Analyse | Lobbyregister für Berlin - Raus aus dem Hinterzimmer
Lobbyisten haben keinen guten Ruf. Auch, weil viele im Verborgenen Einfluss nehmen. Das soll sich bald ändern. Ein Lobbyregister im Bund gibt es schon, am Donnerstag berät das Berliner Abgeordnetenhaus über ein eigenes. Hält es, was es verspricht? Von Florian Eckardt
Politik zu verstehen, ist gar nicht so einfach. Politik zu durchschauen, ist für viele unmöglich. Transparenz in der Berliner Gesetzgebung? Fehlanzeige, wenn man Transparency International glaubt: "Oft sind gar keine Regeln vorhanden oder von schlechter Qualität." Was für alle Bundesländer gilt, trifft im Lobbyranking der Organisation auf Berlin besonders zu [lobbyranking.de]. Nur Mecklenburg-Vorpommern und Bremen schneiden demnach noch schlechter ab.
2016 hatten SPD, Linke und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, ein Lobbyregister einzuführen. Jetzt liegt ihr Entwurf vor [PDF, parlament-berlin.de], kurz vor Ende der Legislaturperiode. Auf den letzten Metern sozusagen. Am Donnerstag wird er ins Abgeordnetenhaus eingebracht. "Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, zu erfahren, wer mit welchen Inhalten an einem Gesetz mitgewirkt hat", sagt Benedikt Lux (Grüne), der an dem Entwurf mitgeschrieben hat.
Alles soll ans Licht
Gutachten, Stellungnahmen von Verbänden und Organisationen oder ungefragte Einzelmeinungen: Alles soll ins Lobbyregister eingetragen werden. Jeder soll im Internet nachlesen können, wann sich wer auf welche Weise gegenüber Abgeordneten, Fraktionen oder Senat geäußert, positioniert oder Einfluss genommen hat. Nicht weniger als das "weitreichendste Lobbyregister aller Bundesländer" verspricht Michael Efler (Linke), der das Gesetz ebenfalls vorangetrieben hat.
Tatsächlich geht der Berliner Entwurf weiter als das Ende März im Bundestag verabschiedete Lobbyregister. Das hatten Organisationen wie Lobbycontrol und Transparency International wegen vieler Ausnahmen als halbherzig bezeichnet [lobbycontrol.de]. Vor allem fehlte ihnen der sogenannte legislative Fußabdruck. Der listet nämlich auf, wann und wie jemand Einfluss auf ein neues Gesetz nimmt. Und dieser Fußabdruck ist auf Landesebene ausdrücklich vorgesehen. "Genau hier setzt Berlin an", lobt Timo Lange von Lobbycontrol gegenüber rbb|24. "Gut ist, dass auch schriftliche Eingaben transparent gemacht werden sollen, die nicht als Teil einer formellen Beteiligung getätigt werden."
Lobbyismus muss nicht schlecht sein
Das neue Register soll die Regeln ändern, aber Lobbyisten nicht verschrecken oder gar verteufeln. Stellungnahmen von Organisationen und Verbänden gehören zum politischen Prozess. Unterschiedliche Meinungen von Bürgerinitiativen, Vereinen oder Expertinnen werden regelmäßig in Anhörungen abgefragt. Eine Stigmatisierung der Interessenvertreter fürchten Frank Zimmermann (SPD) nicht: "Lobbyisten sind ja nicht per se problematisch, sondern – im Gegenteil – notwendiger Bestandteil des Interessensausgleichs bei der Gesetzgebung."
Gerade deshalb lobt Timo Lange von Lobbycontrol das Gesetz ausdrücklich: "Es ist ein entschiedener Schritt in die richtige Richtung. Im Ländervergleich setzt sich Berlin mit dem Gesetz unter die Spitzengruppe." Eine Sorge hat Lange allerdings: Lobbyisten sollen ihre Kontakte zu Abgeordneten, Fraktionen und Senat selbst offenlegen. Tun sie das nicht, droht ihnen allerdings keine Strafe. Ein Mangel im Berliner Gesetz, sagt Lobbycontrol.
Es bleibt Luft nach oben
Und auch jenseits des neuen Registers ist Offenheit im Berliner Politikbetrieb ausbaufähig. Noch immer kritisieren Transparenzinitiativen zwei wesentliche Punkte: Erstens, dass es keine Regeln für Senatsmitglieder und Staatssekretäre gibt, wann diese nach ihrer Amtszeit frühestens in die Wirtschaft wechseln dürfen. Zweitens, dass die Angaben über Nebeneinkünfte von Abgeordneten nicht detailliert genug sind.
Die Opposition, also CDU, AfD und FDP, unterstützt das Lobbyregister. Widerstand ist bei den kommenden Beratungen nicht zu erwarten. Vor der Sommerpause könnte das Lobbyregister endgültig im Parlament beschlossen werden. Nach der kommenden Abgeordnetenhauswahl im September soll es dann gelten. Auch, wenn SPD, Linke und Grüne ihr im Koalitionsvertrag selbst gestecktes Transparenzziel noch nicht vollständig erreicht haben, ist das Lobbyregister ein wesentlicher Schritt.