Königs Wusterhausen, Jüterbog, Fürstenwalde - Wie drei Brandenburger Bürgermeister ihre Städte spalten
Umstrittene Facebook-Posts, Rathausmitarbeiter, die sich gegängelt fühlen, Zoff mit dem Stadtparlament – in drei Brandenburger Kommunen gibt es immer wieder Ärger mit den Bürgermeistern. Aber auch die Unterstützung ist groß. Von Oliver Soos
Der politische Ton ist rau geworden in Königs Wusterhausen, Jüterbog und Fürstenwalde – denn die Bürgermeister dieser Städte polarisieren. In der Folge gibt es immer wieder heftige Auseinandersetzungen, auch in den Stadtverordnetenversammlungen geht es hoch her.
Der Fall Königs Wusterhausen:
In Königs Wusterhausen machen die Fraktionen von SPD, CDU, Linken, Grünen und "Wir für KW" keinen Hehl aus ihrer Ablehnung gegen Bürgermeister Swen Ennullat von den Freien Wählern, der 2017 per Stichwahl ins Amt gewählt wurde.
Ennullat – ehemals bei der Polizei, später in der öffentlichen Verwaltung tätig - hat mittlerweile 20 Mehrheitsentscheidungen des Stadtparlaments nicht ausgeführt. Stattdessen beanstandete er sie und reichte sie bei der Kreisverwaltung Dahme-Spreewald zur Prüfung ein. Damit liegen die entsprechenden Projekte oft viele Monate auf Eis - oder erübrigten sich dann aus Zeitgründen.
Systematische Missachtung des Mehrheitswillens
Unter anderem ging es dabei um den Bau einer Grundschule, um einen städtischen Corona-Rettungsschirm und um den Bau eines Sportplatzes. Wegen dessen Beanstandung war 2020 sogar der komplette Haushalt blockiert. Ennullat begründete sein Handeln mit der finanziellen Lage der Stadt oder mit rechtlichen Bedenken.
Während seiner vorherigen Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung war Ennullat bereits durch Kritik an den aus seiner Sicht misslichen Zuständen in der Verwaltung aufgefallen.
Die Vorsitzende des Stadtparlaments, Laura Lazarus von der CDU, sieht dagegen eine systematische Missachtung des Mehrheitswillens. "Ich kann es mir nur mit Egoismus und Narzissmus erklären, oder dass er seine eigenen Pläne hat. Dabei sind wir doch der Souverän, der entscheidet", sagt Lazarus.
Auch in der Kreisverwaltung sieht man Ennullats Verhalten äußerst kritisch. Landrat Stephan Loge (SPD) erzählt, dass 13 von 20 Beanstandungen des Bürgermeisters bereits geprüft und abgewiesen wurden. Loge spricht von einem "überzogenen Selbstbewusstsein" und einem "Versuch, die Demokratie anzugreifen".
Hausverbot, Disziplinarverfahren, Abwahlantrag
Im Juni verhängte das Stadtparlament ein Dienstgeschäftsführungsverbot gegen den Bürgermeister – er bekam Hausverbot. Das wurde allerdings nach zwei Monaten vom Cottbuser Verwaltungsgericht wieder aufgehoben, weil es ein zu weitreichender Schritt gewesen sei. Anfang Dezember leitete die Kreisverwaltung dann ein Disziplinarverfahren gegen den Bürgermeister ein.
Der Streit um Ennullat treibt die anderen Fraktionen in eine Art große Koalition: CDU, SPD, Grüne, Linke und "Wir für KW" beantragten im Stadtparlament gemeinsam die Abwahl des Bürgermeisters. Entschieden wird im Frühjahr. Eine Interviewanfrage des rbb lehnte Ennullat ab, mit dem Hinweis, er dürfe sich wegen des laufenden Verfahrens nicht äußern.
Zuspruch für Ennullat
Doch Ennullat steht nicht allein da: Er bekommt immer wieder Unterstützung durch seine Freie Wähler-Fraktion und durch die AfD. Sie sprechen von einer "Einheitsfront" der etablierten Parteien, die den demokratisch gewählten Bürgermeister loswerden wolle. Auch auf Ennullats Facebook-Seite gibt es viel Zuspruch. Den alten Seilschaften passe eine andere Meinung nicht, schreibt eine Nutzerin. In anderen Posts ist die Rede von "Wahrheitsverdrehern" und einem "Parteien-Kartell".
Der Fall Jüterbog:
Unterstützung bekommt Ennullat auf seiner Facebook-Seite auch vom parteilosen Jüterboger Bürgermeister Arne Raue. "Ich beobachte das Kasperletheater von Weitem und ahne, wieviel schmutzige Wäsche dabei gewaschen wird", schreibt Raue.
Raue ist seit 2011 Bürgermeister in Jüterbog im Landkreis Teltow-Fläming – 2019 wurde er mit 56 Prozent der Stimmen für weitere acht Jahre gewählt. Auf Facebook ist er sehr aktiv, er hat dort viele umstrittene Posts veröffentlicht - unter anderem gegen Flüchtlinge. "Ich schau morgens ins Netz: Messerstecher, Ficki-ficki, keine Einzelfälle mehr", schrieb Raue am 12. Januar 2017. Und über die Querdenken-Demo im November 2020 in Berlin: "Ich bedauere, an diesem Schicksalstag nicht unter den friedlichen Demonstranten gewesen zu sein."
Bürgermeister antwortet bei Facebook
Eine rbb-Anfrage zu einem Interview über diese Posts beantwortet Raue auch öffentlich bei Facebook. Es handele sich um seine private Meinung und er ergänzt: "Was geht in einem Medienvertreter vor, wenn er sich herausnimmt einen kommunalen Wahlbeamten in eine Ecke stellen zu dürfen?" Für diese Antwort bekam er auf seiner Facebook-Seite viel Lob.
Für den SPD-Stadtverordneten und Landtagsabgeordneten Erik Stohn sind Raues Posts beschämend für die Stadt: "Diese Aufnahme neurechter Sprache ist eines Stadtoberhaupts nicht würdig."
"Stochern im Nebel"
Der Bürgermeister postet auch immer wieder Einladungen zum Jüterboger Bürgerstammtisch, mehrfach trat er dort auch selbst auf, unter anderem mit dem AfD-Landesvizevorsitzenden Daniel Freiherr von Lützow. "Bei diesen Treffen wird vor allem das Narrativ des Politikversagens genährt“, sagt Martin Schubert vom Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus, der den Jüterboger Bürgerstammtisch schon länger beobachtet. Die Gruppe habe zu Demonstrationen von Pegida und Zukunft Heimat aufgerufen und habe auch Ex-NPD-Mitglieder in ihrem Umfeld.
Raue distanziert sich auf rbb-Nachfrage nicht vom Bürgerstammtisch – dass er dort mit Rechtsextremisten in Kontakt gekommen sein könnte, bezeichnet er als "Stochern im Nebel".
Der Fall Fürstenwalde:
In Fürstenwalde liegen die Konfliktlinien anders, und zwar zwischen Bürgermeister Matthias Rudolph von den Freien Wählern und seinen Mitarbeitern. Rudolph ist seit zweieinhalb Jahren im Amt – und seitdem immer wieder in Konflikte um seine Amtsführung verwickelt.
Im Dezember drang bereits zum dritten Mal ein Brandbrief aus dem Rathaus der bevölkerungsreichsten Stadt im Landkreis Oder-Spree an die Öffentlichkeit: 21 anonyme Amtsleiter und Verwaltungsangestellte werfen Rudolph vor, sie wie "Untergebene" zu behandeln. Er habe keine Fachkompetenz und habe sie zum Teil angewiesen, Grundsätze des Verwaltungshandelns zu missachten.
Anfang 2019 war der neunköpfige Personalrat der Stadtverwaltung wegen ähnlicher Vorwürfe geschlossen zurückgetreten. Die Gleichstellungsbeauftragte im Fürstenwalder Rathaus berichtet, Rudolph habe sie mehrfach angebrüllt.
Der Bürgermeister spricht von einer Kampagne
Rudolph weist das zurück. Er sagt, er sei weder "cholerisch" aufgetreten, noch habe er jemanden "heruntergemacht". Rudolph spricht von einer Kampagne. "Seit meiner Wahl arbeiten einige Kommunalpolitiker mit klarer Agenda gegen mich. Diese Leute haben einige wenige Verbündete in der Verwaltung und scheuen sich nicht davor, Mitarbeiter zum Teil einer politischen Auseinandersetzung zu machen", sagt der Bürgermeister, der seinen Führungsstil als "kooperativ und verbindlich" bezeichnet.
Eine Kampagne von CDU, SPD, Linken und FDP sah Rudolph auch, als er heftig kritisiert wurde, weil er sich der für ihn geltenden Corona-Quarantäneanweisung widersetzt hatte.
"Da haben wir also unseren eigenen kleinen Trump", schreibt ein Facebook-Nutzer über Rudolph. Von anderen Kommentatoren wird er gelobt, als "Bürgermeister mit eigener Meinung" und als frei denkender Mensch. Rudolphs Gegner würden sich "wie Lemminge zusammenrotten", ist da zu lesen.
Ähnlichkeiten – trotz aller Unterschiede?
So unterschiedlich die Fälle in Königs Wusterhausen, Jüterbog und Fürstenwalde liegen mögen – es scheint durchaus Ähnlichkeiten zu geben.
Rudolphs, Raues und Ennullats Kritiker sprechen von selbstherrlichem Verhalten der Stadtoberhäupter. Alle drei haben aber auch viele treue Anhänger, die die Amtsträger als frischen Wind gegen die "Altparteien" loben: "Ich bin stolz auf meinen Bürgermeister. Die neue Zeit braucht Menschen wie Sie", schreibt ein User auf Raues Facebook-Seite.
Dass die Stadtoberhäupter anecken, dass sie sich als Gegenpol zu Altbekanntem darstellen, scheint in allen drei Städten viele Menschen anzusprechen - und die AfD unterstützt die Bürgermeister sowohl in Königs Wusterhausen als auch in Jüterbog und Fürstenwalde.