Berlin - Täter bei häuslicher Gewalt oft polizeibekannt

Mi 10.03.21 | 18:48 Uhr
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Mann läuft auf einem Gehweg (Quelle: imago-images/Jochen Tack)
Bild: imago-images/Jochen Tack

Die allermeisten Tatverdächtigen bei Fällen von häuslicher Gewalt in Berlin sind bereits polizeibekannt. Das teilte der Senat in einer parlamentarischen Anfrage des fraktionslosen Abgeordneten Marcel Luthe mit, die dem rbb vorliegt. Demnach wurden 2020 mehr als 1.300 Straftaten gegen das Gewaltschutzgesetz verzeichnet, in fast 94 Prozent der Fälle waren die Täter männlich.

Laut Senatsangaben waren von den rund 1.300 Tatverdächtigen im Jahr 2020 rund 1.270 zuvor bereits wegen häuslicher Gewalt oder anderer Vergehen polizeilich in Erscheinung getreten. Luthe kritisiert in diesem Zusammenhang, dass die Jugendämter häufig dennoch nicht den Umgang der Täter mit ihren Opfern – oft Partner oder Ex-Partner - und den gemeinsamen Kindern konsequent einschränken oder unterbinden. "Häusliche Gewalt klingt schon zu verharmlosend", so Luthe. "Wir sprechen oft von psychischer Manipulation, brutaler Gewalt und Vergewaltigungen - und das im eigenen Heim."

Luthe: Tätern werde es leicht gemacht

Aus Sicht des ehemaligen FDP-Politikers ist die Gefahr, die von vielen Tätern ausgeht, aufgrund ihrer Vorgeschichte frühzeitig erkennbar. Dennoch würde ihnen zu oft der Zugriff auf ihre Opfer erleichtert. "Die Jugendämter spielen hier eine unrühmliche Rolle", so Luthe. "Wer zu Gewalt gegen den eigenen Partner greift, kann auch sein Kind nicht gewaltfrei erziehen. Hier müssen die Jugendämter die Opfer der Gewalt schützen und dürfen nicht den Tätern helfen, indem sie Kontakt zwischen Täter und Opfer zum angeblichen Kindeswohl verlangen."

Die zuständige Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie weist darauf hin, dass die Jugendämter bei Fällen von häuslicher Gewalt das Wohl von möglicherweise betroffenen Kindern besonders im Blick haben. "Im Rahmen des Kinderschutzes ist häusliche Gewalt ein wesentlicher Indikator für eine Kindeswohlgefährdung." Es gebe zahlreiche Beratungs- und Hilfsangebote, die man den Eltern unterbreiten würde. Juristische Handhabe gegenüber den gewalttätigen Partnern habe das Jugendamt aber nicht. "Entscheidungen über ein gemeinsames Sorge- oder bestehendes Umgangsrecht treffen grundsätzlich die Familiengerichte."

97 Fälle von Mord und Totschlag seit 2015

Am häufigsten kommt es bei häuslicher Gewalt zu Fällen von einfacher oder gefährlicher Körperverletzung. Insgesamt 97 Fälle von Mord oder Totschlag wurden seit 2015 gezählt. Deutlich seltener, nämlich vier Mal, kam es zu Körperverletzung mit Todesfolge. Fast 800 Mal wurden sexuelle Straftaten im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt registriert, von sexueller Nötigung bis Vergewaltigung. In den allermeisten Fällen waren die Opfer Frauen.

Laut aktuellen Zahlen der Gewaltschutzambulanz an der Berliner Charité gab es im Zusammenhang mit dem zweiten Corona-Lockdown eine höhere Zahl an Gewaltopfern. Insgesamt registrierte die Einrichtung im vergangenen Jahr acht Prozent mehr Fälle als noch im Jahr 2019. Von den 1.661 Gewaltopfern, die sich in der Ambulanz gemeldet haben, waren 900 Frauen und 352 Männer. Die Zahl der Kinderfälle in der Gewaltschutzambulanz stieg um 14,4 Prozent auf 405 Fälle.

8 Kommentare

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  1. 8.

    Mich stört, dass Berichte über häusliche Gewalt ausschließlich gegen Frauen durch Männer also „Täter“ , „Partner“ und „Expartner“ fokussiert wird. Es gibt unstreitig auch häusliche Gewalt, die durch Frauen begangen wird, auch gegen den Partner oder/und die Kinder. In Berlin hat die „innerfamiliäre/partnerschaftliche“ Gewalt gegen Männer ebenfalls zugenommen (Stand: 30. November 2020). Hilfsangebote, wie sie für von Gewalt betroffenen Frauen durch Bund und Länder zur Verfügung gestellt werden (z.B. Schutzplätze, Notunterkünfte, Frauennotruf, Frauenhäuser, Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen, zahlreiche Beratungsstellen und Beratungsangebote uvm), gibt es für Männer, die ebenfalls Opfer von derartigen Gewalthandlungen sind, nicht. Nach dem Gewaltschutzgesetz sollen aber alle Personen (egal welchen Geschlechts) vor Gewalt, insbesondere häuslicher Gewalt geschützt werden.

  2. 7.

    Lieber Herbert, können wir uns darauf einigen, dass es egal ist wer die Gewalt verübt solange sie endlich effektiv gestoppt wird? Ist mir egal, wer mich in meinem eigenen Heim bedroht und zusammenschlägt. Er/Sie/Es soll damit aufhören. Darum geht es. Leben werden durch Gewalt nachhaltig ge- und zerstört. Körperliche Gewalt geht auch immer mit psychischer Gewalt zusammen und wirkt ein Leben lang nach (ja, auch mit Therapie). Bitte nicht das wahre Problem mit sinnlosen Geschlechterdebatten wegwischen. Danke dir für dein Verständnis und alles Gute für dich. Ich hoffe du musst niemals Gewalt erfahren. Und schon gar nicht daheim, denn das ist einfach nur schrecklich.

  3. 6.

    Ich glaube nur der Statistik, die ich selber gefälscht habe. Die Zahl 94% der Täter bezweifel ich. In dem Artikel von RBB24 der Berliner Gewaltambulanz sind 900 Frauen und 352 Männer Opfer von häuslicher Gewalt. Und das macht 28%. Natürlich kann es sein, daß einige männlichen Opfer häusliche Gewalt durch Männer erlebt haben, aber 28% chwule Beziehungen gibt es nicht. Also bleiben auf jedenfall Frauen als Täterinnen. Außerdem habe ich schon mit einigen männlichen Opfern von häuslicher Gewalt durch Frauen telefoniert.

  4. 5.

    Ruhig Blut Herbert! Vor dem Pöbeln erstmal Zahlen genau lesen und verstehen (lernen). Zudem steht in dem Beitrag nirgendwo geschrieben, dass die 6% Differenz aus Frauen bestehen die Männern Gewalt antun. Das kann sich genauso gg. Kinder richten. Andere Möglichkeiten wurden hier auch schon beschrieben..

  5. 4.

    Ganz so logisch ist das nicht. Denn auch männliche Kinder könnten von ihren Vätern geschlagen werden. Und jeder Mann auch von seinem Lebensgefährten

  6. 3.

    Ihre Einlassung überrascht. Die Zahlen im Artikel sagen im Berliner Fall sind 94% der Täter sind Männer. Haben Sie das nciht gelesen? Die 28% mögen in einer anderen Statistik stehen, hier ist das schlicht falsch.

  7. 2.

    Man könnte die Istanbul-Konvention auch in Deutschland konsequent umsetzen. Und das ausgerechnet die FDP sich mal nicht vor jeden armen Papi stellt, überrascht doch etwas.

  8. 1.

    Natürlich sind der Polizei die Täter bekannt, und was ist mit den Täterinnen? Wann kapiert endlich selbst der RBB24 das 28% der Opfer von häuslicher Gewalt Männer sind. Daß heißt also, das es auch Täterinnen gibt.

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