Geflüchtete in Potsdam - Mehr Wohnraum, aber Gemeinschaftsunterkünfte bleiben

Fr 11.09.20 | 19:09 Uhr | Von Laura Kingston
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Sicherheitskräfte (hinten) gehen auf dem Gelände eines Flüchtlingsheim (Quelle: dpa-Symbolbild/Ina Fassbender)
Bild: dpa-Symbolbild/Ina Fassbender

Im Juni hat die Stadt Potsdam den Beschluss gefasst, Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete abzuschaffen. Jetzt gibt es das erste Konzept zur Umsetzung. Kritiker des Konzepts warnen vor einer "Mogelpackung". Von Laura Kingston

Potsdam war in den letzten Monaten Gesprächsthema - und zwar in einem besonderen Kreis von Menschen: Hilfsorganisationen und Flüchtlingsräten. Denn in Potsdam wurde im Juni beschlossen, was - vor allen Dingen in Großstädten - für unmöglich gehalten wurde: Gemeinschaftsunterkünfte für geflüchtete Menschen sollten abgeschafft werden. "Wie kann das gehen?" wurde Katharina Müller vom Flüchtlingsrat Brandenburg immer wieder gefragt. Eine Antwort darauf hat die Stadt Potsdam jetzt gegeben.

Gemeinschaftsunterkünfte sollen umgebaut werden

Der "Maßnahme- und Zeitplan zur Umsetzung des Beschlusses zur Auflösung der Gemeinschaftsunterkünfte", wie er offiziell heißt, wurde am 26. August in der Stadtverordnetenversammlung vorgestellt, jetzt liegt das Dokument rbb|24 vor. Und die Frage: "Wie kann das gehen?" wird schon auf der vierten Seite des Dokuments beantwortet: Elf Prozent der Wohnplätze für Geflüchtete sollen demnach in Zukunft durch Neubau entstehen, 24 Prozent durch Neuanmietung von Wohnungen. Zwei Drittel der Wohnplätze sollen durch einen Umbau der bestehenden Gemeinschaftsunterkünfte entstehen.

Das bedeutet konkret für die Geflüchteten, dass sie sich in Zukunft ihr Zimmer nicht mehr mit anderen Personen teilen müssen; es sei denn, sie gehören einer Familie an. Zusätzlich soll nach dem Maßnahmenplan überprüft werden, ob sogenannte "Sanitär- und Küchencontainer" außerhalb der Gebäude aufgestellt werden können. So müssten sich weniger Leute Gemeinschaftsräume teilen.

Im flüchtlingspolitischen Jargon wird das, was hier in den bestehenden Gemeinschaftsunterkünften entsteht, als "wohnungsähnliche Unterbringung" bezeichnet. Und die soll in den folgenden Einrichtungen in Potsdam umgesetzt werden:

  • Groß-Glienicke
  • Marquardt
  • Pirschheide
  • David-Gilly-Straße
  • Zeppelinstraße

Seebrücke Potsdam: "Mit ein paar Rigipsplatten ist es nicht getan."

"Auf gut deutsch heißt das, dass ein paar Rigipsplatten eingezogen werden", sagt Simon Wohlfahrt vom Verein "Seebrücke Potsdam". Damit sei es nicht getan und mit einer Auflösung von Gemeinschaftsunterkünften habe der Plan wenig zu tun. Er begrüße es, dass es in Zukunft in Potsdam keine Mehrbettzimmer mehr geben werde - das sei eine deutliche Verbesserung auch im Vergleich zu anderen Kommunen, die diese nach wie vor hätten. Dennoch ist Wohlfahrt nicht zufrieden mit dem Plan aus Potsdam: "Es geht hier nicht nur um die Privatsphäre der Menschen, sondern auch um die Integration ins Stadtleben." Im Gespräch mit rbb|24 gab er zu bedenken, dass manche der Gemeinschaftsunterkünfte sehr weit außerhalb seien.

Auch Katharina Müller, Mitarbeiterin des Flüchtlingsrats Brandenburg, schaut kritisch auf den Plan zur "Umsetzung des Beschlusses zur Auflösung der Gemeinschaftsunterkünfte". Es müsse jetzt geschaut werden, dass "das, was auf der Verpackung drauf steht, auch drin ist" - also das Sammelunterkünfte tatsächlich der Vergangenheit angehörten, damit der Plan "keine Mogelpackung" sei.

Die Stadt Potsdam verteidigt die Standorte, an denen die Unterkünfte umgebaut werden sollen, auf Nachfrage von rbb|24: Die Zeppelinstraße etwa sei "sehr integriert" und die Gemeinschaftsunterkunft Groß Glienicke "im Stadtteil gut integriert", so eine Sprecherin der Stadt.

Katharina Müller, Mitarbeiterin des Flüchtlingsrats Brandenburg, schaut dennoch kritisch auf den Plan zur "Umsetzung des Beschlusses zurAuflösung der Gemeinschaftsunterkünfte". Es müsse jetzt geschaut werden, dass "das, was auf der Verpackung drauf steht, auch drin ist" - also das Sammelunterkünfte tatsächlich der Vergangenheit angehörten, damit der Plan "keine Mogelpackung" sei. Tatsächlich seien die Unterkünfte nach dem Umbau, so die Sprecherin der Stadt Potsdam, "Wohnverbünde".

79 Menschen ziehen in eigene Wohnungen

Einen konkreten Plan für den Einzug in eigene Wohnungen gibt es nur für 79 der rund 400 geflüchteten Menschen in Potsdam. Bis Ende des Jahres sollen laut Maßnahmenplan diejenigen aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen, die einen Aufenthaltstitel haben. Deren Auszug ist unter der Überschrift "Entlastung der GU" (Anmerk. d. Red.: Gemeinschaftsunterkunft) geführt.

Komplett aufgelöst werden nach dem Maßnahmenplan der Stadt drei Gemeinschaftsunterkünfte: Konsumhof, Handelshof und Hegelallee. Die Bewohner*innen dieser Unterkünfte sollen nach Plan durch eine Neuanmietung der Stadt untergebracht werden. Wohlfahrt von der Seebrücke Potsdam befürchtet, dass diese Menschen "einfach auf andere Gemeinschaftsunterkünfte verteilt werden." Denn für die Neuanmietung den Neubau, der im Plan Erwähnung findet, gebe es keinen konkreten Zeitplan. Solche "Absichtsbekundungen" seien aus seiner Sicht kein konkreter Plan.

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Beitrag von Laura Kingston

11 Kommentare

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  1. 11.

    Sorgt bestimmt bei Potsdams Lieblings-Bauunternehmer und Pro Potsdam für klingende Kassen.
    Anstatt Hilfe Vorort zugeben werden in Potsdam Lux-"Lösungen" für eine kleines Grüppchen gewährt.

  2. 10.

    Die Flüchtlingsunterkünfte in Berlin werden von den Hilfsorganisationen regelmäßig als unzureichend kritisiert, wegen der Hygieneregeln in Coronazeiten,können sie auch nicht voll belegt werden. Gleiches gilt für die Obdachlosenunterkünfte,hier fehlen deshalb Kapazitäten für die Unterbringung durch die Winterhilfe.
    Es gibt schon lange einen Kooperationsvertrag zwischen der Sozialverwaltung und den städtischen Wohnungsbaugesellschaften für die Vermittlung von Wohnungen an Flüchtlinge über das LAGeSo,jetzt das LAF. Davon wird in meinem Bezirk/Wohnumfeld reichlich Gebrauch gemacht. Hier wohnen Geflüchtete aus Tschetchenien,Eritrea,Syrien etc. in meist größeren Wohnungen wegen der vielen Kinder. Man sieht den Zuwachs im Stadtbild,vor Schulen,Kitas und auf Spielplätzen. Aufgrund der begrenzten Anzahl von Sozialwohnungen für ALLE in Berlin,entstanden auch viele Modularbauten für Geflüchtete.

  3. 9.

    https://www.anwalt.org/asylrecht-migrationsrecht/wohnungen-fluechtlinge/
    "In Deutschland gelten verschiedene Status bei Flüchtlingen. In den ersten drei Monaten können Flüchtlinge keine Wohnung mieten: In diesem Zeitraum sind sie dazu verpflichtet, in einer Erstaufnahme-Einrichtung zu wohnen. Die Unterbringung und Verpflegung wird somit vom Staat übernommen.
    Diese Zeit in der Erstaufnahme-Einrichtung kann ausgedehnt werden, bis der Asylantrag bearbeitet wurde. Es ist somit nur in Ausnahmefällen möglich, eine Wohnung für Asylbewerber zu bekommen – erst mit der Asylberechtigung kommt das Recht auf eine Wohnung.
    Je nach Bundesland gelten unterschiedliche Regelungen, ab wann Geduldete eine Wohnung anmieten dürfen. In der Regel muss die Duldung mindestens ein Jahr angedauert haben. Eine Wohnsitzauflage bleibt aber weiterhin bestehen."
    In Städten wie Potsdam und Berlin ist die Wohnungssuche bekannter Maßen-für ALLE.

  4. 8.

    Was sind eigentlich "Geflüchtete", ich meine so rein rechtlich betrachtet. Und warum wird in vielen Beiträge, so auch hier, alles in einen Topf geworfen, nämlich Einwanderung und temporäre Hilfe im Sinne des Asylgesetzes und Ausreisepflicht bei abgelehnten Asylbewerbern? Hat jemand "das Recht auf eine eigene Wohnung" wenn er eigentlich ausreisepflichtig ist oder wird?

  5. 7.

    Es gibt ein vielfaches an Engagement für Obdachlose - egal welcher Herkunft ;) Augen aufmachen: ehrenamtliche Tafeln, unterstützende Angebote von allen möglichen Trägern und Privatpersonen, z.B. Tausende beteiligten sich an der "Nacht der Solidarität", die überwiegend ehrenamtlich getragen wurde, Wärmestuben in vielen Einrichtungen.... Trotzdem ist es ein Skandal, dass viele Menschen hier unfreiwillig obdachlos werden und sind.
    Die kaltherzigen Sozial- und Wohnungspolitik treffen Geflüchtete ähnlich wie Obdachlose, die in Berlin 2015/16 im Winter auch monatelang auf der Straße "campierten". Der Umbau der Gemeinschaftsunterkünfte erscheint als ein sinnvoller - jetzt machbarer - pragmatischer erster Schritt hin zur Auflösung derselben. Besonders im Vergleich zu dem von der EU inszenierten "absurden Theater" auf den griechischen Inseln. Das erinnert in vielem leider mehr an Rostock Lichtenhagen (Absehbarkeit, Eskalation und Verschärfung der Abweisung sowie Ausgrenzung von Geflüchteten).

  6. 6.

    Die Lösung ist ganz einfach: Frau Müller und Herr Wohlfahrt kaufen mit ihren privaten Mitteln im Zentrum von Potsdam ein Grundstück. Dann bauen sie einen schönen Wohnblock und stellen diesen kostenlos zur Verfügung. Es wird immer nur gefordert, aber keiner dieser Personen macht sich Gedanken, dass dieses auch alles finanziert werden muss. Egal was gemacht wird, für bestimmte Personengruppen ist es nie genug.

  7. 5.

    » Claudia Roth wirft Seehofer „Totalversagen“ bei Geflüchteten vor «
    Ja, es ist richtig wenn sich Menschen für Menschen in Not engagieren!
    Es gibt keine "gute" oder "schlechte" Menschen.
    Nur wünsche ich mir nur einen Bruchteil dieses Engagements für die Obdachlosen vor unserer Haustür, egal aus welchem Grund sie ohne Obdach sind.

    Leider versagen bei diesem Themen viele "Gutmenschen".

    Wenn ich mich irre - bitte sachliche Gegenargumente.
    mfG R.W.

  8. 4.

    Auch Einheimische haben ein Recht auf Unterbringung, also eine eigene Wohnung.
    Daran hapert es aber erheblich.

  9. 3.

    Wenn Flüchtlinge ins Land dürfen, müssen sie auch menschenwürdig untergebracht werden.
    Vernünftige Gemeinschaftsunterkünfte reichen da erstmal aus. Bezahlbarer Wohnraum ist in vielen Städten Mangelware und sollte sozialschwachen Menschen vorbehalten sein, die hier dauerhaft leben bzw. dauerhaftes Bleiberecht besitzen.
    Nun will Potsdam wieder Flüchtlinge aufnehmen.
    Wie soll das gehen, wenn es jetzt schon Unterkünfte fehlen.
    Das schafft Probleme, Unzufriedenheit und gießt Wasser in die Mühle der Rechten.
    Auch die beste humanitäre Absicht kann dann ins leere laufen.

  10. 1.

    Ist doch eine gute Lösung. Warum wird da wieder gemeckert. Soll man jeden geflüchteten ein Reihenhaus mit Vorgarten hinstellen oder was. Irgendwann ist mal Ruhe. Wir haben in Städten nun mal Wohnraummangel.

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