Verdacht auf rechtsextreme Aussagen - Fast 50 Disziplinarverfahren bei Berliner Polizei

Immer wieder hatte es in der Vergangenheit Vorfälle von mutmaßlichem Rechtsextremismus in der Berliner Polizei gegeben. Inzwischen laufen deswegen 47 Disziplinarverfahren. Innensenator Geisel sieht jedoch eine positive Tendenz: Polizeibeamte seien wachsamer.
Bei der Berliner Polizei laufen inzwischen 47 Disziplinarverfahren wegen des Verdachts rechtsextremistischer oder rassistischer Äußerungen. Das sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Die Schwere der Verstöße sei aber unterschiedlich hoch. "Eine Reihe dieser Verfahren, fünf bis sechs, laufen mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst." Über die Gesamtzahl der Disziplinarverfahren sagte Geisel: "Das sind gemessen an 25.000 Polizisten in Berlin nicht viel. Aber es sind natürlich 47 zu viel."
Polizei meldet selber Verdachtsfälle
Geisel zeigte sich allerdings optimistisch. "Hoffnungsvoll stimmt mich an dieser Stelle, dass die allermeisten der Fälle aus der Polizei heraus bekannt geworden sind. Dass also Kollegen gesagt haben, da ist jemand, der agiert womöglich nicht auf dem Boden des Grundgesetzes." Diese Form der Selbstkontrolle sei ein "gutes Zeichen".
Nach Einschätzung von Geisel sollte die Polizei mit diesem Problem offen und offensiv umgehen. "Man muss das Thema bei der Polizei ansprechen und Widerspruch leisten, sich dem entgegenstellen." Ob in früheren Jahren zu wenig in diese Richtung geschehen sei, ließ der Senator offen, betonte aber: "Auch die Polizei lernt dazu. Es wird nicht weniger, wenn sie es verschweigen oder denken, sie müssten den Mantel des Schweigens darüber decken, damit die anderen nicht diskreditiert werden. Es wird nur anders, wenn man es offen anspricht."
Rechte Chatgruppen, Hakenkreuzbilder, fragwürdige Abzeichen
In den vergangenen Jahren waren einige problematische Vorfälle bei der Berliner Polizei bekannt geworden, zuletzt im Oktober 2020 eine Chatgruppe von Polizisten mit 26 Mitgliedern, von denen mehrere laut Staatsanwaltschaft Nachrichten mit rassistischen Inhalten oder Hakenkreuzen austauschten.
Bei einem Einsatz am 3. Oktober am Rande einer Demonstration der rechtsextremistischen Partei "Der III. Weg" in Berlin trug ein Polizist zudem auf seinem Einsatzanzug einen Aufnäher mit einem Symbol der rechtsextremen Szene. Die Polizei gab später an, den Beamten identifiziert zu haben.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte in einem Lagebild Meldungen der Länderpolizeistellen über rechtsextremistische Verdachtsfälle zusammengetragen. Aus Berlin wurden demnach bis Ende März 53 solcher Fälle gemeldet. Nach Polizeiangaben wurden im Jahr 2019 wegen des Verdachts auf Rechtsextremismus bereits 17 Disziplinarverfahren geführt.
Polizeipräsidentin spricht von "sehr wenigen" Fällen
"Wir haben Kolleginnen und Kollegen mit rechtsextremistischem Gedankengut in unseren Reihen", sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik. "Das ist leider so." Es seien aber sehr, sehr wenige. Slowik betonte, dass 99,9 Prozent der Beschäftigten bei der Polizei fest auf dem Boden des Grundgesetzes stünden. "Ich würde schon sagen, dass die Polizei eher wertkonservative Menschen anzieht, die die Regeln gesellschaftlichen Zusammenlebens durchsetzen wollen - aber keine Extremisten", so Slowik. Bei der Polizei seien alle genervt davon, dass einige wenige ihren Ruf beschmutzten.
Landesantidiskriminierungsgesetz: Nur wenige Beschwerden gegen Polizei
Seit etwas mehr als einem halben Jahr gilt in Berlin das bundesweit einzige Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) - begleitet von zum teil heftiger Kritik vor allem durch Polizeigewerkschaften. Das soll besser vor Diskriminierung durch Behörden, Polizei, Kita, Schulen, öffentliche Verwaltung und andere staatliche Einrichtungen schützen. Bei einer Diskriminierung wegen Herkunft, Hautfarbe, Sprache, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, chronischer Erkrankung, Alter, sexueller Identität oder sozialem Status besteht die Möglichkeit von Schadensersatz oder Entschädigung. Dafür sieht das Gesetz eine Beweiserleichterung und ein Verbandsklagerecht vor.
Bis Ende Dezember sind laut Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) insgesamt 113
Diskriminierungsbeschwerden eingegangen. Die häufigsten Beschwerden (46) habe es wegen möglicher rassistischer Diskriminierung gegeben, betonte Behrendt. Danach folgten Diskriminierungsbeschwerden wegen einer Behinderung (28), wegen einer chronischen Erkrankung (21) und wegen des Geschlechts (13).
Schwerpunkt seien Beschwerden gegen die Polizei mit 23 in der Senatsjustizverwaltung registrierten Fällen gewesen. Das sei seit Inkrafttreten des Gesetzes nicht einmal eine Beschwerde pro Woche. "Die große Befürchtung von Gegnern des Gesetzes, die Polizei werde lahmgelegt mit Beschwerden, ist nicht eingetreten", bilanzierte Behrendt. An zweiter Stelle folgten Beschwerden über die öffentlichen Verkehrsbetriebe sowie über Bürgerämter in den Bezirken und die Schulen. Einzelfälle gebe es auch in anderen Verwaltungsbereichen oder im Kulturbereich.
Sendung: Inforadio, 02.01.2021, 10:00 Uhr
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