"Kopfsteinpflaster ist der Feind des Radfahrers" - Mit der CDU auf Radtour durch Berlin

Mi 09.09.20 | 16:24 Uhr | Von Thorsten Gabriel
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Fahrradtour mit CDU und ADFC (Quelle: rbb/Thorsten Gabriel)
Audio: rbb | 09.09.2020 | Thorsten Gabriel | Bild: rbb/Thorsten Gabriel

Berlin gilt nicht gerade als fahrradfreundliche Stadt, zuletzt wurden die Pop-Up-Radwege erst einmal vom Gericht kassiert. Die CDU will sich das Thema nun auf die Agenda schreiben. Thorsten Gabriel ist deshalb mit Generalsekretär Stefan Evers und dem ADFC losgeradelt.

Für viele ist die CDU noch immer die Autofahrerpartei schlechthin. Wann immer der Autoverkehr in den vergangenen Jahren irgendwo etwa dem Fahrrad Platz machen sollte, gab es Proteste von Konservativen. Vor kurzem allerdings gab die Berliner CDU die Losung aus, sie wolle neue Wege in der Verkehrspolitik einschlagen, weg vom alten Image. Aber meint es die Partei auch ernst damit? Am Dienstag gab es Gelegenheit, das herauszufinden.

CDU-Generalsekretär Stefan Evers erschien am Südstern auf einem Leihfahrrad und hat sogleich eine erste Lektion gelernt: "Kopfsteinpflaster ist der Feind des Radfahrers. Das war jetzt wirklich die Hölle, hier einmal durch die Kieze zu fahren, um an den Treffpunkt zu kommen", so Evers.

Verabredet ist er hier nicht nur mit dem Landesvorsitzenden der Jungen Union, Christopher Lawniczak und einigen Mitstreiterinnen und Mitstreitern, sondern vor allem mit einem prominenten Rad-Lobbyisten. Burkhard Stork ist Bundesgeschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) und findet die neue Fahrradlust der CDU natürlich gut.

"Ich gehe ganz fest davon aus, dass Radfahren und sicher Radfahren und angenehm Radfahren ein total bürgerliches Thema ist", sagt Stork. Deswegen wundere er sich über jede Partei, die das liegen lässt. "Ich bin froh, dass die CDU hier in Berlin das mehr und mehr erkennt."

Pop-Up-Radwege: "Wille vom Senat war da"

Vom Südstern geht es gemeinsam gen Norden über das Kottbusser Tor in Richtung Görlitzer Park. Die Strecke führt über neue grüne Radstreifen, alte Buckelpisten aus den 70er Jahren und natürlich auch über Corona-Pop-Up-Wege, die gerade erst vom Verwaltungsgericht kassiert wurden.

Über die Pop-Up-Streifen sagt der Landeschef der Jungen Union, Christopher Lawniczak: "Es zeigt mir auf jeden Fall, dass der Wille vom Senat da war, was zu verbessern. Nur wie man es gemacht hat, ist natürlich extrem schlecht gelaufen." Man werde vielleicht im Laufe des Tages sehen, was positiv an diesen Pop-Up-Radwegen sei, auch an den Protected-Bike-Lanes. "Es gibt aber auch ganz offensichtlich Probleme."

New York liefert das Anschauungsbeispiel

Probleme, die ADFC-Bundesgeschäftsführer Stork bei kleinen Proseminaren am Wegesrand zu erklären weiß. Noch bis weit in die 2000er hinein sei es die allgemeine Überzeugung gewesen, dass der Radverkehr ohne eigene Infrastruktur auf der Straße aufgehoben sei. Radelnde gehörten einfach auf die Straße zu den Autos, so Stork. Das Umdenken habe zuerst in New York begonnen, unter dem konservativen Bürgermeister Michael Bloomberg.

Doch die "Protected Bike Lanes", die geschützten Radstreifen im Stil von New York, seien im deutschen Straßenrecht bis heute nicht vorgesehen. Stork erklärt: "Wir haben jetzt in allen Städten die Situation, dass Stadtverwaltungen rumprobieren müssen mit irgendeiner Form von Radverkehrsinfrastruktur, die unerprobt ist, wo kein Ingenieur runterschreiben kann: 'Ist seit 20 Jahren Gold-Standard'. Es ist völlig wurscht, wer an der Regierung ist, was wir brauchen, ist so eine Ausprobierkultur." Und obwohl er wisse, dass das schwierig in der Politik sei, ruft Stork zur Geduld miteinander auf, um "zu gucken, was geht und was geht nicht."

London setzt auf Altbewährtes

Mit dieser Geduld tat sich die CDU bislang jedenfalls schwer. Ein paar Kilometer weiter, in der Falckensteinstraße im Wrangelkiez, erläutert Stork eine dort anzutreffende Verkehrsberuhigungsmaßnahme: eine Straßenkreuzung, die quer durch die Mitte abgepollert ist, um den Durchgangsverkehr rauszuhalten. Das ist eine alte Idee, die ebenfalls anderswo neu entdeckt wurde.

Stork erzählt: "Die Wiederentdeckung des 'modalen Filters' ist in London passiert, unter Boris Johnson, auch ein Konservativer." Seiner Meinung nach seien es, die konservativen Bürgermeister, "die was reißen."

Im Wrangelkiez bekommen Politiker und Radlobbyisten auch gleich spontan und ungefragt von Anwohnern die Meinung gesagt. Vorsichtig zusammengefasst: Verkehrsberuhigungsmaßnahmen stoßen in der Nachbarschaft nicht nur auf Zustimmung.

Der Mann mit der schönsten Klingel

Weiter geht die Tour über die Oberbaumbrücke in Richtung Mitte. An der Holzmarktstraße endet die kleine Fortbildungstour, bei der die CDU-Vertretenden vor allem zugehört und Fragen gestellt haben. Schnelle, parteipolitisch paraphrasierte Antworten hört man an diesem Nachmittag nicht.

Nur ganz am Schluss zeigt sich Generalsekretär Stefan Evers dann doch augenzwinkernd wahlkämpferisch: "Dass es am Ende nicht gehen wird, ohne dass wir den Straßenraum neu aufteilen, ist eine Binse. Aber wenn ich heute höre, dass es konservative Bürgermeister waren, die in New York und London die Trendwende eingeleitet haben, dann wird das in Berlin auch so sein", sagt Evers und fügt an, dass seine Fahrradklingel in jedem Falle die schönste in der Runde sei.

Beitrag von Thorsten Gabriel

19 Kommentare

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  1. 19.

    Na dann fordern Sie mal sichere Radwege. Wenn man sich auf dem Radweg sicher fühlt fährt man auch nicht auf dem Bürgersteig.

  2. 18.

    So sehr dies in etlichen Fällen zutreffen mag, so vermisse ich doch eine Zeile zum Zugestelltsein der Fußwege seitens der Kfz., die in den meisten Straßen innerhalb der Wohngebiete glatt die Hälfte des Gehweges wegnehmen - entweder kraft höherer Ordnung per Schild erlaubt oder improvisiert und kostengünstig per gezogenem weißen Streifen erlaubt oder einfach kraft Masse in Form des simplen Hinstellens.

    Wer berechtigte Kritik am Radfahrverhalten so manchen Mitbürger übt, erhöht seine Glaubwürdigkeit in dieser Angelegenheit dadurch, dass er auch dieses Thema nicht auslässt.

    Wer zu Fuß Gehender ist, spürt ja schließlich Beides und darum benennt er auch Beides.

  3. 17.

    Alleine schon die Anfahrt von Spandau zur Spree an der Müllverbrennung Ruhleben vorbei durch ein Industriegebiet ist eine Schande! Der Uferweg wird nicht gepflegt obwohl er die kürzeste (nicht schnellste)und stressfreieste Verbindung in die Innenstadt ist. Bitte in der Kolonie Spreewiesen absteigen oder langsam fahren, die Anwohner sind dort sehr nett und tolerieren es, wenn man langsam fährt. Außerdem übersieht man sonst den Garten, wo eigener Honig verkauft wird!

    Im Schlosspark ist nur der Uferweg freigegeben, sonst ist Schieben angesagt, was ich persönlich nicht schlimm finde. Bummeln lohnt! Schöne Sichtachsen, das Belvedere, das Mausoleum lohnen!

    Danach teilt man sich den schönen Uferweg meist mit Fußgängern, die Kreuzung 17. Juni/Einsteinufer ist eine weitere Katastrophe aber der Tiergarten lohnt!

    Welch Potential steckt in solchen Wegen (Mauerradweg, Berlin - Kopenhagen) und die wirtschaftnahe cDU steckt noch in den 1950ern. Gastronomie, Fahrradinfrastruktur...

  4. 16.

    Die verantwortlichen Politiker sehen nicht einmal ansatzweise das Potential von Radtouristen. Die kommen idR mit der Bahn, also umweltfreundlich und lassen richtig Geld in Berlin und bewegen sich auch IN der Stadt umweltfreundlich.

    Nehmen wir ein Beispiel, die Katastrophe von Radweg von Spandau nach Mitte an der Spree/Landwehrkanal, den ich Ihnen trotzdem empfehlen möchte.

    Zitadelle, dann aus der Altstadt (also die echte am Kolk) Spandau kommend, durch die Fußgängerzone bummeln, dann links Charlottenbrücke, Freiheit, Wiesendamm. In der Kurve völlig versteckt zur Spree. Unter der Brücke Rohrdamm ist eine blöde Engstelle, weiter bis zum Schloßpark. Belvedere, Mausoleum (schieben, da ist Radfahren verboten)im Park verweilen. Unbedingt das leckere Bier am Luisenplatz ggü. probieren! Wieder runter zur Spree. Landwehrkanal weiter bis zum Berliner Tor am 17. Juni. Da entweder auf kürzesten Weg zum Brandenburger Tor oder Tiergarten, schwangere Auster und Reichstag.

  5. 15.

    Als Tourist in Berlin Fahrradfahren ? -
    Gehen sie bitte zu Fuß ! -
    Gerade unsere Kinder, Gehbehinderten und Alten würden sich freuen, wenn die von Radfahrern so gern benutzten Fußgängerwege oder auch Bürgersteige endlich wieder begehbar gemacht würden !

  6. 14.

    Als Tourist mit Fahrrad wollte ich die Sehenswürdigkeiten in Berlin erkunden davon kann ich abraten so etwas habe ich noch nicht erlebt , die verantwortlichen Politiker sollen Kopenhagen oder Amsterdam besichtigen dann sehen sie ihren Nachholbedarf

  7. 13.

    Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube...

  8. 12.

    Einige "Popup Radwege" sind unsinnig und als pure Schikane angewandt worden! Bestes Beispiel ist das Adlergestell! Rechts und Links Radwege, auf der linken Seite quasi keine Fußgänger........aber eine Fahrspur als Radweg und natürlich gleich noch eine beidseitige Geschwindigkeitsbegrenzung für die Autos! Fahrräder pro Stunde ca. 0,0002.

  9. 11.

    Ohh ja, da gebe ich Ihnen Recht! Reinickendorf ist womöglich der Bezirk mit der schlechtesten Fahrradinfrastruktur in ganz Berlin. Aber das wird dann immer gern von den konservativen Herrschaften verteidigt. Man wolle ja nicht die zahlreich ansässigen Rentner ausgrenzen, indem man Ihnen die Nutzung des Privatautos durch neue Radspuren "verwehrt" (vgl. Baustadträtin Katrin Schultze-Berndt von der CDU im Jahr 2020). Da fragt man sich, wie viel Eierlikör eigentlich die hiesigen Parteikollegen tagtäglich trinken um auf solch eine Argumentation zu kommen. Deshalb konnten sie wahrscheinlich auch nicht an der heutigen Radtour ihrer Wegbegleiter teilnehmen...

  10. 10.

    Heisst das, der Mann und seine Mitstreiter haben gar kein eigenes Fahrrad und fuhren zum ersten Mal auf einem rad durch Berlin? Wie aufregend! Das erklärt auch deren Verkehrspolitik. "Radeln" und "schöne Klingel" hört sich ebenfalls so an, dass diese Leute niemals ein Gefühl dafür bekommen werden, dass viele Menschen in B. auf ihr Rad täglich angewiesen sind, damit zur Arbeit pendeln, Kinder wegbringen und abholen, alle Erledigungen damit machen, Einkäufe und andere Transporte - viel auf Grund des Alters oder Einschränkungen besser damit vorankommen als zu Fuss u.s.w.
    Als der Artikel auf rbb erschien versammelten sich gerade ca. 200 Menschen Nähe CDU-Zentrale, um für den Erhalt der pop-up-Wege zu demonstrieren, da hätten die CDU-ler gleich nochmal "radeln" können und klingeln...

  11. 9.

    Ich sage nur:"Der Wahlkampf für Okt.2021 hat längst angefangen. "
    Wir werden ab jetzt viele Absichtserklärungen zu hören bekommen aber keine oder kaum Taten sehen.

  12. 8.

    Wie verlogen kann eine Partei sein ?
    CDU nein Danke.

  13. 7.

    Die CDU sollte sich lieber dafür stark machen, dass endlich eine Radfahrsteuer und Nummernschilder für Radfahrer eingeführt werden. Nur so kann das Radfahrer-Rowdytum bekämpft werden.

  14. 6.

    Wo es nicht darum geht, dem Autoverkehr etwas abzuknapsen, ist die CDU gerne dabei. Siehe auch der geplante und letztlich gescheiterte, auf der Stammbahntrasse verlaufende Radschnellweg von Zehlendorf in das Berliner Zentrum.

    Öffentlicher Verkehr im öff. Straßenraum ist Kollektivismus, Radfahren individuelle Freiheit. Das ist durchaus kompatibel mit CDU- und FDP-Positionen.

  15. 5.

    Fahrradpolitik der CDU kann man leicht zusammenfassen: Sehr gerne sicheres Radfahren in Berlin, aber bloß den Autos keine Flächen wegnehmen. Wie da haben wir keinen Platz für sichere Radinfrastruktur? Kann man nichts machen. Schade aber auch!

  16. 4.

    Die Titel-Kopfleiste, dass Kopfsteinpflaster der Feind von Radfahrenden sei, empfinde ich als ziemlich verkürzt. Es kommt sehr auf das Kopfsteinpflaster an, ob es sauber verlegt ist oder ob ein ungeordneter Steinhaufen die Fahrbahnen zieren.

    Das Verhältnis zwischen Asphalt und Kopfsteinpflaster will ich in die Analoge zwischen Linoleum und einem roten Teppich bringen. Dies schreibe ich als Mensch, der unter anderem auch noch Radfahrer ist. Neben vielem anderen, am Wenigsten davon als Fahrer eines Autos.

    Aufzupassen wäre, dass sich die unselige Parole "Freie Fahrt für freie Bürger", die zweitdümmste des 20. Jhs. nach "Volk ohne Raum", nicht in einer B-Version Bahn bricht. Das mit Autofahrenden zu Lasten der Städte haben will jahrzehntelang durchmachen müssen. Da wird wenigstens doch der radfahrende Individualverkehr die Schönheit der Städte achten ...

    ...oder etwa nur simpel nach Asphalt und nach maximalem Vorankommen streben?

  17. 3.

    Das ist Wahlkampf der billigsten Sorte! Die CDU blockiert zusammen mit der AfD das Thema Verkehrswende auf allen Ebenen. Wer wissen will wie die wirklich ticken sollte sich die Radwege-Blockier-Politik in Reinickendorf anschauen!

  18. 2.

    Im Wrangelkiez wurde als flankierende Maßnahme die Aufpflasterung entfernt damit die Autofahrer jetzt wieder ungehindert mit Tempo 70km/h durch die Verkehrsberuhigung fahren können um die durch die Diagonalsperren verlorene Zeit wieder aufzuholen.

  19. 1.

    "Evers erschien am Südstern auf einem Leihfahrrad und hat sogleich eine erste Lektion gelernt: "Kopfsteinpflaster ist der Feind des Radfahrers. [...] und fügt an, dass seine Fahrradklingel in jedem Falle die schönste in der Runde sei."

    Man merkt doch gleich das hohe Niveau der cDU Vertreter aber es geht auch anders: ""Dass es am Ende nicht gehen wird, ohne dass wir den Straßenraum neu aufteilen, ist eine Binse." Hört, hört!

    Lawniczak: "Es zeigt mir auf jeden Fall, dass der Wille vom Senat da war, was zu verbessern. Nur wie man es gemacht hat, ist natürlich extrem schlecht gelaufen." Man werde vielleicht im Laufe des Tages sehen, was positiv an diesen Pop-Up-Radwegen sei, auch an den Protected-Bike-Lanes. "Es gibt aber auch ganz offensichtlich Probleme."

    Ja, in Form der cDU und der FDP, die weiter ihre 1950er Verkehrspolitik durchsetzen wollen.

    In Reinickendorf könnte die cDU beweisen das sie es ernst meint.

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