Walpurgisnacht in Berlin - Tausende demonstrieren am Mai-Vorabend in Wedding und Kreuzberg

Wegen Corona gelten für die Demonstrationen rund um den 1. Mai besondere Regeln. Trotzdem kamen in Berlin bereits am Vorabend tausende Menschen zu Protesten linker und feministischerer Gruppen. Die Aktionen an Walpurgis blieben weitgehend friedlich.
Rund 3.700 Demonstranten sind am Vorabend des 1. Mai in Berlin weitgehend friedlich auf die Straße gegangen. Im Wedding protestierten am Freitagabend laut Polizei rund 1.500 Menschen für gesellschaftliche Veränderungen und hielten dabei weitgehend die Corona-Regeln ein. Ein in Kreuzberg gestarteter Protest feministischer Gruppen gegen Patriarchat und Kapitalismus wurde von den Veranstaltern vorzeitig beendet.
Wie Polizeisprecherin Anja Dierschke dem rbb sagte, wurde zuvor aus dem Aufzug heraus mit Flaschen, Steinen und Eiern nach Polizisten geworfen. Verletzt worden sei dabei niemand. Es seien mit etwa 2.200 Teilnehmerinnen auch deutlich mehr gekommen als erwartet, so Dierschke. Die Anmelderin habe nur mit einigen hundert gerechnet.
Bei der Demonstration im Wedding wurden laut Polizei drei Menschen für kurze Zeit festgenommen. Grund waren demnach Beleidigungen und das Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Symbole. Linke und linksradikale Gruppen hatten unter dem Motto "Von der Krise zur Enteignung" zu dem Treffen aufgerufen. Viele Teilnehmer trugen Transparente mit Aufschriften wie etwa: "Die Reichen sollen zahlen", "Wohnraum, Betriebe und Krankenhäuser in unsere Hände" oder "Obdachlosigkeit beenden".
Laut skandiert wurde auch "Keine Rendite mit der Miete". Auf Balkonen und vom Dach eines Eckhauses wurden bengalische Feuer geschwenkt und Rauchtöpfe gezündet, als die Demonstranten vorbeiliefen. Nach dem Ende der Demonstration am S-Bahnhof Gesundbrunnen zerstreuten sich die Teilnehmer rasch.
Rund 2.200 Teilnehmerinnen bei feministischer Demo
Später am Abend starteten feministische Frauengruppen unter dem Motto "Take back the night - Wir nehmen uns die Nacht zurück" einen Demonstrationszug durch Kreuzberg. Die Organisatorinnen und Organisatoren hatten im Vorfeld zum Protest gegen patriarchale Gewalt aufgerufen: "ob nun als Belästigung auf der Straße, als Übergriff im Club oder als Gewalt in der Beziehung", hieß es.
Auf der Demonstration zu sehen waren Plakate mit Aufschriften wie "Sexismus geh sterben" oder "Lieber wütend als traurig! Gegen strukturelle Gewalt an Frauen". Laut Polizei haben in der Spitze rund 2.200 Demonstrantinnen an dem Protest teilgenommen. Die Polizei wies mit Lautsprecheransagen vereinzelt darauf hin, die Corona-Schutzregeln zu beachten.
Berliner Demonstrationen vor dem 1. Mai
Berlin steht ein Mai-Feiertag mit zahlreichen Demonstrationen bevor. Wegen der Corona-Pandemie gelten besondere Regeln. Die Polizei wird mit mehr als 5000 Kräften im Einsatz sein. Die Hoffnung ist, dass es so friedlich bleibt wie am Vorabend des 1. Mai.
Protestzug vorzeitig beendet
Der Zug mit vielen dunkel gekleideten Frauen aus dem linken Spektrum wurde auf dem Weg in den Stadtteil Friedrichshain zweimal gestoppt. Einmal sei auf das Einhalten der Abstände hingewiesen worden, das andere Mal habe die Polizei versucht, das Abbrennen von Pyrotechnik zu unterbinden, sagte Dierschke. Danach habe der Aufzug weiterlaufen können. Die Versammlungsleiterin habe den Demonstrationszug aber deutlich vor dem geplanten Endplatz beendet, weil es zu Stein- und Flaschenwürfen auf Beamte gekommen sei. "Auch Eier sollen geflogen sein", sagte Polizeisprecherin Anja Dierschke am späten Freitagabend. Sechs Personen seien wegen Sachbeschädigung und des Zündens von Pyrotechnik vorrübergehend festgenommen worden.
Wegen der Ausgangssperre ab 22 Uhr finden die Demonstrationen rund um den 1. Mai in diesem Jahr unter besonderen Bedingungen statt. "Solange sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf der Demonstration befinden, genießen sie auch Demonstrationsrecht", sagte Polizeisprecher Martin Hallweg im Gespräch mit rbb|24. "Sobald sie die Veranstaltung später als 22 Uhr verlassen, sind sie angehalten nach Hause zu gehen." In ihrer Anmeldung der feministischen Demonstration hatten die Organisatorinnen eine Dauer der Versanstaltung bis 0 Uhr angekündigt.
Die Demos und ihre Routen
Zahlreiche große und kleine Demos am Samstag
Allein am Freitag waren laut Polizei knapp 2.000 Einsatzkräfte für die Sicherheit in der Stadt unterwegs. Partys und Straßenfeste in der Walpurgisnacht fielen wie im Vorjahr wegen der Corona-Pandemie und der Ausgangsbeschränkungen aus. Die Polizeisprecherin zeigte sich mit dem bisherigen Verlauf der Walpurgisnacht zufrieden. Es habe stadtweit nur wenige, vorübergehende Festnahmen gegeben.
Am Samstag soll es dann weitergehen mit einer ganzen Reihe von Demonstrationen: Tagsüber ist eine große Fahrradsternfahrt des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zusammen mit dem Fahrrad-Club ADFC mit 2.500 Teilnehmern geplant. Mittags wollen Clubbesucher und -betreiber, Musiker und DJs für eine Wiederbelebung der Kultur- und Clubszene demonstrieren, erwartet werden 500 Teilnehmer. Am Samstagabend soll die linksradikale "Demonstration zum revolutionären 1. Mai" vom Hermannplatz in Neukölln zum Oranienplatz in Kreuzberg stattfinden.
Mehr als 5.000 Polizisten sollen über den ganzen Tag verteilt im Einsatz sein. Die Partys in der Walpurgisnacht und die Straßenfeste - wie beispielsweise das traditionelle Myfest - fallen wie schon vor einem Jahr wegen der Corona-Pandemie aus.
Ausgangssperre ab 22 Uhr gilt nicht für Demonstrationen
Bei den Demonstrationen müssen alle Teilnehmer Gesichtsmasken tragen und Abstände zu anderen Menschen einhalten. Ab 22.00 Uhr gilt weiterhin die Ausgangssperre. Davon sind Demonstrationen zwar ausgenommen, in den vergangenen Jahren wurden die Kundgebungen allerdings immer vor dieser Uhrzeit offiziell beendet. Oft aber blieben in den späten Abendstunden und in der Nacht immer noch tausende Menschen auf den Straßen. Die Polizei habe Erfahrung darin zu erkennen, ob sich jemand in einem Versammlungszug befinde und ob eine Versammlung bereits beendet sei, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Freitag im rbb.
Im vergangenen Jahr waren die meisten Kundgebungen wegen der Corona-Pandemie verboten worden. Abends trafen sich trotzdem einige tausend Menschen zum Protest in Kreuzberg. Die Ankündigung von Innensenator Andreas Geisel (SPD), Menschenmengen konsequent zu zerstreuen, konnte die Polizei nicht umsetzen.
Sendung: Abendschau, 30.04.2021, 19:30 Uhr