Bausenator Scheel - Zahl der Sozialwohnungen soll in Berlin seit langem wieder steigen

Mo 22.02.21 | 17:28 Uhr
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Hochhäuser in Spandau, Berlin (Quelle: dpa/Schoening)
Audio: Inforadio | 22.02.2021 | Thorsten Gabriel | Bild: dpa/Schoening

Wegen der Corona-Pandemie stagniert die Einwohnerzahl in Berlin. Doch Bausenator Scheel glaubt, dass sich das wieder ändert und setzt deshalb auf Neubau - in der ganzen Stadt und auch mit Holz. Erstmals steigt wohl auch die Zahl der Sozialwohnungen wieder.

Erstmals seit Jahren soll die Zahl der Sozialwohnungen in Berlin wieder zunehmen. Das stellte der Berliner Stadtenwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) am Montag bei seiner Jahrespressekonferenz in Aussicht.

Mit etwas mehr als 97.000 Sozialwohnungen würde Berlin am Ende dieses Jahres knapp 1.500 mehr zählen als im vergangenen Jahr. Scheel spricht dabei von einer Trendwende. Denn jahrelang fielen mehr alte Wohnung aus der Sozialbindung heraus als neue gebaut wurden.

Ziel: Zahl der Sozialwohnungen stabilisieren

Zwar nehme die Zahl der alten Sozialwohnungen weiterhin ab, dafür aber lege Berlin bei der Neubauförderung zu, sagte Scheel. Läuft es nach Plan, werden in diesem Jahr mehr als 8.000 Wohnungen neu gefördert. Ziel ist laut Scheel, die Zahl der Sozialwohnungen berlinweit bei 100.000 zu stabilsieren. Das wäre deutlich unter dem Niveau von vor zehn Jahren, als es noch fast 150.000 Sozialwohnungen gab.

Rund 50.000 Wohnungen sollen zeitnah entstehen

In der aktuellen Wahlperiode habe man die planerischen Voraussetzungen für die Zukunft Berlins geschaffen, sagte der Senator. Seit 2016 seien durch Änderungen beim Flächennutzungsplan Bauflächen für 50.000 neue Wohnungen ausgewiesen worden. In 16 neuen Stadtquartieren in der gesamten Stadt sollen in naher Zukunft 50.700 Wohnungen entstehen. Davon sind Scheel zufolge 12.000 bereits fertig oder im Bau, für rund 3.200 sei der Baubeginn in diesem Jahr geplant, für 19.000 zwischen 2022 und 2026.

Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften legen zu

Scheel wies auf die Rolle der sechs Berliner Wohnungsbaugesellschaften wie Gewobag und Degewo beim Wohnungsbau hin: Sie hätten die Zahl fertiggestellter kommunaler Wohnungen zuletzt kontinuierlich von rund 1.300 im Jahr 2016 auf 5.792 im vergangenen Jahr gesteigert.

Das sei ein enormer Kraftakt gewesen, sagte Scheel. Durch Neubau und Ankauf sei der Bestand im gleichen Zeitraum um rund 38.500 Wohnungen gewachsen. Damit verfügten die sechs Gesellschaften inzwischen über 336.238 Wohnungen.

Diese Zahl soll nach dem Willen des Senats weiter steigen. Anfang 2017 seien bei den sechs Gesellschaften rund 33.000 Wohnungen in Planung oder im Bau gewesen, aktuell seien es bereits 63.000.

Berlin setzt beim Neubau auf Holz

Beim Bauen werde Berlin nicht zuletzt aus Klimaschutzgründen immer mehr auf Holz setzen, kündigte Scheel an. Dieser Baustoff habe neben der Nachhaltigkeit auch den Vorteil, dass sich damit die Bauzeit verkürzen lasse. Der Senator wies auf erste Grundschulen in Holzbauweise hin, die bereits fertiggestellt seien.

Mehrere ähnliche Bauprojekte in Berlin starten in diesem Jahr. Noch seien die Kosten allerdings höher als beim konventionellen Bauen. Vorzeigeprojekt soll das neue Schumacher-Quartier im östlichen Teil des ehemaligen Flughafens Tegel werden, nachdem dort im November die letzten Maschinen abgehoben haben: Geplant sind mehr als 5.000 Wohnungen in Holzbauweise.

Kritik vom Berliner Mieterverein

Deutliche Kritik äußerte der Berliner Mieterverein am Montag: Die Einführung des Mietendeckels zur Begrenzung der Mieten vor einem Jahr habe eine Trendwende beim Mieterschutz eingeleitet. Auch der Zuwachs an städtischen Wohnungen sei eine beachtliche Leistung, so der Geschäftsführer des Mietervereins, Reiner Wild. Doch für Haushalte mit durchschnittlichem und niedrigem Einkommen habe sich bei der Wohnungssuche kaum etwas geändert. Die neugebauten Wohnungen der landeseigenen Gesellschaften seien kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch der geplante Baubeginn von weiteren gut 22.000 Wohnungen in den 16 neuen Stadtquartieren innerhalb der nächsten sechs Jahre werde daran wenig ändern.

Opposition und Wohnungswirtschaft haben dem Berliner Senat immer wieder vorgeworfen, es gehe beim Neubau nicht schnell genug voran. Das vor einem Jahr in Kraft getretene Mietendeckel-Gesetz bremse die Branche zusätzlich aus.

Einigkeit besteht darüber, dass in Berlin nach wie vor Tausende von Wohnungen fehlen und die Wohnungsknappheit ein wesentlicher Grund für die in den vergangenen Jahren erheblich gestiegenen Mieten ist. Der Wohnungsbau dürfte im Berliner Wahlkampf also ein großes Thema bleiben.

Einwohnerzahl von 3,9 Millionen erwartet

Der Senat rechnet auch weiterhin damit, dass die Einwohnerzahl Berlins steigt. Trotz einer pandemiebedingten Delle bei der Bevölkerungsentwicklung im letzen Jahr hält Scheel es weiter für realistisch, dass die Einwohnerzahl Berlins bis 2030 auf mehr als 3,9 Millionen Menschen steigt.

Sendung: Inforadio, 22.02.2021, 14.20 Uhr

14 Kommentare

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  1. 14.

    Erst verscherbelt Berlin sein Tafelsiber - arm aber sexy war ja toll. Jetzt wird geheult, weil nur das "aber" übriggeblieben ist. Irgendwie komisch. War das nicht die gleiche Liga "damals"?
    Der Autofahrer soll vorausschauend fahren. Kann der Politiker nicht mal vorausschauend denken?

    Ein kurzer Abriss:
    https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/immobilien/neubau-in-berlin-als-das-tafelsilber-verkauft-wurde/13019974-2.html

  2. 13.

    Berlin braucht NEUE Wohnbauten. Finanziert durch Steuergelder(öffentliche Subventionen für Sozialwohnungen und landeseigene Baugesellschaften) Oder finanziert durch private Bauinvestoren? MIT Rendite für Instandhaltungen und Modernisierungen, aber OHNE Rendite für Spekulationen.

    Berlin braucht aber auch NEUE Gewerbebauten und NEUE Grünflächen.

    Was ist eigentlich mit dem Berliner Umland? Bietet es keine zusätzlichen Bau- und Grünflächen? Kann es nicht zusätzlich verkehrlich erschlossen werden? Es lebe der „Großraum Berlin“!

    Was sollte die Berliner Baupolitik unterstützen, Herr Bausenator? Wie wollen Sie in Berlin dem „Allgemeinwohl“ dienen? Wie können Sie den Wohnungssuchenden helfen? Wie können Sie zur Erhöhung der Lebens- und Wohnqualität in und um Berlin beitragen? Reichen dafür das „Mietendeckelgesetz“ und die damit erzeugte „soziale“ Empörungskultur aus?

  3. 12.

    Also es gibt genügend freie Wohnungen, nur werden die nicht vermietet. Bestes Beispiel ist ein Gebäude in Schöneberg, 6 Wohnungen stehen mittlerweile leer, eigentlich alle nur mit WBS beziehbar, doch der neue Eigentümer vermietet lieber nicht, da kommendes Jahr die Bindung ausläuft, somit er nicht mehr an die Bindung gehalten ist.... dann schön viel teurer neu vermieten nach sog Sanierung. Und was macht der Senat? Nichts.... ach ja, formell muss der Eigentümer freie Wohnungen melden, aber wer kontrolliert das schon.... solange sowas möglich ist, wird das nichts.
    Achtjährige, sind 3 Rollstuhlwohnungen und 3 mal 3,5 Zimmer Wohnungen mit 95 qm Wohnraum und würden normal 980 Euro kosten. Soviel dazu....

  4. 11.

    Wenn Sie meinen, Berlin sei voll und Neubau nicht mehr tragbar, dann seien Sie doch wenigstens so konsequent, sich mit steigenden Mieten abzufinden. Den Zuzug, gerade auch von besserverdienenden Fachkräften nach Berlin werden Sie nicht stoppen können und genau diese sind es, die steigende Mieten locker wegstecken können. Vermieter nehmen, so wie alle anderen Anbieter von Waren und Dienstleistungen auch, genau den Betrag, den sie maximal erzielen können. Und genau das passiert gerade in Berlin - nennt sich Gentrifizierung. Eine solche ist nur bei Mangel von Wohnraum überhaupt möglich, weil sonst Vermieter mit zu hohen Preisen ihre Wohnung schlicht nicht an den Mann bringen können. Es bleibt daher nur der Neu- oder Ausbau. Berlin muss sich aber überlegen, ob es nicht sinnvoller wäre, wieder mehr in die Höhe als in die Fläche zu bauen. Mit durchschnittlich einem Stockwerk mehr, könnte Berlin ca. 20% mehr Wohnraum generieren.

  5. 10.

    "Es geht nicht an, daß durch Modernisierungen und Luxusmodernisierungen teure Wohnungen aus bezahlbaren Wohnungen erzeugt werden..." Sie haben aber schon mitbekommen, dass dies mit Änderung des BGB bereits vor drei Jahren unterbunden wurde? Seitdem können Mieten selbst bei Luxussanierung nur noch um zwei Euro ja Quadratmeter (in wenigen Ausnahmen drei Euro) steigen. Damit ist der Attraktivität längst der Boden entzogen, durch extra teure Modernisierungen die bisherigen Mieter zum Auszug zu bewegen. Sie argumentieren also mit völlig veralteten Argumenten. Sanierungen lohnen sich für Vermieter heute in der Regel nur noch bei Neuvermietungen, nicht im Bestand.

  6. 9.

    Ihr Kommentar klingt vielleicht im ersten Moment gut, ist jedoch absolut kontraproduktiv und realitätsfern. Selbst wenn ein privater Investor 70% der Wohnungen preisgebunden anbieten könnte/würde, müssten die restlichen 30% mit deutlich erhöhten Mieten diese Kosten quersubventionieren (bisher ist es genau umgekehrt, und das ist schon extrem teuer für die nicht-preisgebundenen Mieter). Da der preisgebundene Wohnraum nicht in die Vergleichsmieten einfließen darf (Bundesrecht!), würden die neuen nicht preisgebundenen Mieten sofort den Mietenspiegel in astronomische Höhen treiben, was in der Folge die Mieten für alle restlichen Mieter nach oben treibt. Sie würden mit Ihrer Idee also genau das Gegenteil von dem erreichen, was Sie anstreben.
    (Ja, mir ist bekannt, dass im Moment noch der Mietendeckel diesen Mechanismus weitgehend verhindert, der wird aber nicht ewig Bestand haben.)

  7. 8.

    der Begriff Gentriefizierung ist nun schon seit 20 Jahren in aller Munde. Inzwischen sind die Bösen von Damals die die heute Schutz verlangen. Bezahlbar ist etwas wenn das Geld das Ihnen zur Verfühgung steht ausreicht, hilfreicher ist mehr erarbeiten oder höheres Einkommen.Die Wahrheit ist das Nichts ewig hält. So auch die Wohnungen die vor 50-70 Jahren errichtet wurden. Etliche Materialien haben bei noch so guter Pflege ihre Haltbarkeit überschritten. Das ist überall zu sehen.

  8. 7.

    "setzt deshalb auf Neubau - in der ganzen Stadt und auch mit Holz." Also bis jetzt sehe ich nur das Hellersdorf und Marzahn zugepflastert wird und jede noch so kleine Grünfläche Beton weicht! Die beiden Bezirke steigen gerade vom grünen Bezirk zu einer Betonwüste auf! Wir brauchen keine neuen Wohnungen! Berlin ist voll und gut ist! Und wenn voll dann macht man die Tore zu! Das ist wie bei der BVG, da werden auch nicht mehr Züge eingesetzt, wenn voll dann voll!

  9. 6.

    Es sind nicht Mieterinitiativen, die den Neubau bezahlbarer Wohnungen verhindern wollen, sondern eher Eigenheimbesitzer, die nun das neue Mehrfamilienhaus um Himmelswillen ja nicht in der eigenen Straße sehen wollen. Das könnte ja den Wohnwert des Viertels (sprich den Spekulationswert der eigenen Immobilie) beeinträchtigen.

  10. 5.

    Steht nur zu hoffen, daß man daran denkt, wie hoch der Anteil der WBS-berechtigten Miethaushalte in Berlin ist: wie man hört man die 70%. Daran muss sich jeder Neubau orientieren. Wenn dies eine Immobiliengesellschaft nicht leisten kann, sollte sie auch kein Bauland bekommen, und auch nicht abreißen dürfen.

    Und es wird höchste Zeit, daß endlich die Anzahl der bezahlbaren Wohnungen stabilisiert wird. Es geht nicht an, daß durch Modernisierungen und Luxusmodernisierungen teure Wohnungen aus bezahlbaren Wohnungen erzeugt werden, aber ohne jeden Ersatz für diese. Damit fängt ja Gentrifizierung an.

  11. 4.

    Ich hoffe, dass der Neubau weiter an Fahrt gewinnt! Nur so lässt sich die Wohnungsnot lindern. Das sollten auch die vielen Bürger*inneninitativen endlich mal verstehen, die gerne den Bau günstiger Wohnungen verhindern, weil sie Verschattung oder Verkehr fürchten. In meinen Augen ziemlich egoistisch, wenn man selbst eine Wohnung hat, während andere verzweifelt suchen!

  12. 3.

    Bauen ist schlecht fürs Klima, also bleibt in euren Dörfern.
    Defend Dorfplatz!

  13. 2.

    Hier im Südosten sind recht viele Wohnungen entstanden. Nur sehr wenige sind für kleine Einkommen erschwinglich. Die freien Flächen sind nun verbaut! Mit Häusern, die sich an der Umgebung orientieren, also Dorf bleibt Dorf. Berlin hat es vor 100 Jahren geschafft, die heute so beliebten Gründerzeit-Häuser und auch Mietskasernen zu bauen. Die Stadt ist gewachsen. Wohin will Berlin wachsen? Die Flächen sind weg, es bleibt nur die Höhe. Hätten die Bauprojekte der letzten Jahre und der gerade Enstehenden ein/zwei Etagen draufgesetzt, wäre mehr Raum für weitete Pläne geblieben.
    Flächenversiegelung gegen Höhenluft. Das letztere finde ich besser.
    Bauplanung nach 2026?

  14. 1.

    Dann wollen wir mal hoffen das die neuen Sozialwohnungen auch der arbeitenden Bevölkerung vorbehalten bleibt, damit diese weiterhin arbeiten können.

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