Richtungsstreit vor Parteitag - Berliner AfD-Abgeordnete starten Konkurrenz-Netzwerk zur eigenen Fraktion

Sa 13.02.21 | 17:35 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Georg Pazderski und Kirstin Brinker (Quelle: imago images/Gerhard Leber)
Bild: imago images/Gerhard Leber

Mitte März soll endlich der mehrfach verschobene Parteitag der Berliner AfD stattfinden. Vor allem die Fraktion im Abgeordnetenhaus ist tief gespalten. Nun droht neuer Ärger: Einige Fraktionsmitglieder haben sich einem neuen Netzwerk angeschlossen. Von Sebastian Schöbel

In der Berliner AfD spitzt sich erneut der Richtungsstreit über den künftigen Kurs der rechtspopulistischen Partei zu. Mehrere Mitglieder der AfD-Fraktion haben sich in einer neuen Parallelorganisation mit dem Namen "Kompetenz-Netz" zusammengetan. Es soll mit "Seminaren, Vorträgen und Erklärvideos" die politischen Themen der Mitglieder "verständlich näherbringen". Damit verschärft sich einen Monat vor dem Landesparteitag der AfD die Spaltung der Partei.

"Allem Anschein nach handelt es sich hier um den Versuch, den aufgelösten Flügel in Berlin unter einem neuen Label wiederzubeleben", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Frank Hansel, dem rbb. "Aus parteipolitischer Sicht ist das mindestens fragwürdig." Der Fraktionsführung sei das Netzwerk bisher nicht bekannt gewesen, so Hansel. Eine Zusammenarbeit gebe es nicht. "Als Fraktion ist es uns gesetzlich untersagt, parteipolitische Initiativen zu unterstützen", so Hansel. "Die uns zur Verfügung stehenden Mittel dürfen ausschließlich für die parlamentarische Arbeit verwendet werden."

Reinickendorfer AfD-Stadtrat als Triebfeder

Gegründet wurde das Netzwerk vom Reinickendorfer AfD-Bezirksstadtrat Sebastian Maack, einem der schärfsten Kritiker des Führungslagers um den aktuellen Fraktionschef Georg Pazderski und den Leiter des AfD-Notvorstands, Nicolaus Fest. Hansels Darstellung wies Maack auf rbb-Nachfrage zurück. "Das ist Blödsinn", kommentierte Maack. "Das ist eine Privatinitiative, bei der es darum geht, Sympathisanten und Mitglieder der AfD zu Themen des Wahlprogramms aufzuklären." Die Kosten dafür zahle er derzeit privat, so Maack. Die im Impressum angegebene Adresse gehöre zum AfD-Verband Oberhavel. Eine Sicherheitsmaßnahme mit Blick auf linke Gegenreaktionen. "Ich möchte nicht, dass bei mir Steine durchs Kinderzimmerfenster fliegen."

Maack zählte früher zu den Unterstützern des in Teilen rechtsextremistischen "Flügel" der AfD. Insgesamt sieben Fraktionsmitglieder gehören nun seinem "Kompetenz-Netz" an, darunter die Finanz- und Haushaltsexpertin Kristin Brinker, der wohnungspolitische Sprecher Harald Laatsch und der verkehrspolitische Sprecher Frank Scholtysek.

Umstrittener AfD-Politiker Wild ist Mitglied

Auffällig ist, dass das Netzwerk nach außen nicht sofort als Zusammenschluss von AfD-Politikern erkennbar ist: Die Webseite, auf der die Abgeordneten in kurzen Videos zu politischen Themen sprechen, trägt kein Logo der Partei. Maack begründet das mit rechtlichen Einschränkungen.

Doch auch die Zusammensetzung des "Kompetenz-Netz" wirft einige Fragen auf. So ist laut Webseite der Organisation auch der aus der Fraktion ausgeschlossene Rechtspopulist Andreas Wild Mitglied. Gegen ihn läuft zurzeit noch ein Parteiausschlussverfahren. Wild war in der Vergangenheit immer wieder mit kontroversen Aussagen und Aktionen aufgefallen und ist Unterstützer des AfD-Rechtsaußen Björn Höcke. Unter anderem trug er mehrfach ein Erkennungszeichen der österreichischen Nationalsozialisten im Abgeordnetenhaus und bei öffentlichen Anlässen, die AfD wirft ihm Kontakte zu rechtsextremen Gruppierungen vor. Zuletzt war Wild im Parlament als Verschwörungsideologe und Corona-Leugner in Erscheinung getreten.

"Wild hat eine Reihe von guten Eigenschaften", rechtfertigte sich Maack. Wild sei zudem noch immer Mitglied der AfD. Er werde im Netzwerk vor allem die Themen Arbeit und Soziales behandeln.

Wahlkampf an der Fraktion vorbei

Die AfD-Abgeordnete Brinker ist das prominenteste Fraktionsmitglied im "Kompetenz-Netz". Sie hatte im Streit mit Fraktionschef Pazderski ihre Mitgliedschaft im Fraktionsvorstand beendet. Hintergrund ist eine seit Monaten andauernde Auseinandersetzung über die Fraktionsfinanzen. Brinker wirft der Fraktionsspitze Misswirtschaft vor und warnt vor finanziellen Risiken. Ein Gutachten, das Brinker dazu vorgelegt hatte, bezeichneten Fraktionschef Pazderski und sein parlamentarischer Geschäftsführer Hansel als manipuliert. Inzwischen ist der Streit Gegenstand von Gerichtsverfahren.

Brinker wies den Vorwurf, das Kompetenz-Netz spalte die AfD, zurück. "Im Gegenteil", sagte Brinker auf Nachfrage des rbb. Vielmehr gehe es darum, politische Inhalte in die Öffentlichkeit zu bringen, "was wegen der Situation um den Notvorstand aktuell schwierig ist". Warum die Fraktionsmitglieder dafür nicht die bereits existierenden Kommunikationswege der AfD nutzen, bleibt allerdings unklar. Die Partei ist im Netz und den Sozialen Netzwerken vertreten. Mehrere Mitglieder des neuen Netzwerkes haben in den vergangenen Tagen wiederholt politische Botschaften auf den offiziellen Kanälen der AfD verbreitet.

Maack erklärte hingegen auf rbb-Nachfrage, die Kommunikation der Fraktion sei zuletzt stark eingeschränkt gewesen. "Die ist mit andere Dingen beschäftigt", sagte er in Anspielung auf den schwelenden Streit um Parteifinanzen. "Und ich bin nicht sicher, ob es dazu in dieser Legislaturperiode eine Lösung gibt."

Die von Maack auf der angekündigten Seminare und Vorträge würden, sobald es pandemiebedingt wieder möglich ist, unter anderem "Argumentationstraining" für einen gewissen Kostenbeitrag anbieten. "Die Seite ist nicht darauf angelegt, Geld zu verdienen", so Maack. "Wir wollen unsere Leute fit machen für den Straßenwahlkampf."

Beitrag von Sebastian Schöbel

17 Kommentare

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  1. 17.

    Für die politische Auseinandersetzung wäre es gut, wenn die AfD Berlin endlich mal ihren Parteitag durchführen könnte, damit man sehen kann, wo sie steht.

  2. 16.

    Ja und nein. Ja, es ist müßig und nein, die "kruden Gedanken" sind ja da. Weder die Gesinnung noch die Rechtsradikalen sind ja "weg", wenn die rechtsextreme AfD endlich verboten wird. Also muß man sich wohl oder übel diesen Extremisten stellen.

    Ichmnöchte daran erinnern, dass Rechtsextreme meinen den "Volkswillen" zu "vollstrecken". Also muß man diese daran erinnern dass sie eine Minderheit sind. Noch schlimmer wäre es nämlich wenn keiner mehr widerspricht.

  3. 15.

    Mit Rechtsradikalen zu diskutieren ist so ziemlich das Schlimmste, was man machen kann. Denn dadurch bekommen diese erst Gelegenheit, ihre kruden Gedanken zu äußern. Die Aufmerksamkeit bekommen Radikale von uns, wenn wir sie als diskussionswürdig betrachten. Radikale benutzen demokratische Mittel um die Demokratie abzuschaffen.

  4. 14.

    Es ist erstaunlich, wie gut sich die Gegner der AFD mit den rechtsbraunen Gepflogenheiten auskennen."
    Da kann man mal wieder sehen, was eine gute Allgemeinbildung so alles auslösen kann.

  5. 13.

    Paul,
    was haben Sie für ein Problem damit, wenn Demokraten sich mit den Rechtsbraunen Symbolen, wie der blauen Kornblume am Revie auskennen und erkennen, was der Träger, ein Mitglied in einer rechtsextremen Partei, für eine Messages in der Öffentlichkeit abgeben wollte? Oder wollen Sie sagen, dass der Träger so bescheuert ist, dass er nicht wusste, was er da zur Schau trägt? Symboliken möchte man auch als Mochtegrrn-Politiker kennen. Und Stephan hat die Bedeutung auch erklärt. Eine weiße Rose hätte der afd'ler bestimmt nicht getragen, denn diese steht bekanntlich als Symbolik gegen Nazis (Geschwister Scholl)

  6. 12.

    Nichts Neues bei der afd, spalterisches Verhalten, nicht nur der Bevölkerung gegenüber, nein, selbst innerparteilich, bekommen sie es nicht auf die Reihe. Der nur vermeintlich "aufgelöste Flügel", nur öffentlich nicht mehr als solches genannt, hat die afd voll im Griff. Und die selbsternannten "Gemäßigten" dürften sich auch nur scheinheilig von den "Geflügelten" distanzieren, immerhin, nach dem "Rauswurf" des rechtsextremen Kalbitz folgt die Partei dem nächsten Rechtsextremen Berndt, wählten ihn als ihren "Führer". Die Parallelen zu Thüringen sind unverkennbar. Die afd wählt hier ja auch immer wieder den Rechtsextremen Höcke, um diesem Möchtegern-Führer zu folgen. Der Unterschied zu Brandenburg? In Brandenburg versucht man scheinheilig zu kaschieren, wegen dem VS, nicht wegen einer eventuellen "Läuterung", sonst wäre dort jetzt kein Berndt der Chef. Der Bericht zeigt nur auf, dass ein Teil der Partei "angepisst" ist, weil ein anderer Teil der Partei hier was auf "eigene Rechnung" macht

  7. 11.

    Die blaue Kornblume wurde unter anderem auch von der antisemitischen Schönerer-Bewegung verwendet und war in den 1930er Jahren ein Erkennungsmerkmal der in Österreich verbotenen NSDAP.

  8. 10.

    Das lernt man eben im Geschichtsunterricht.... Und Demokraten merken sich das und erkennen rechtsextreme Tendenzen.

  9. 9.

    Und wenn der Herr eine weiße Rose im Knopfloch gehabt hätte, was würden Sie dann für Vergleiche ziehen? Es ist erstaunlich, wie gut sich die Gegner der AFD mit den rechtsbraunen Gepflogenheiten auskennen.

  10. 7.

    "Andreas Wild kenne ich nur aus einem Interview mit dem linken Youtuber "Martin Lejeun" - also Berührungsängste auch mal mit ihm gegenüber kritisch eingestellten Journalisten zu reden hat er nicht."

    Linker Youtuber? kritisch eingestellten Journalisten? Man kann sich Realitäten aber auch zurechtbiegen. Lejeun ist weder "linker Youtuber", noch kritischer Journalist.

    Coronaleugner, Holocausleugner und Erdogan Anhänger. Ich denke mal Wild und Lejeun haben vieles gemeinsam, zumindest mehr gemeinsam als sie trennt.

  11. 6.

    Natürlich nimmt die Anhängerschaft der rechtsextremen AfD diesen plumpen Ablenkungsversuch dankbar auf und erweitert ihn sogar noch mit eigenen whataboutism.

    Dann streut man auch noch Gerüchte aus der Boulevardpresse, die sich zum Schluß sogar selbst revidieren muß. In der bekannten Manier der Springerpresse. Da hat sich seit Wallraff nichts geändert.

    "Was Gregor D. und Claudio C. konkret vorgeworfen wird, ist noch unklar".

    Und die Schlußfolgerung "In diesem Staat scheint niemand, der was zu sagen hat, sich gegen die offenen kriminellen Drohungen zu wenden. Das wird mindestens beiläufig hingenommen" sind wieder einmal die falschen Behauptungen der gleichen Kreise, die Taten aus der rechtsextremen Szene regelmäßig verharmlosen.

  12. 5.

    ""Ich möchte nicht, dass bei mir Steine durchs Kinderzimmerfenster fliegen." Sagt Herr Maack. " Das kann ich gut verstehen. In diesem Staat scheint niemand, der was zu sagen hat, sich gegen die offenen kriminellen Drohungen zu wenden. Das wird mindestens beiläufig hingenommen. Beispiel dieser Tätergruppen, nicht nur Drohungen gegen Vermieter, die nächste Stufe sind Rohrbomben im "Kampf gegen Rechts", versteht sich:
    Tagesspiegel: " Im Zimmer des Tatverdächtigen Gregor D. (29) fanden die Beamten neun Rohrbomben und Chemikalien, die offenbar für den Bau von Sprengsätzen geeignet waren."
    BZ: "Auch Claudio C. (27), der Mitbewohner von Gregor D., konnte dann festgenommen werden...Politikwissenschaftler und Rechtsextremismusexperte Claudio C. arbeitete zuletzt als medienpädagogischer Leiter eines Kreuzberger Vereins. Bis 2019 war der Offenbacher laut eigener Vita Mitarbeiter bei der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. "

  13. 4.

    "Ich möchte nicht, dass bei mir Steine durchs Kinderzimmerfenster fliegen." Sagt Herr Maack. Eine sehr gesunde Einstellung, denn das wäre übelst gefährlich und ein Verbrechen. Über den Rechtsradikalen Andreas Wild sagt er: "Wild hat eine Reihe von guten Eigenschaften". Herr Wild schlug vor 'Flüchtlinge in „Lagern aus Bauholz“ in „entlegenen Gegenden“ unterzubringen, rumänische Roma sollten auf eine „griechische Insel“ verbannt werden. Weiter äußerte er, Menschen, die nicht lesen und schreiben könnten, in den Arbeitsmarkt integrieren zu wollen, sei „als ob ein Migrant bei Ihnen einbricht und sich an Ihrem Sofa festkrallt“ und verglich das muslimische Gebet mit öffentlichem Urinieren.' [Zitat aus Wikipedia]. Wenn nur der Herr Maack in der Lage wäre seine vernünftige Einstellung im Hinblick auf seine eigene Familie ein wenig zu verallgemeinern, dann wären er und sein "Kompetenz-Netz" vielleicht nicht ganz so rechtsradikal und verfassungsfeindlich.

  14. 3.

    Berührungsängste kennt Wild tatsächlich nicht.

    Im November 2018 erschien Wild bei der Gedenkstunde im Abgeordnetenhaus zum 80. Jahrestag der Reichspogromnacht und im Anschluss am Holocaust-Mahnmal mit einer blauen Kornblume am Revers seines Jacketts, wodurch sich viele der Anwesenden provoziert fühlten. Die blaue Kornblume wurde unter anderem auch von der antisemitischen Schönerer-Bewegung verwendet und war in den 1930er Jahren ein Erkennungsmerkmal der in Österreich verbotenen NSDAP.

  15. 2.

    "Allem Anschein nach handelt es sich hier um den Versuch, den aufgelösten Flügel in Berlin unter einem neuen Label wiederzubeleben", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Frank Hansel, dem rbb. "

    Welche Auflösung? Der faschistische und völkisch-nationale "Flügel" existiert weiterhin.

    Selbst die verblendesten AfD Jünger können nicht übersehen wie sich die AfD zwischen Rechtsextremen auf der einen Seite, gerne als "gemäßigt" bezeichnet und dem faschistischen und völkisch-nationalen "Flügel" aufreibt.
    Die AfD in Brandenburg befindet sich schon fest in der Hand des faschistischen und völkisch-nationalen "Flügel", wie man an den Personalien sehen kann.

  16. 1.

    Politischer Pluralismus , solange es überschaubar bleibt, ist eine gute Sache, wie auch die innerparteiliche Kontrolle, solange es kein Hauen und Stechen wird. Und mit den Medienpräsentationen einer Partei ist wie mit den Ordnern auf dem Rechner: mal ist es überrsichtlicher, viele Ordner auf einer Ebene zu haben, mal nur wenige Oberordner mit nachfolgenden Ordnungsebenen.
    Andreas Wild kenne ich nur aus einem Interview mit dem linken Youtuber "Martin Lejeun" - also Berührungsängste auch mal mit ihm gegenüber kritisch eingestellten Journalisten zu reden hat er nicht.

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