Analyse | Jarasch ist Grünen-Spitzenkandidatin - Fast 100 Prozent

Sa 12.12.20 | 17:11 Uhr | Von Ute Schuhmacher
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12.12.2020, Berlin: Bettina Jarasch, frühere Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Berlin, hält bei der digitalen Landesdelegiertenkonferenz nach der gewonnene Wahl als Kandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin Turnschuhe in die Höhe (Quelle: dpa/Annette Riedl)
Bild: dpa

Mit großer Mehrheit haben die Berliner Grünen Bettina Jarasch zur Spitzenkandidatin für die Berlin-Wahl 2021 gewählt. Rund 97 Prozent der Stimmen erhielt die 52-Jährige auf einem digitalen Parteitag. Ungewöhnlich - nicht nur für Grünen-Verhältnisse. Von Ute Schuhmacher

Es war schon am Lächeln der Parteitagsleitung zu sehen, kurz bevor sie das Wahlergebnis auch offiziell verkündete: Es war sehr gut gelaufen. Aber mit so einem Ergebnis hatte vorher niemand gerechnet, bekannte auch der Landesparteivorsitzende Werner Graf nach der Wahl freimütig, auch wenn Bettina Jarasch keine Gegenkandidatin hatte.

Jarasch hat die Berliner Grünen überzeugt, über alle Parteiflügel hinweg: 142 von 147 Stimmen hat sie bekommen, es gab fünf Enthaltungen, null Gegenstimmen. Das dürfte weniger an der Performance ihrer Rede gelegen haben, zu oft stolperte sie dafür dabei. Der Weg, den die 52-Jährige aufzeigt ist es, der die Partei sich hinter ihr vereinen lässt.

Große Bündnisse schmieden – auch wenn es anstrengend ist

Jarasch will Bündnisse schmieden jenseits ihrer Partei und auch jenseits der Klientel, die gewöhnlich grüne Politik unterstützen. Handwerker, Unternehmen und Industriearbeiter sieht sie dabei beispielsweise als Bündnispartner. Wenn deren Arbeit beispielsweise dem Klimaschutz oder der Verkehrswende dient, glaubt sie an Wege für ein Bündnis.

Freimütig bekennt Jarasch, dass es anstrengend ist, solche Bündnisse zu schmieden. Sie nennt sie manchmal sogar eine echte Zumutung. Denn es müssten manchmal dabei schmerzhafte Kompromisse gemacht werden. Für Jarasch ist das Bündnis, das dadurch zu schaffen ist, aber diese Schmerzen wert. Richtig seien diese Bündnisse, sagte Jarasch ihrer Partei, "So regieren ist richtig". Mit ihrer großen Mehrheit für Jarasch erklären sich die Grünen nun offiziell bereit für solche großen Bündnisse.

"So regieren ist richtig"

Die große Zustimmung ihrer Partei stärkt Jarasch für den anstehenden Wahlkampf den Rücken. Und doch dürfte sie wissen, dass es trotzdem viele Diskussionen auch in der Partei geben wird, wenn sie dann wirklich daran geht, Bündnisse zu schmieden. Sie will und muss die Verkehrswende vollenden, sie will mehr Wohnungen bauen und dabei auch verdichten. Das gefällt nicht jedem, schon gar nicht jedem Grünen.

Gerade bei diesen schmerzhaften Kompromissen ist der Aufschrei also programmiert. Das weiß Bettina Jarasch, schließlich war sie fünf Jahre Parteivorsitzende eben dieser Berliner Grünen. Und das in einer Zeit, als die Partei 2011 nach der Abgeordnetenhauswahl nicht ihr Wahlziel erreicht hatte, mit Renate Künast das Rote Rathaus zu übernehmen. Als danach auch noch die Sondierungen mit der SPD scheiterten, zerriss es die Grünen buchstäblich fast. Damals war sie eine von denen, die die streitenden Grünen wieder zusammenführte. Nun macht sie sich daran, Bündnisse außerhalb ihrer Partei zu schmieden.

Laufschuhe mit grünem B für einen Wahlkampfmarathon

Bettina Jarasch setzt mit den Berliner Grünen ganz auf Sieg für die Abgeordnetenhauswahl im nächsten Jahr. Sie will nicht nur die erste Regierende Bürgermeisterin werden, sie will auch die erste Grüne sein, die dieses Amt übernimmt. Die Umfragezahlen geben das aktuell her. Seit Monaten liegen die Grünen in der Hauptstadt auf Platz 1. Und doch werden die Grünen nicht allein regieren können, sie brauchen Koalitionspartner.

Dass Jarasch gern mit Linken und SPD regieren möchte, wird in ihrer Parteitagsrede sehr deutlich, immer wieder lobt sie das, was die Koalition trotz verschiedener Reibereien geschafft hat. Richtung CDU hat sie nur eine knappe Warnung übrig: Mit der Reaktion der CDU auf die neuen Schulden im Nachtragshaushalt, mache sich die Partei nur irrelevant, sagte Jarasch. Ein Wunschpartner ist die Union damit weiter nicht.

Sendung: Inforadio, 12.12.2020, 12:40 Uhr

Beitrag von Ute Schuhmacher

8 Kommentare

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  1. 8.

    Das sehen aber nicht alle Grünen so. Z.B. die kluge und umweltbewusste Bezirksbürgermeisterin von Kreuzberg hat da eine andere Meinug, wie am 08. Oktober dieses Jahres zu lesen war:

    Zitat: Gleich um die Ecke vom Bahnhof Lichtenberg baut die Howoge 394 Wohnungen, davon 197 Sozialwohnungen (ab 6,50 Euro/qm). Das geplante Haus hat 22 Etagen, sieht schicker aus als die Plattenbauten nebenan.
    Nur Herrmann gefällt es nicht: „Grauenhaft“, twitterte sie. Und: Das „Wohnen an einer solchen Straße“ sei „keine Freude für die Menschen“.

    Könnte natürlich auch daran liegen, dass das Hochhaus in Lichtenberg gebaut wird. Im Hinblick auf die Ambitionen, die Frau Herrmann hat, ist das in jedem Fall beachtenswert!

  2. 7.

    Stimme Ihnen zu. Gärten auf solarbetriebene Dächer. Lufttaxis etc.pp. Leider werde ich all dies zukünftig mit meinen 69 Jahren nicht mehr erleben.

  3. 6.

    Wenn Menschen dichter beisammen wohnen wird weniger Platz verbraucht. Es bleibt also automatisch mehr Platz für Natur. Zudem werden Wege kürzer, man braucht weniger Autos und die Autos fahren weniger Kilometer. Man spart auch bei der Infrastruktur, weniger Straßen, weniger Abwasserrohre, Strom- und Telekommunikationsleitungen etc. Steuern können sinken, weil die Ortschaften weniger Ausgaben haben. Auch der Energieverbauch für's Heizen sinkt, weil Mehrfamilienhäuser pro Bewohner weniger Aussenwände haben. Außerdem kann man Fernwärmenetze aufbauen. Dichtbebaute Städte sind die ökologischte Art zu leben.

  4. 5.

    Welche Verkehrswende will sie vollenden? Wo haben die Grünen den ÖPNV gestärkt und dabei eine ordentliche Finanzierung aufgestellt. Nur mit neuen Radwegen ist das nicht getan. Und die Energiepolitik? Der verpflichtende Bau von Solar-und Photovoltaikanlagen ist überfällig. Wie viele Wohnungen haben die Grünen in Berlin bisher gebaut? Und auf Bundesebene? Bewaffneter Einsatz der BW im Ausland? JA! Und nun setzen sich ausgerechnet die GRÜNEN auch noch für den Einsatz von Gentechnik ein. Alle Standpunkte wurden für den zu erwartenden Wahlsieg verkauft.

  5. 4.

    Es sollte mehr in die Höhe gebaut werden in Berlin, dann könnten Wohnungen und Büros bei geringerer Flächenversiegelung gebaut werden.

  6. 3.

    Meiner Logik nach, bleibt der Natur mehr Platz, wenn die Menschen enger zusammen wohnen. Der Speckgürtel ist z.B. ein gutes Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Einfamilienhäuser mit Garten, der Garten ist dort oft ökologisch nur noch Rasen und Thuja.

  7. 2.

    Meiner Logik nach, bleibt der Natur mehr Platz, wenn die Menschen enger zusammen wohnen. Der Speckgürtel ist z.B. ein gutes Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Einfamilienhäuser mit Garten, der Garten ist dort oft ökologisch nur noch Rasen und Thuja.

  8. 1.

    Verkehrswende und Wohnungsbauverdichtung , super Idee der Unwelt zuliebe. Gerade bei der Wohnungsbauverdichtung, wenn noch mehr Menschen eng zusammen leben wo bleibt dann noch Platz für die Natur.

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