch überhebliches Gerede von Ihnen und Eltern, die sich null um ihre Kinder kümmern, anhören!

  17. 14.

    Es ist weder die Aufgabe der Schulleitung noch die der Lehrer, die Voraussetzungen für digitalen Unterricht zu schaffen. Um Klassenzimmer und Gebäude einer Schule zu vernetzen und mit entsprechender IT auszustatten, braucht es Fachwissen. Lehrer müssen nur lernen, diese anzuwenden. Es gibt nicht genug Firmen und Fachkräfte auf dem Markt, um von jetzt auf gleich die 900 Schulen Berlins zu verkabeln und auszustatten. Den Schulen fehlt es auch an Technikern und Administratoren, auf so manche Stellenausschreibung gab es nur wenige Bewerber. Was jahrelang vernachlässigt wurde, ist kaum innerhalb weniger Monate zu schaffen.

  18. 13.

    Lehrer sind einfach keine Direktoren und schon recht keine Chief Digital Officers. Dafür sind sie nicht ansatzweise qualifiziert. Dies merkt man in diesem Kontext mehr als deutlich.

    Die Verwaltungen selbst scheinen die Grand Canyon große Lücke entweder nicht wahrzunehmen oder selbst aus eigener Kompetenz nicht füllen zu können. Wahrscheinlich A und B.

    Ausbaden tut es unser aller Zukunft.

  19. 12.

    "Digitaler Urschleim" hat sich in 10 Jahren erledigt. - Dann werden die letzten lesenkönnenden die Schule verlassen haben.

  20. 11.

    Die beiden Unterrichtsformen wären auch eine Investion in die Zukunft nach Corona. Warum die Basuka hier nicht trifft läßt sich nur spekulieren. Wichtiger scheinen Spass und Spiele.

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