Ende des Mietendeckels - Wenn der Vermieter plötzlich die Nachzahlung fordert

Nachdem der Mietendeckel für nichtig erklärt wurde, müssen Tausende Mieter in Berlin Rückstände begleichen, sonst droht ihnen die Kündigung. Einige Vermieter werden kulant bleiben. Ein Beispiel aus Kreuzberg zeigt, dass es auch anders geht. Von Sebastian Schöbel
Dass die E-Mail des Vermieters keine freundliche sein wird, merkt man schon daran, dass die Anrede fehlt. Stattdessen kommt sofort der Hinweis, dass der Berliner Mietendeckel gekippt wurde.
Mehrere Mieter in Kreuzberg haben diese E-Mail nun von ihrem Vermieter erhalten, dem rbb liegen mehrere Versionen vor. Mal mit einem süffisanten "zu früh gefreut" statt einer Anrede, mal mit einem hämisch grinsenden Smiley.
Auch Susanne* hat die Mail bekommen. Die richtigen Namen der Beteiligten nennen wir nicht, um die betroffenen Mieter zu schützen. Doch die kurze E-Mail vermittelt einen Einblick davon, was Tausende Menschen in Berlin nun fürchten, nachdem der Mietendeckel für verfassungswidrig und vor allem nichtig erkärt wurde. Damit können Vermieter, die ihre Mieten senken mussten, Nachzahlungen einfordern - und zwar umgehend.
Eine Woche Zeit, um alles nachzuzahlen
Wie schnell das passieren soll, macht der Vermieter von Susanne bereits im dritten Satz klar: Bis zum 23. April, also nächste Woche, soll sie "jegliche Mietminderungen" nachzahlen. Von der zweiwöchigen Kulanz, von der unter anderem der Mieterverein spricht, ist keine Spur.
Und damit kein Missverständnis auftaucht, folgt im nächsten Halbsatz: "Sollten wir bis dahin nicht die vollständige Nachzahlung ihres Mietenkontos erhalten haben, werden wir dies unverzüglich an unseren Rechtsbeistand übergeben, was ihnen [sic] weitere Koste verursachen wird".
Das Wort "vollständig" ist extra fettgedruckt. Ob sich dieser Vermieter auf Ratenzahlungen oder Stundungen einlassen wird, darf also bezweifelt werden.
Vermieter will "Mietverhältnis beenden"
Offenbar reichte das dem Vermieter aber noch nicht. Unter Missachtung von Groß- und Kleinschreibung fügt er noch hinzu: "zusätzlich schlagen wir ihnen vor, das mietverhältnis so schnell wie möglich zu beenden. solche Mieter brauchen wir nicht." Einigen Mietern hat der Vermieter hinter diese Drohung noch ein grinsendes Smiley gesetzt.
Eine Verabschiedung fehlt ebenso wie die Begrüßungsformel. Stattdessen endet die E-Mail mit den Kontaktdaten des Vermieters: eine Anschrift in Schöneberg und eine in Florida (USA) - verziert mit dem Bild eines kleinen Flamingos.
Verträge mit Schattenmiete eventuell unzulässig
Der Berliner Mieterverein rät allen Betroffenen, Nachzahlungsforderungen nachzukommen - bei Verträgen mit Schattenmiete aber nur unter Vorbehalt. Denn ob diese Verträge rechtens sind, wird noch geklärt. In Rückstand geraten sollte man dennoch nicht: Laut Mieterverein droht eine Kündigung, wenn die Mietrückstände mehr als eine Monatsmiete und einen Cent beträgt. Deswegen sollten Mieter, die die Rückzahlungen absehbar nicht leisten können, frühzeitig Kontakt mit ihrem Vermieter aufnehmen - und hoffen, dass dieser gesprächsbereit ist.
Susanne hat im Zuge der Mietsenkungen seit Dezember 150 Euro weniger für ihre 40-Quadratmeter-Wohnung gezahlt als zuvor. Inzwischen ist ihr Mietrückstand also auf gut 700 Euro angewachsen. Wie sie es bezahlen wird? "Aus meinem Ersparten - also meiner Rente, sozusagen."
Dass nicht jeder Vermieter so reagiert wie der von Susanne, bewies der Konzern Vonovia. Man werde in Berlin keine Mieten nachfordern, sagte Vonovia-Chef Rolf Buch. "Wir alle brauchen gesellschaftliche Akzeptanz für unser Geschäftsmodell."
* Name von der Redaktion geändert