Landesparteitag der Berliner AfD - Showdown in der Nutztierhalle: AfD wählt neuen Landesvorstand

Die Berliner AfD wählt am Samstag auf ihrem Landesparteitag einen neuen Vorstand. In den anderthalb Jahren ohne ordentlichen Parteitag hat sich ein harter Lagerkampf entwickelt. Er gipfelt in der Kampfkandidatur von Kristin Brinker gegen zwei Altvordere. Von Agnes Sundermeyer
Der Ort ist skurril, der Machtkampf real. In einer Halle im Havelland, in der sonst Landwirtschaftsmaschinen oder Nutztiere ausgestellt werden, wählt die Berliner AfD am Samstag einen neuen Landesvorstand.
In der Kulisse des "Erlebnispark Paaren" in Schönwalde könnte sich ein filmreifes Drehbuch abspielen. Denn der Lagerkampf, der sich in der AfD seit der Wahl ins Berliner Abgeordnetenhaus im Jahr 2016 entwickelt hat, ist mit der bevorstehenden Wahl zum Landesvorstand an seinem Höhepunkt.
Am Dienstag hatte die Abgeordnete Kristin Brinker angekündigt, gegen die beiden Altvorderem Georg Pazderski und Beatrix von Storch zu kandidieren. Damit hat sie das Gegenlager kalt erwischt. Brinker schart Unterstützer um sich, die mit dem Führungsstil und dem gemäßigten politischen Kurs des sich bürgerlich-konservativ gebenden Georg Pazderski schon lange unzufrieden sind.
Brinker weiß "Flügel-Anhänger" hinter sich
Auf ihrer Seite sind auch die maßgeblichen Vertreter des offiziell aufgelösten, rechtsextremen Flügels in Berlin. Die Abgeordnete weiß, wie wertvoll diese Unterstützung bei der bevorstehenden Wahl ist. Natürlich habe sie Unterstützer, "die dem Flügel zuzurechnen sind", die "müsse man mitnehmen", sagt die 49-Jährige. "Wir können die Leute nicht ausschließen, im Gegenteil. Wir müssen versuchen, mit denen konstruktiv zusammenzuarbeiten."
Auch etwa die Hälfte der Fraktionsmitglieder ist auf Brinkers Seite. In der Fraktion ist sie Kopf des Widerstandes gegen den Vorstand um Georg Pazderski. Schon lange schwelt dort ein Streit, unter anderem um ein Gutachten zu den Finanzen der Fraktion.
AfD vor selbstgemachtem Dilemma
Dass diese seit langem vertieften Gräben jetzt zur Kampfkandidatur Brinkers führen, stellt die AfD im Superwahljahr vor ein selbstgemachtes Dilemma. Im Wahlkampf ist sie bereits im Hintertreffen. Während alle anderen Parteien schon Spitzenkandidaten präsentieren, muss sie erst noch einen ordentlichen Vorstand wählen. Erst dann kann sie einen Spitzenkandidat küren.
Wann das sein wird, ist unklar. Denn die AfD konnte zuletzt über anderthalb Jahre keine Parteitage organisieren. Laut des Landesverbandes war es unmöglich, einen geeigneten Raum zu finden. Der Streit lähmt die Berliner AfD nun zusätzlich. Mitglieder sind genervt. Es werde schwer, genug motivierte Leute für den Straßenwahlkampf zu finden, heißt es aus Parteikreisen. Auch zu Mitgliederaustritten hat der Lagerkampf schon geführt.
Dazu kommt die drohende Einstufung der AfD als rechtsextremer Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz. Das Gutachten des Bundesamtes soll nach Recherchen des "Tagesspiegel" auch Äußerungen von Georg Pazderski und Beatrix von Storch zitieren.
Pazderski betont zurückhaltend
Ausgerechnet Georg Pazderski hatte bis vor ein paar Tagen noch gegen das "Brinker-Lager" gekoffert und seine Kontrahentin als eine "Marionette des ehemaligen Flügels" bezeichnet. Nun gibt er sich kurz vor dem Parteitag betont zurückhaltend. "Nach vorne schauen" müsse man jetzt, so wird es der Fraktionschef nicht müde zu betonen. "Wenn wir weiterhin Grabenkämpfe machen, dann werden wir diese Partei nicht weiter erfolgreich halten", sagt er. Deshalb appelliere er "an alle, die sich gegen mich in Stellung gebracht haben: Bitte lasst das sein."
Konflikt schwächt AfD im Wahljahr
Dass die Partei sich mit dem offen entbrannten Konflikt im Wahljahr selbst schwächt, weiß auch Pazderskis Mitstreiterin, Beatrix von Storch. In der Landwirtschaftshalle in Paaren ist sie 2017 zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl gekürt worden. In der Bundesfraktion ist sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Für den Landesverband habe sie nie viel Zeit übrig gehabt, so die Kritik. Ihre Bühne sei der Bundestag.
Von Storch lässt sich nicht zu Gefühlsäußerungen über den zu erwartenden Showdown wegen der Kampfkandidatur von Kristin Brinker hinreißen. Eine Gegenkandidatur sei bei einer Wahl schließlich "guter demokratischer Brauch", sagt von Storch. Da könne "jeder antreten, und das wird der Parteitag dann am Ende entscheiden. Alles gut." Sie spielt die Karte der erfahrenen ehemaligen Landesvorsitzenden. Angesichts der "großen Herausforderungen im Wahljahr ist ein eingespieltes Team wichtig, und das trifft auf Herrn Pazderski und mich auf jeden Fall zu".
Knappes Wahlergebnis erwartet
Es könnte eine knappe Wahl zum Landesvorsitz werden. Beide Lager haben ihre Unterstützer unter den Delegierten in Stellung gebracht. Der Parteitag am Samstag ist wie kein zweiter in der Geschichte der Berliner AfD richtungsweisend. Wie erfolgreich sie im Wahljahr sein wird, hängt maßgeblich davon ab, ob der oder die zukünftige Landesvorsitzende es noch schaffen kann, die AfD geeint in den Wahlkampf zu führen.
Sendung: Abendschau, 12.03.2021, 19:30 Uhr
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