Fürstenberg in Brandenburg - Wenn die Schul-Digitalisierung aus dem privaten Keller kommt
Wie wichtig digitales Lernen an Brandenburger Schulen ist, zeigt sich in der Corona-Krise deutlich: Ohne gute Internetverbindung und die nötige Ausrüstung kann der Fernunterricht nicht klappen. In der Realität wird vor allem improvisiert. Von Stefanie Brockhausen
René Mertens wollte es schwarz auf weiß haben. Deshalb startete der Landeselternsprecher kürzlich eine Umfrage zum Thema digitales Lernen unter Brandenburger Eltern. 5.000 meldeten sich zurück und teilten ihre Erfahrungen. Nun hat Mertens ein buntes Tortendiagramm vor sich. Es zeigt ein dreigeteiltes Land: "Wir haben eine Spitzengruppe, ein gutes Drittel der Schulen, wo es gut bis sehr gut funktioniert", sagt Mertens. "Dann haben wir ein Drittel, wo es mittelmäßig funktioniert. Und ein Drittel, das wirklich abgehängt ist."
Veraltete Technik, langsames Internet, zu wenig Geld
Was das im Schulalltag bedeutet, dürfte vielen Eltern allzu bekannt vorkommen. "An einem Montagvormittag geht das Postfach der Kinder auf", erzählt Mertens. "Da werden dann 30 bis 40 Seiten von der Schule geschickt und die Schüler müssen es dann allein bearbeiten. Im Optimalfall können sie es wieder hochladen, Feedback kommt höchst selten." Mit Glück könne man die Lehrer eine Stunde pro Woche im Videochat befragen. "Und wenn man Pech hat, nur von 16 bis 17 Uhr."
Es ist gelebte Improvisation. Viele Schulen in Brandenburg hinken bei der Digitalisierung hinterher. Die Gründe dafür sind vielfältig: veraltete Technik, langsames Internet, zu wenig Geld. Viel hängt davon ab, wie die Schulen und Schulträger sich selbst helfen können, finanziell oder personell.
Aus Sicht des IT-Experten Daniel Domscheit-Berg sind auch die komplizierten Verwaltungsprozesse ein Problem, zum Beispiel bei der Beschaffung. Zu wenig Entscheidungsfreude, zu wenig Ergebnisorientiertheit: Das sei nicht der richtige Weg, so Domscheit-Berg. "Da müsste man eine kleine Truppe haben aus technikversierten Leuten, die gemeinsam mit Schulleitern und Leuten vom Schulamt zusammenarbeiten und überlegen: Was sind die Anforderungen aus dem Alltag? Und welche Lösungen gibt es, die schnell und unkompliziert werden können?"
Wenn in drei von vier Haushalten kein Drucker steht
Eine solche Strategie könnte auf Landesebene entwickelt und dann auf dezentraler Ebene umgesetzt werden, so Domscheit-Berg, etwa für jedes Schulamt oder jeden Landkreis. Dafür bräuchte es auch gar nicht viele Leute. Entscheidend seien eben die Erfahrung im Schulalltag und die technische Erfahrung. Dann könne man an Lösungen arbeiten.
Aktuell klafften Plan und Realität noch viel zu oft viel zu weit auseinander, sagt der Informatiker. Das habe sich auch in seinem Wohnort Fürstenberg gezeigt. "Wir haben zu Beginn der Pandemie mit der Grundschule in Fürstenberg ein paar Umfragen gemacht bei Schülern. Dabei ist erstmal bewusst geworden, wie wenige Drucker es eigentlich gibt - und darüber hatte am Anfang niemand nachgedacht." Weniger als ein Viertel der Haushalte hätte einen Drucker zuhause, das habe überhaupt niemand erwartet. "Aber es braucht diese Fragen und es braucht Leute, die diese Probleme im Alltag verstehen. Die können dann zusammengebracht werden mit technischen Lösungen."
Privates Rechenzentrum im Keller
In Fürstenberg, so Domscheit-Berg, funktioniere das an vielen Stellen schon recht gut. Sicher hat das auch viel mit ihm selbst zu tun. "Wir fackeln hier nicht lange", sagt er. Im Keller seines Hauses hat er ein Rechenzentrum eingerichtet und stellt technische Infrastruktur zur Verfügung, etwa für Videokonferenzen. "Bei mir rufen sehr oft Lehrerinnen und Lehrer an, etwa aus Potsdam. Sie haben gehört, dass es bei uns Videokonferenz-Systeme gibt, die nicht überlastet sind, und fragen ob sie die auch benutzen können. Ist doch komisch, dass sich das erst von Lehrer zu Lehrer rumsprechen muss."
Es gebe viele gute und kreative Lösungen für einzelne Probleme, so Domscheit-Berg, auch in Brandenburg. Man müsse nur dringend mehr darüber reden.