Digitalisierung in Brandenburger Kommune - "Wir haben weder die Spezialisten noch einen gekühlten Serverraum"

Mo 30.11.20 | 08:20 Uhr | Von Oliver Soos
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Heideblicks Bürgermeister Frank Deutschmann Hauptamtsleiterin Sarah Jakobza mit mobilem Einwohnermeldeamt. (Quelle: rbb/Oliver Soos)
Audio: rbb | 30.11.2020 | Oliver Soos | Bild: rbb/Oliver Soos

Online den Ausweis verlängern oder die Hochzeit anmelden - nach dem Onlinezugangsgesetz soll die Verwaltung in Deutschland bis 2022 komplett digital funktionieren. Viele Kommunen sind aber weit davon entfernt, auch in Brandenburg. Von Oliver Soos

Die 3.500-Einwohner-Gemeinde Heideblick (Dahme-Spreewald) ist beim Thema Digitalisierung durchschnittlich weit entwickelt. So sieht es der parteilose Bürgermeister, Frank Deutschmann. "Der Bürger merkt schon einiges von der Digitalisierung", sagt er. Heideblick hat ein Ratsinformationssystem, in dem die Bewohner online mitverfolgen können, was die Gemeindevertreter beschlossen haben. Im Geoportal sind die Flächennutzungs- und Bebauungspläne des Ortes markiert. Es gibt ein Portal, in dem Bürger Schäden melden können und ein Portal für Diskussionen.

Die Verwaltungsmitarbeiter sind oft mit Tablets unterwegs, zum Beispiel bei Kontrollgängen auf den 14 Spielplätzen oder auf dem Friedhof. Sie erfassen alle Änderungen oder Mängel digital. Doch bei den Bürgerdiensten hapert es. "Da bieten wir das meiste noch analog an, zum Teil mit Zettel und Papier", sagt Deutschmann. "Es gibt zwar verwaltungsintern immer mehr digitale Prozesse, doch von denen merkt der Bürger oft nichts." Bei der Beantragung von Personalausweisen beispielsweise läuft der Austausch zwischen der Gemeinde und der Bundesdruckerei komplett digital. Doch die Bürger müssen zwei Mal zur Gemeindeverwaltung kommen, um den Ausweis zu beantragen und abzuholen.

"Davon sind wir leider noch weit entfernt"

Eine der neusten Errungenschaften ist der "mobile Bürgerservice", ein großer schwarzer Koffer, mit Laptop, Drucker, Fingerabdruckscanner und Unterschriftenpad. Einmal pro Monat wird er mit dem Auto in ein Mieterbüro eines Wohnblocks gefahren, um vor Ort Ausweise auszustellen, Umzüge und Anmeldungen zu registrieren oder Wahlunterlagen auszugeben. "Wir bieten diesen Service nur eine Stunde pro Monat an, weil meistens nur etwa zwei bis fünf Bürger das Angebot nutzen", erzählt die Hauptamtsleiterin Sarah Jakobza.

Doch das alles hat nichts mit dem zu tun, was im Onlinezugangsgesetz bis 2022 gefordert wird - da macht sich Bürgermeister Frank Deutschmann nichts vor. "Ziel der Digitalisierung ist es, Verwaltungsdienstleistungen von zu Hause vom Schreibtisch aus wahrnehmen zu können. Davon sind wir leider noch weit entfernt", sagt Deutschmann.

"Das Stichwort ist: Digitale Souveränität"

Aus eigener Kraft kann es die Gemeinde nicht schaffen, denn sie hat nur einen IT-Beauftragten. Deshalb arbeitet Heideblick schon seit sieben Jahren mit dem Kommunalen Rechenzentrum in Cottbus zusammen und hat vor einem Monat seine komplette IT-Infrastruktur an den im April 2020 gegründeten "Zweckverband Digitale Kommunen Brandenburg" ausgelagert. Der Verband betreut aktuell 37 Brandenburger Städte und Gemeinden und übernimmt ab dem 1. Januar 2021 das Cottbuser Rechenzentrum.

Heideblick sei eine der ersten Gemeinden gewesen, die dem Zweckverband beigetreten ist, sagt der Gemeindevertreter Claus König. "Wir haben weder die nötigen IT-Spezialisten, noch einen gekühlten einbruchsicheren Serverraum. Es lag also auf der Hand, dass wir das in berufene Hände geben. Das Stichwort ist: Digitale Souveränität. Wir hätten uns nicht vorstellen können, so sensible Daten aus unserer Gemeinde in die Hände einer Firma zu geben, die irgendwo auf der Welt ihren Sitz hat", sagt König.

Die Gemeinde Heideblick, Landkreis Dahme-Spreewald in Brandenburg im November 2020. (Quelle: rbb/Oliver Soos)Die Gemeinde Heideblick im Landkreis Dahme-Spreewald

Formularservice ja - Multiplexkanal nein

Doch die Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes wird Heideblick auch mit den Spezialisten aus Cottbus nicht erfüllen können, so der Vorsteher des Zweckverbands, Oliver Bölke. "Die Ziele des Gesetzes sind utopisch. Wir stecken noch in den Kinderschuhen. Das müssen wir uns alle ehrlich eingestehen. Im Moment warten wir noch auf die Bereitstellung einiger Basiskomponenten durch das Land Brandenburg. Es gibt schon das Servicekonto, einen Formularservice und einen Bezahldienstleister. Es fehlt noch ein Multiplexkanal und die Postfachfunktion ist noch nicht implementiert", erklärt Bölke.

Laut dem Onlinezugangsgesetz sollen auf kommunaler Ebene 460 Verwaltungs-Dienstleistungen bis 2022 komplett digital funktionieren. Laut Oliver Bölke sind gerade einmal fünf digitale Dienstleistungen ein realistisches Ziel für 2021. Immerhin soll dann in Heideblick und in den anderen im Zweckverband organisierten Kommunen das Verlängern des Personalausweises vom heimischen Computer aus funktionieren.

Beitrag von Oliver Soos

6 Kommentare

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  1. 6.

    Wo ist die Kompetenz? Nicht ärgern, weiter machen; war früher auch so, ne?

  2. 5.

    Es gibt wichtigeres, z.B. Gendersternchen und divers.
    Das muss erst einmal umgesetzt werden. Irgendwer wird schon etwas in Medien machen.
    Wie unfähig sind die Menschen in Deutschland, immer nur meckern und alles muss billig sein.

  3. 4.

    Naja, das Problem ist doch das jedes Kuhkaff sein eigenes Amt mit seinen eigenen Prozessen hat und keiner bereit ist die Prozesse umzustellen um sich an eine Software anzupassen. Da werden dann endlos Entwicklungskosten verursacht, die Komplexität explodiert und jedes Digitalisierungsprojekt im Keim getötet. Sollte doch etwas zu gelingen drohen holt man die Datenschutzbedenken aus der Schublade. Als wäre es unmöglich Daten sicher auf einem andren Medium als Faxpapier zu übertragen und zu lagern. Buchstäblich jede Firma mit mehr als einem Mitarbeiter schafft es irgendwie ihre Firmengeheimnisse digital zu verwalten, aber sobald es an Behördensachen geht ist das unmöglich.

  4. 3.

    Hallo,
    Ziel des Onlinezugangsgesetz (OZG) ist nicht, die gesamte Verwaltung zu digitalisieren. Es ist nämlich komplett unwirtschaftlich, ein Antragsverfahren, dass bspw. nur einmal im Jahr zur Anwendung kommt zu digitalisieren.
    Hinzu kommt, dass die öffentliche Verwaltung nicht Facebook ist. Es handelt sich vielfach um extrem sensible Daten, die niemand in den Händen Dritter sehen möchte. Dieser Fakt und das Problem des großen Individualisierungsgrades der Ämter im gesamten Land machen die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen zu einer Mammutaufgabe.
    Ein weiteres Problem ist der eklatante Mangel an bezahlbaren IT-Fachkräften. Statt den Vorteilen des öffentlichen Dienstes, suchen die meisten die schnelle Mark und das ist dem Steuerzahler einfach nicht zuzumuten.
    Immer aus der Sicht der Unternehmen auf den Staat zu zeigen und zu schreien, was man alles tolles machen könnte, wird der Gesamtlage einfach Null gerecht.

  5. 2.

    In jedem Großkonzern dieser Welt existieren heute nur noch zentrale Rechenzentren, auf die die einzelnen Mitarbeiter nur noch virtuell zugreifen. Der PC steht damit faktisch im Rechenzentrum (als Teil eines Servers) und es werden in die eine Richtung vom Mitarbeiter zum Server nur noch Maus- und Tastaturbefehle (oder die anderer Eingabegeräte) übertragen, in die andere Richtung nur der Bildschirminhalt. Anders wären die umfangreichen Datensammlungen und -Sicherungen, die heutzutage an Unternehmen gestellt werden, gar nicht mehr zu bewältigen. Warum funktioniert das im Öffentlichen Dienst nicht? Warum betreibt die Bundesrepublik nicht die nötige Infrastruktur für Länder und Kommunen? Kein Wunder, dass es an Datenaustausch mangelt und Behörde A nichts von Behörde B weiß. Andere Staaten sind da um Lichtjahre weiter. Aber Internet ist ja Neuland...

  6. 1.

    Nach heutiger Sicht macht es wenig Sinn, wenn jede Kommune ihre Daten auf einem eigenen Server im Rathaus legt, insofern sollte das das Land eine Cloud anbieten oder zumindest ein Rechenzetrum mit Backup-System. Was mir immer noch nicht in den Kopf will, ist das Problem mit den Postfächern. Hier sollte doch auch ein zentraler Server machbar sein, E-Mail ist ja nun wirklich keine Hexerei mehr, auch nicht als DE-Mail...

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