"Kopfsteinpflaster ist der Feind des Radfahrers" - Mit der CDU auf Radtour durch Berlin
Berlin gilt nicht gerade als fahrradfreundliche Stadt, zuletzt wurden die Pop-Up-Radwege erst einmal vom Gericht kassiert. Die CDU will sich das Thema nun auf die Agenda schreiben. Thorsten Gabriel ist deshalb mit Generalsekretär Stefan Evers und dem ADFC losgeradelt.
Für viele ist die CDU noch immer die Autofahrerpartei schlechthin. Wann immer der Autoverkehr in den vergangenen Jahren irgendwo etwa dem Fahrrad Platz machen sollte, gab es Proteste von Konservativen. Vor kurzem allerdings gab die Berliner CDU die Losung aus, sie wolle neue Wege in der Verkehrspolitik einschlagen, weg vom alten Image. Aber meint es die Partei auch ernst damit? Am Dienstag gab es Gelegenheit, das herauszufinden.
CDU-Generalsekretär Stefan Evers erschien am Südstern auf einem Leihfahrrad und hat sogleich eine erste Lektion gelernt: "Kopfsteinpflaster ist der Feind des Radfahrers. Das war jetzt wirklich die Hölle, hier einmal durch die Kieze zu fahren, um an den Treffpunkt zu kommen", so Evers.
Verabredet ist er hier nicht nur mit dem Landesvorsitzenden der Jungen Union, Christopher Lawniczak und einigen Mitstreiterinnen und Mitstreitern, sondern vor allem mit einem prominenten Rad-Lobbyisten. Burkhard Stork ist Bundesgeschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) und findet die neue Fahrradlust der CDU natürlich gut.
"Ich gehe ganz fest davon aus, dass Radfahren und sicher Radfahren und angenehm Radfahren ein total bürgerliches Thema ist", sagt Stork. Deswegen wundere er sich über jede Partei, die das liegen lässt. "Ich bin froh, dass die CDU hier in Berlin das mehr und mehr erkennt."
Pop-Up-Radwege: "Wille vom Senat war da"
Vom Südstern geht es gemeinsam gen Norden über das Kottbusser Tor in Richtung Görlitzer Park. Die Strecke führt über neue grüne Radstreifen, alte Buckelpisten aus den 70er Jahren und natürlich auch über Corona-Pop-Up-Wege, die gerade erst vom Verwaltungsgericht kassiert wurden.
Über die Pop-Up-Streifen sagt der Landeschef der Jungen Union, Christopher Lawniczak: "Es zeigt mir auf jeden Fall, dass der Wille vom Senat da war, was zu verbessern. Nur wie man es gemacht hat, ist natürlich extrem schlecht gelaufen." Man werde vielleicht im Laufe des Tages sehen, was positiv an diesen Pop-Up-Radwegen sei, auch an den Protected-Bike-Lanes. "Es gibt aber auch ganz offensichtlich Probleme."
New York liefert das Anschauungsbeispiel
Probleme, die ADFC-Bundesgeschäftsführer Stork bei kleinen Proseminaren am Wegesrand zu erklären weiß. Noch bis weit in die 2000er hinein sei es die allgemeine Überzeugung gewesen, dass der Radverkehr ohne eigene Infrastruktur auf der Straße aufgehoben sei. Radelnde gehörten einfach auf die Straße zu den Autos, so Stork. Das Umdenken habe zuerst in New York begonnen, unter dem konservativen Bürgermeister Michael Bloomberg.
Doch die "Protected Bike Lanes", die geschützten Radstreifen im Stil von New York, seien im deutschen Straßenrecht bis heute nicht vorgesehen. Stork erklärt: "Wir haben jetzt in allen Städten die Situation, dass Stadtverwaltungen rumprobieren müssen mit irgendeiner Form von Radverkehrsinfrastruktur, die unerprobt ist, wo kein Ingenieur runterschreiben kann: 'Ist seit 20 Jahren Gold-Standard'. Es ist völlig wurscht, wer an der Regierung ist, was wir brauchen, ist so eine Ausprobierkultur." Und obwohl er wisse, dass das schwierig in der Politik sei, ruft Stork zur Geduld miteinander auf, um "zu gucken, was geht und was geht nicht."
London setzt auf Altbewährtes
Mit dieser Geduld tat sich die CDU bislang jedenfalls schwer. Ein paar Kilometer weiter, in der Falckensteinstraße im Wrangelkiez, erläutert Stork eine dort anzutreffende Verkehrsberuhigungsmaßnahme: eine Straßenkreuzung, die quer durch die Mitte abgepollert ist, um den Durchgangsverkehr rauszuhalten. Das ist eine alte Idee, die ebenfalls anderswo neu entdeckt wurde.
Stork erzählt: "Die Wiederentdeckung des 'modalen Filters' ist in London passiert, unter Boris Johnson, auch ein Konservativer." Seiner Meinung nach seien es, die konservativen Bürgermeister, "die was reißen."
Im Wrangelkiez bekommen Politiker und Radlobbyisten auch gleich spontan und ungefragt von Anwohnern die Meinung gesagt. Vorsichtig zusammengefasst: Verkehrsberuhigungsmaßnahmen stoßen in der Nachbarschaft nicht nur auf Zustimmung.
Der Mann mit der schönsten Klingel
Weiter geht die Tour über die Oberbaumbrücke in Richtung Mitte. An der Holzmarktstraße endet die kleine Fortbildungstour, bei der die CDU-Vertretenden vor allem zugehört und Fragen gestellt haben. Schnelle, parteipolitisch paraphrasierte Antworten hört man an diesem Nachmittag nicht.
Nur ganz am Schluss zeigt sich Generalsekretär Stefan Evers dann doch augenzwinkernd wahlkämpferisch: "Dass es am Ende nicht gehen wird, ohne dass wir den Straßenraum neu aufteilen, ist eine Binse. Aber wenn ich heute höre, dass es konservative Bürgermeister waren, die in New York und London die Trendwende eingeleitet haben, dann wird das in Berlin auch so sein", sagt Evers und fügt an, dass seine Fahrradklingel in jedem Falle die schönste in der Runde sei.