Mögliche Erinnerungsstätte in Berlin - Grüne fordern mehr Engagement bei Aufarbeitung des kolonialen Erbes

Sa 07.11.20 | 10:09 Uhr
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Blick auf die U-Bahn-Station Mohrenstraße an der ein Graffiti "decolonize the city" aufgesprüht wurde (Quelle: DPA/Paul Zinken)
Bild: DPA/Paul Zinken

Grünen-Politiker fordern vom Bund mehr Engagement bei der Aufarbeitung der Kolonialgeschichte Deutschlands - und damit auch bei der Umbenennung von Straßen, Plätzen und Einrichtungen. Die Bundesregierung trete dabei "in erster Linie bremsend auf" und übernehme keine politische Verantwortung, heißt es in einem Papier von Fachpolitikerinnen und -politikern der Grünen im Bundestag. Finanzielle Unterstützung für Denkmäler und Gedenkorte solle daran geknüpft werden, dass mit Kolonialverherrlichung gebrochen werde. Es brauche eine "zentrale Lern- und Erinnerungsstätte" in Berlin.

Das Papier liegt der Nachrichtenagentur DPA vor. Es stammt unter anderem von der früheren Parteichefin Claudia Roth sowie den Abgeordneten Kirsten Kappert-Gonther, Erhard Grundl und Filiz Polat. Mehr als 100 Jahre nach dem Ende der Kolonialherrschaft Deutschlands würden weiterhin Menschen geehrt, die "im deutschen Namen Menschheitsverbrechen verübten", kritisieren die Grünen darin. "Straßennamen oder Denkmäler sollen Menschen ehren, die Besonderes geleistet oder sich historische Verdienste erworben haben."

Bundesregierung fehle kritische Distanz zum Preußentum

Umbenennungen von Straßennamen, wie in München - von der "Von-Trotha-Straße" in "Hererostraße", blieben Ausnahmen und würden gegen Widerstand durchgesetzt. Stattdessen fördere der Bund etwa in Hamburg die Sanierung des weltweit größten Bismarck-Denkmals ohne das Geld an eine historische Einordnung zu koppeln. Auch der Wiederaufbau des Stadtschlosses in Berlin mit historischer Fassade sowie die Wiederherstellung der Garnisonkirche in Potsdam zeigten, "dass der Bundesregierung die kritische Distanz zum Preußentum offenbar fehlt".

Es gehe nicht darum, Zeugnisse des Kolonialismus ganz zu entfernen, heißt es im Papier. "Vielmehr müssen die Bilder kolonialverherrlichender Erzählungen und Repräsentationen gebrochen werden. Als Ultima Ratio kann auch der Abriss bestimmter Gedenkorte eine Option darstellen." Kritik üben die Autoren auch am Namen des Robert-Koch-Instituts, das derzeit wegen der Corona-Pandemie im Zentrum der Aufmerksamkeit steht: "Denn Robert Koch war nicht der harmlose "Forschungsreisende", zu dem er im Nachhinein verklärt wurde", schreiben sie. "Vielmehr unternahm Koch in den ehemaligen deutschen Kolonien zahllose Menschenversuche an Einheimischen."

Berlin spielt in der Geschichte des Kolonialismus eine zentrale Rolle. Im November 1884 begann auf Einladung von Bismarck die sogennate "Kongo-Konferenz", auf der europäische Staaten und die USA Regeln aufstellten nach denen sie sich Gebiete in Afrika gegenseitiog anerkennen wollten. In weiten Teilen Afrikas ist dies auch als Berlinisation bekannt.

23 Kommentare

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  1. 23.

    Die Grünen sollten sich umbenennen in "Die Ewig Gestrigen". Das zeigt mir dieser Bericht jedenfalls. Wenn man schon keinen einzigen Vorschlag zur Bekämpfung der Pandemie hat ... Was können die Grünen, ausser teuer für die arbeitende Bevölkerung?

  2. 22.

    "Aber der deutsche Michel soll sich in Grund und Boden für seine Vergangenheit schämen!"

    "Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“

    Wie sich die Worte gleichen. Wahrscheinlich meinen sie auch das gleiche.

  3. 21.

    Heute gibt es noch Kolonien, auch wenn sie offiziell nicht mehr so genannt werden. Viele von ihnen sind Inseln mit atemberaubender Natur und Stränden. Auch heute noch unterhalten Länder wie Großbritannien, (Frankreich, die Niederlande, ansässig in der EU) oder auch die USA noch zahlreiche Übersee Gebiete. Das scheint den Grünen wohl nicht zu interessieren? Das die Spannungen bei den Falklandinseln jetzt wieder zunehmen, auch nicht? Aber der deutsche Michel soll sich in Grund und Boden für seine Vergangenheit schämen! Schämen muss man sich als Deutscher, dass hierzulande solche Leute was verändern wollen!

  4. 20.

    Hallo Peter, glauben Sie das die Medizin ohne Herrn Koch heute weiter wäre. Und hätte er die Möglichkeiten zur Testung in heutiger Zeit gehabt, hätte er diese bestimmt auch genutzt. Und deshalb muss er gleich verteufelt werden? Die Erfolge nutzen? JA! Und hinterher die Person verurteilen. Oh Je wo führt das hin?

  5. 19.

    Und ich glaube, dass die Autoren des Papiers zumindest in diesem Punkt zu kurz greifen: die Annahme, dass eine kritische Distanz zu Preußen fehle.

    In Potsdam gab es 2001, anlässlich der 300-jährigen Selbstkrönung Friedrich I. in Königsberg, eine sehr umfangreiche Preußen-Ausstellung, die nichts und rein garnichts ausließ. Keine Verherrlichung, aber auch keine Verdammung. Der Spießrutenlauf und dass F I genau wie F II und FW IV lieber von hinten als von vorn gesehen wurden, war ebenso Thema wie die vergleichsweise hoch entwickelte Rechtsstaatlichkeit. Die menschlichen Kauze gleich so wie die Philosophenrunden in Sanssouci, der Militärstaat im späteren Preußen gleich so wie die hohe Begabung der Könige in künstlerischen und architektonischen Dingen, von denen wir noch heute zehren.

    Wer bspw. Bauten vordemokratischer Gesellschaftsordnungen einer demokratischen Unbedenklichkeitserklärung unterziehen will, dem entgeht das.

  6. 18.

    Aufgrund ihrer eigenen Kleingeistigkeit ist den Grünen daran gelegen, alles Große klein zu machen und in nationalem Selbsthass das eigene Volk unter alle anderen zu stellen.

  7. 17.

    Ökologie ist ja nicht nur eine Sache des Ergebnisses, sondern gerade eine Angelegenheit eines verwobenen Prozesses. Da waren die Grünen von ihrem Selbstverständnis schon einmal weiter und das bereits in ihrer Gründungsphase.

    Auch Geschichte lässt sich ganzheitlicher u. in einem ökologischen Sinne betrachten: Keine messerscharfe Trennung zwischen diesem u. jenem, bei nur jeweils umgekehrten Vorzeichen, sondern Annahme geschichtlicher Prozesse in ihrer Widersprüchlichkeit. Sowohl die Initiatoren des Humboldt-Forums in Berlin als auch die Betreibenden des Versöhnungsprojektes einer Garnisonkirche in Potsdam verstehen Aufarbeitung in sämtl. Facetten, nicht nur in einer, die für alles überragend erklärt wird. Sind sich die beteiligten Grünen sich ihres "Zielkonfliktes" bewusst, Aufschluss und Aufarbeitung zu wollen und dies doch - tendenziell rigide - wiederum abzuwürgen dadurch, dass ggf. ein gefälligst auszuräumender Generalverdacht ausgesprochen wird?

  8. 16.

    Frau Roth ist also eine "Fachpolitikerin"? Und welche Personen haben sich denn im Sinne der Grünen besondere Verdienste und Ehren erworben? Hört endlich auf mit diesem Umbenennen. Das haben schon 2 Diktaturen in Deutschland reichlich gemacht, um hinterher alles wieder zu tilgen. Dann stellt lieber an den gegeben Orten Tafeln mit dem Hintergrundwissen auf. Und nun ist sogar auch noch Robert Koch dran. Das ist Ideologie in grüner Manier. Unglaublich

  9. 15.

    Koch war der Mengele der Kolonialzeit. Koch unternahm in den Kolonien Menschenversuche an Einheimischen, so steht es auch im Artikel.

  10. 14.

    Wie positioniert sich Die PARTEI der Grünen zu religiösmotivierten Kollonialkriegen ? Zum Beispiel in den Thüringischen Staaten, Chur-Brandenburg, Herzogtümer Mecklenburg, Franken, Pommer, Preussen, Kurland ... ?

  11. 13.

    Die großen Kolonialmaechte jener Zeit Großbritannien, Spanien, Portugal, Frankreich usw. verhalten sich anders Sie stehen zu ihrer Geschichte und arbeiten sie ohne Selbstkasteiung auf und übernehmen auch heute noch Verantwortung für das koloniale Erbe, wie Frankreich in Afrika. Warum kann Deutschland nicht diesen Weg gehen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Grünen wieder einmal Ideologie vor koloniale Verantwortung stellen

  12. 12.

    Unglaublich, Aufarbeitung des kolonialen Erbes! Das ist nun einmal unsere Geschichte, die man nicht ändern kann und sollte. Was müßte da unser "Vorbild" Amerika alles aufarbeiten? Wer immer noch nicht verstanden hat, wie Grün tickt, dem ist nicht mehr zu helfen!

  13. 11.

    Die Grünen betreiben doch selbst einen positiven Rassismus, indem sie bestimmte Gruppen pauschal zu armen kleinen hilflosen und per se unschuldigen Opfern degradieren. Natürlich war Kolonialismus ein Verbrechen und hatte teils schlimme Auswirkungen auf die Eroberten, so wie dies jede Eroberung hat. Aber eben nicht nur, selbst wenn das Schlechte überwiegt. Und auch Verbrechen wie Sklavenhandel und Unterdrückung kamen nicht erst mit dem"weißen Mann" nach Afrika. Diese haben auf Jahrhunderte alte Verbrechen aufgebaut, haben oft alte Kriege und Rivalitäten zwischen Stämmen ausgenutzt. Auch das gehört zur ganzen Wahrheit dazu, ohne deshalb den Kolonialismus zu verharmlosen. Es bringt uns als Gesellschaft jetzt auch nicht weiter, wenn wir alles ausloschen. Wir müssen daraus für die Zukunft lernen. Dazu gehört auch Konfrontation mit unserer Vergangenheit.

  14. 10.

    Guter Ansatz, aber leider verdrehen Die Grünen hier zu viele Tatsachen und kommen somit bedauerlicherweise sehr populistisch daher.
    Hier wird Preußentum mit Kolonialismus gleichgestellt. Dieser Ansatz ist so dermaßen undifferenziert und basiert schlicht auf Unwissenheit und Unbelesenheit.
    Von welchen Kolonialdenkmälern oder "verherrlichenden" Repräsentationsorten ist denn hier in Deutschland noch die Rede? Die wenigen zweifelhaften Straßennamen, die es noch gibt, sollten in der Tat schnellstmöglich umbenannt werden.
    Dabei sollte man sich folgerichtig die Frage stellen, ob man die Straßen, die nach Antisemiten benannt sind (zum Beispiel Karl-Marx-Straße oder Glinkastraße) ebenso umbenennt.
    Das Berliner Schloss war mehr als ein Symbolbild Preußens. Es prägte das architektonische Stadtbild über Jahrhunderte und ist das Zeugnis von Schlüters durchdachter norddeutscher Barockarchitektur. Ebenso zielstrebig, wie das DDR-Regime das Schloss im Jahr 1950 sprengte, werden drei der vier Fassaden nun wiederhergestellt, wie es 2002 demokratisch im Bundestag beschlossen wurde. Im Gebäude (Humboldt Forum) wird sich intensiv mit der Kolonialgeschichte des Deutschen Kaiserreichs auseinandergesetzt. Die Garnisonkirche Potsdam (ein ebenso brilliantes Barockwerk) wird als Symbol des Friedens und der Versöhnung eingeweiht. Mit Kolonialismus hat das Gebäude aus dem Jahr 1735 erst einmal nichts zu tun (Deutschland gab es zu der Zeit noch lange nicht / und Preußen hatte auch keine Kolonien).
    Eine Einordnung des Bismarck-Denkmals bzw. der Person Bismarck in den historischen Kontext halte ich auch für richtig. Deshalb aber auf eine Finanzierung der Sanierung des komplett von Vandalismus betroffenen Denkmals zu verzichten, ist einfach falsch.

    Weder der Wiederaufbau das Berliner Schloss, noch die Rekonstruktion der Garnisonkirche stehen als Zuwendung zum- oder fehlende Wahrnehmung der Gräuel des Kolonialismus.

  15. 9.

    Ich habe viele Sympathien für "grüne" Standpunkte. In Berlin schlafen die Grünen etwas. Warum? Wir haben bisher keinen Radweg, der uns sicher von Norden nach Süden oder von Osen nach Westen bringt. Wir haben das Plastikmüll nicht gelöst und insgesamt kein zeitgemäßes Verkehrskonzept. Menschenhandel und Prostitution haben in Berlin einen super geeigneten Standort gefunden, Islamismus und organisierte Kriminalität ebenso. Diskrimnierung und Mißhandlung von Frauen sind an der Tagesordnung. Im Afrikanischen Viertel sollte der Lernort zum Kolonialismus usw. sein. Er wurde wieder verlassen, weil dort nichts los ist.
    Da erscheint das Geschrei um die Straßenschider lange schon lächerlich. Wer bitte verherrlicht denn noch Verbrechen in den Kolonien? Wer kennt die Geschichte Afrikas oder die Gegenwart, den bis heute vorhandenen innerafrikanischen Sklavenhandel. Ach, man kann gar nicht alles aufzählen. Schafft die Diskrimnierung ab und setzt euch für Achtung und Mitgefühl für alle Menschen ein.

  16. 8.

    Es ist natürlich immer einfach auf andere zu zeigen. Sie hätten demnach auch nichts gegen einen Adolf-Hitler-Platz einzuwenden? Ist ja unsere Geschichte.

  17. 7.

    Die Gruenen betreiben hauptsaechlich Klientelpolitik, das wird immer wieder deutlich.

    Zu wirklich wichtigen Themen wie der Energiewende und der Rente haben sie keine Loesung.

  18. 6.

    Warum müssen all die Namen, die auf Deutsch-
    lands Kolonialzeit hinweisen getilgt werden?
    Werden die Deutschen dadurch besser? Die
    Erinnerung ist doch wichtig. Ich habe mich mit
    dieser Thematik beschäftigt. Dabei kam heraus,
    dass sich viele Afrikaner in der Kolonialzeit wohl
    fühlten, ihren Kindern deutsche Vornamen gaben, es gab und gibt bis heute deutsche
    Straßennamen und niemand stört sich daran. Es
    Gibt aber immer wieder Menschen, die die ganze
    Welt verdrehen wollen.

  19. 5.

    Unglaublich, Aufarbeitung des kolonialen Erbes! Das ist nun einmal unsere Geschichte, die man nicht ändern kann und sollte. Was müßte da unser "Vorbild" Amerika alles aufarbeiten? Wer immer noch nicht verstanden hat, wie Grün tickt, dem ist nicht mehr zu helfen!

  20. 4.

    Die Grünen sollten erst mal ihre eigene Vergangenheit aufarbeiten.
    Der Wahlkampf hat begonnen.

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