Interview | DRK-Einsatzleiter zu A100 - "Eine dreispurige Autobahn lässt sich nicht so schnell evakuieren"

Mi 19.08.20 | 21:01 Uhr
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Ein Kriminaltechniker bespricht sich vor seinem Einsatz auf der Berliner Stadtautobahn A100 (Quelle: dpa/Paul Zinken).
Audio: rbb 88.8 | 19.08.2020 | Interview mit Hardy Häusler | Bild: dpa/Paul Zinken

Am Dienstag kollidierte ein mutmaßlich islamistisch-motivierter Täter auf der Berliner Stadtautobahn mit mehreren Verkehrsteilnehmern. Hunderte Autofahrer waren von Sperrungen betroffen und mussten den Gefahrenbereich mithilfe des DRK zu Fuß verlassen.

Am Dienstagabend wurde die Berliner Stadtautobahn A100 vom Dreieck Neukölln bis Tempelhofer Damm in beiden Richtungen voll gesperrt. Etwa 300 Menschen mussten ihre Fahrzeuge stehen lassen und die Autobahn zu Fuß verlassen. Ursache dafür war ein mutmaßlich islamistischer Anschlag, bei dem ein Autofahrer absichtlich mit mehreren Verkehrsteilnehmenden kollidierte und sechs Menschen teils schwer verletzte. Neben Spezialisten des Landeskriminalamtes und der Feuerwehr waren auch Freiwillige des Deutschen Roten Kreuzes vor Ort, angeleitet von DRK-Kreisgeschäftsführer für Schöneberg-Wilmersdorf, Hardy Häusler.

rbb: Wie viele Ersthelfer waren am Dienstag im Einsatz und was haben sie konkret gemacht?

Hardy Häusler: Von uns kamen rund 40 Einsatzkräfte, die zunächst die Lage erkundet haben. Das heißt, man spricht mit dem Einsatzleiter der Feuerwehr, wie er die Situation erlebt, was er jetzt mit dem zeitlichen Vorsprung, den er hat, für Entscheidungen getroffen hat und wie er es gerne haben möchte. Im diesem konkreten Fall haben wir eine Betreuungsstelle am Innsbrucker Platz eingerichtet. Dort haben wir jene, die ihre Fahrzeuge im Gefahrenbereich stehen lassen mussten und zu Fuß kamen, aufgenommen.

Blieben die Autos auf der Autobahn stehen?

Die blieben zunächst einmal stehen. Die Situation stellte sich so dar, dass eine vermeintliche Gefahr von diesem einen Fahrzeug mit der Kiste auf dem Dach ausging. Insofern ist die oberste Priorität, die Gefahr von den Menschen vor Ort abzuwenden und die Personen schnellstmöglich aus dem Gefahrenbereich herauszuführen. Da eine dreispurige Autobahn, die sich gerade im Stau befindet, nicht so schnell evakuieren lässt, indem man die Fahrzeuge rückwärts fährt oder wendet, hat sich die Polizei entschieden, die Menschen aussteigen und zu Fuß den Gefahrenbereich verlassen zu lassen.

Wann konnten die Leute zurück zu ihren Autos?

Das muss gegen 23 Uhr gewesen sein. Eine große Herausforderung bei diesen Einsätzen, wo viele miteinander arbeiten, ist immer die Kommunikation. Wir haben von unserer Betreuungsstelle am Innsbrucker Platz aus geguckt, wo die Menschen tatsächlich gelandet sind. Zunächst waren sie nicht dort, wo wir die Unterkunft eingerichtet hatten, sondern haben unter einer Autobahnbrücke mit Polizisten gewartet. Unser Job war dann zu gucken, wie man die Dinge, die diese Menschen benötigten, dorthin bringt.

Wie lange waren ihre Leute am Einsatz?

Die letzten Kräfte haben gegen 1:00 Uhr morgens die Einsatzstelle verlassen, haben alles wieder abgerüstet und waren hoffentlich trotzdem einigermaßen munter am frühen Morgen bei ihren normalen beruflichen Tätigkeiten.

Sie haben den Einsatz auf der A100 am Dienstagabend koordiniert. Was können wir uns darunter vorstellen?

Koordiniert bedeutet, dass wir zunächst einmal alarmiert werden müssen. Das ist in diesem Fall durch den Einsatzleiter der Berliner Feuerwehr erfolgt, der vor Ort war. Meine Aufgabe war es dann, die Einsatzkräfte, die angefordert worden sind, zunächst einmal zu alarmieren und dann dafür zu sorgen, dass sie möglichst schnell an die richtigen Einsatzorten gelangen.

Das klingt leichter, als es wahrscheinlich in der Realität ist.

Wir arbeiten mit Ehrenamtlichen bei diesem Schnelleinsatzgruppen-Betreuungsdienst, wie wir ihn nennen. Wir müssen also zunächst schauen, wie wir die Menschen erreichen. Wir haben zwar Alarmierungssysteme und setzen alles in Gang, damit die Helfer schnellstmöglich zum Einsatzort kommen. Aber sie kommen von zu Hause oder von der Arbeit, fahren dann erst in ihre Unterkünfte und ziehen sich die Einsatzbekleidung an, bevor sie in die Fahrzeuge steigen und dorthin fahren, wo sie gebraucht werden.

Mit Hardy Häusler sprach Uwe Hessenmüller für rbb 88.8. Dieses Interview ist eine gekürzte und redigierte Variante des Gesprächs. Das Originalinterview können Sie mit Klick auf das Audiosymbol nachhören.

Sendung: rbb 88.8, 19.08.2020, 17:15 Uhr

8 Kommentare

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  1. 8.

    Die erwähnten Evakuierungspläne sind wo vorhanden? Ich bilde die Einsatzkräfte aus und würde die Info und Inhalte gern weitergeben.

  2. 7.

    Cool wie hier einige wieder alles besser wissen....vom Pc aus ganz einfach. Oder waren Sie vor Ort und haben weise Ratschläge gegeben.
    Und auch Herr Rother, Sie scheinen auch mehr Ahnung zu haben als die Einsatzkräfte vor Ort.

  3. 6.

    Die Realität war lange nicht so positiv wie hier beschrieben. Die Polizei hatte die Verkehrslage in Charlottenburg und Tempelhof über Stunden nicht im Griff. Verkehrslenkung und Staumanagement leider gegen Null.

  4. 5.

    Ich schließe mich sehr gerne Ihren beiden Kommentaren an.DANKE

  5. 4.

    So eine Scheindiskussion, natürlich bleiben Autos stehen, wie auf jeder anderen Autobahn auch. Im Osten haben sie wenigstens Sie Mittelleitplanke aufgemacht, und in den Gegenverkehr und wieder rüber geleitet, aber das war ein mal, die Einsatzkräfte sind heute extrem unflexibel und ideenlos.

  6. 3.

    "Eine dreispurige Autobahn lässt sich nicht so schnell evakuieren"

    Das ist UNSINN! Dafür gibt es Pläne bei der Feuerwehr und co!

  7. 2.

    Auch mal ein dickes Lob an den rbb, der hier schnell und vielseitig informiert!

  8. 1.

    Danke an alle Polizistinnen und Rettungskräfte, die täglich für unsere Sicherheit da sind!
    Ganz viele Leute stehen hinter Euch!
    Vergesst das nicht!
    Gruß. Ulrike

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