Rassismus in Berliner Behörden - "Es braucht einen strukturellen Wandel"

Di 25.05.21 | 10:05 Uhr | Von Oda Tischewski
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"Stop racial Profiling" steht bei einer Demonstration in Berlin am 18.07.2020 auf einem Schild. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)
Audio: Inforadio | 25.05.2021 | Oda Tischewski | Bild: dpa/Christoph Soeder

Seit dem Tod George Floyds bei einem Polizeieinsatz ist das Thema Rassismus auch in Berlin stark in den Blick gerückt. Mit dem Landes-Antidiskriminierungsgesetz will das Land institutionellem Rassismus in Behörden gegensteuern. Wie gut klappt das? Oda Tischewski

Seit einem Jahr, seit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd in Minneapolis, diskutiert die Welt über strukturellen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze Menschen. Lange Zeit wurde das als ein US-amerikanisches Problem betrachtet.

Dass es das nicht ist, kann die Soziologin Céline Barry an einer Situation erklären, die auch in Berlin immer wieder vorkommt: "Es gibt einen Konflikt zwischen zwei Menschen, eine davon Schwarz, eine nicht, und die Schwarze Person ruft die Polizei. Was dann passiert, ist, dass die Polizei der Schwarzen Person nicht glaubt. Die Polizei ist oft kein vertrauenswürdiger Ansprechpartner für Schwarze Menschen in Konfliktlagen."

Céline Barry, Sozialwissenschaftlerin (Quelle: dpa/Kalaene)
Sozialwissenschaftlerin Céline Barry | Bild: dpa/Kalaene

Als George Floyd starb und Black Lives Matter auf die Straße ging, arbeitete Céline Barry noch in der Antidiskriminierungsberatung für Schwarze Menschen im Weddinger Verein Each One Teach One – erst vor wenigen Monaten wechselte sie ans Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der Freien Universität Berlin.

Die Entwicklung des Berliner Landes-Antidiskriminierungsgesetzes (LADG) hat sie unmittelbar verfolgt – lange Zeit sah es nicht so aus, als würde sich da eine Erfolgsgeschichte anbahnen. "Die Black-Lives-Matter-Proteste in Deutschland fanden in einem Kontext statt, in dem die Polizei das Landes-Antidiskriminierungsgesetz total bekämpft und sich auch gewehrt hat gegen diesen angeblichen Generalverdacht. Es gibt zwar sehr viele Organisationen, die zu diesen Fällen recherchiert, Betroffene auch begleitet und auch immer wieder gezeigt haben, dass es diese Fälle gibt – aber es gab keine Öffentlichkeit dafür."

Das LADG – ein Erfolg?

Am 21. Juni 2020 trat das LADG schließlich in Kraft. Seither können sich Menschen gegen Diskriminierung durch staatliche Stellen zur Wehr setzen, auch klagen. Die zuständige Ombudsstelle verzeichnet im Schnitt eine Beschwerde pro Tag. Justizsenator Dirk Behrendt (Die Grünen) ist mit der Wirksamkeit des Gesetzes grundsätzlich zufrieden. Ihm geht es nun vor allem um den korrekten Umgang mit den Beschwerden und darum, neuen Vorwürfen vorzubeugen. "Wir brauchen einerseits rechtssichere Verfahren für den Fall, dass einzelne Mitarbeiter hier beschuldigt werden, diskriminierend tätig geworden zu sein ... Alle Berlinerinnen und Berliner sollen die Verwaltung ja als ihre wahrnehmen, und da gehört eben auch dazu, dass wir hier diskriminierungsfrei handeln wollen."

Die von Céline Barry beschriebenen Begegnungen zwischen Polizei und Schwarzen Menschen in Berlin bestreitet der Justizsenator nicht – es sei schwer, den bestehenden Corpsgeist aufzubrechen und eine Kultur zu etablieren, in der Fehler eingeräumt werden können. Dennoch ist er überzeugt, dass sich auch in der Polizei bereits einiges tut. "Wir haben heute eine viel vielfältigere Polizei als wir sie vor 20 Jahren hatten", so Behrendt. "Die sind nicht mehr alle blond und blauäugig, sondern da sind auch viele People of Colour. Das verändert natürlich am Auftreten der Behörde etwas und auch daran, wie sie bestimmte Sachen nach einem Einsatz aufarbeiten."

Der Weg ist noch lang

Rassistisches Verhalten erkennen und unterbinden, auf rassistische Vorfälle reagieren – das ist das eine. Noch wichtiger wäre allerdings, den Rassismus an der Wurzel zu packen, ihm die Grundlage zu entziehen. "Erstmal müssten zum Beispiel gefährliche Orte abgeschafft werden, wo die Polizei anlass- und verdachtslos kontrolliert, und wo 'racial profiling' so schwerwiegend ist", erklärt Céline Barry. "Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen einen legalen Aufenthaltsstatus haben, mit dem sie normal arbeiten können, damit sie keinen kriminalisierten Tätigkeiten nachgehen, um sich am Leben zu erhalten."

Zu beurteilen, ob das LADG wirklich wirkt, hält Céline Barry für verfrüht. Noch wurden keine Klagen vor Gericht verhandelt. Und: "Mit dem Recht allein ist es auch nicht getan – es braucht einen strukturellen Wandel. Letztendlich ist es ein gesellschaftlicher Prozess."

Beitrag von Oda Tischewski

29 Kommentare

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  1. 29.

    Interessant ja aber ausgewogen? Interessant deshalb wie man hier versucht seinen Rassimus auch noch zu rechtfertigen. Und immer wieder die gleichen Typen, die hier ihre Gesinnung zu Schau tragen.

    Jede Wette, sie alle sind noch nie aufgrund seiner Hautfarbe, Religion etc. diskiminiert worden. Hier reden also Blinde über Farben.

  2. 28.
    Antwort auf [Wolfi] vom 25.05.2021 um 15:37

    Interessant und ausgewogen der Beitrag. Rassismus ist nur eine Unterform der Diskriminierung. Die Diskriminierung wirkt in alle Richtungen. "Alter weißer Mann" ist solch ein Beispiel, aber auch das Wohlstandsgendern ist eines, wenn man "Raser*innen; Mörder*innen, Täter*innen" u.ä. nicht benutzt. Es beschleicht einem der Verdacht, dass unter dem Deckmantel der Diversität, Leistungen ohne eigene Anstrengungen, "erschlichen" werden sollen (Quoten für die kleinste Marotte?). Hoffentlich wehren sich die Schaffenden entsprechend...

  3. 27.
    Antwort auf [Wolfi] vom 25.05.2021 um 19:31

    Vielen Dank für Ihre sachlichen Beiträge! Sehr lesenswert!

  4. 26.

    Psssssst! Zuviel Ratio könnte die Leserinnen und Leser verunsichern!
    Gendern, Quoten, etc pp.. alles Wohlstandsprobleme einer Gesellschaft, welche sich auf dem absteigenden Ast befindet.

  5. 25.

    "Es gibt keine gefährlichen Orte, und wer es als dennoch als gefährlich empfindet ist nicht modern und in der neuen Gesellschaft noch nicht angekommen !"

    Ich würde vorschlagen, von Orten zu sprechen, an denen das Zusammenleben täglich besonders vielfältig neu ausgehandelt wird.

  6. 24.

    Sie haben mich sehr genau verstanden.

    "Das mit dem "strukturellen Rassismus" ist doch nur Gerede um bestimmte Personenkreise Vorteile zu verschaffen. [...] sondern ein Zeichen dafür, dass bestimmte Gruppen die Gesetze missachten [...] Aber Keiner muss kriminell werden zumal er hier ANGEBLICH Schutz sucht."

    Hervorhebung durch mich, wie gesagt. Sie haben mich sehr genau verstanden.

  7. 23.
    Antwort auf [Wolfi] vom 25.05.2021 um 15:37

    Sie sprechen mir aus dem Herzen,hätte ich nicht besser formulieren können.

  8. 22.
    Antwort auf [Wolfi] vom 25.05.2021 um 15:37

    Danke für ihre Klarstellung....genau so sehe ich das auch.

  9. 21.

    Es gibt keine gefährlichen Orte, und wer es als dennoch als gefährlich empfindet ist nicht modern und in der neuen Gesellschaft noch nicht angekommen !

  10. 20.

    Falsch, in sehr vielen Aspekten. Sie gehen von Ihren persönlichen Erfahrungen aus. Die nimmt Ihnen niemand, nur sind sie keine Bewertungsgrundlage der Analyse von Ausgrenzungen, bewusste wie unbewusste. Des Weiteren ist der unausgewogen hohe Anteil von weißen cis-Personen, dazu männlich in der Berliner Verwaltung vielfach nachgewiesen worden. Die Ausgrenzungen sind evident und eine berufliche Beteiligung an der Verwaltung liegt nicht allein an den Kompetenzen und Vorbildungen. Sie begehen den Kardinalsfehler, indem Sie davon ausgehen, alle würden gleich behandelt und das sei gerecht. Wenn alle aber unter unterschiedlichen Lebensbedingungen, so wie z.B. rassistische Ausgrenzung, zurechtkommen müssen, meint das schlicht Ungerechtigkeit.

    Ferner war Verwaltung noch nie ein Abbild der Gesellschaft, so wie es im Übrigen auch die Polizei nie war, in der gesamten Zivilisationsgeschichte der Menschheit.

    Sie geben sich selbst Recht und blenden bewusst Ausgrenzungen aus.

  11. 19.

    "Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen einen legalen Aufenthaltsstatus haben, mit dem sie normal arbeiten können, damit sie keinen kriminalisierten Tätigkeiten nachgehen, um sich am Leben zu erhalten." Ich halte diesen Satz von Celine Barry für eine Respektlosigkeit gegenüber allen Menschen die für den Lebensunterhalt der Migranten mit ihren Steuergeldern sorgen. Noch ist kein "Schutzsuchender" in diesem Land verhungert oder erfroren obwohl es kein Luxusleben ist. Um am Leben zu bleiben muss kein Mensch in diesem Land kriminell werden.
    Auch bei der Auswahl der Zitate sollte auf Respekt gegenüber den "normalen Menschen" in diesem Land geachtet werden.

  12. 18.

    "Rassismus in Berliner Behörden"
    "Es braucht einen strukturellen Wandel"
    Also um nun nochmal zum eigentlichen Thema zurückzukommen. Ich habe 42 Jahre in der Verwaltung gearbeitet und hatte in den letzten 15 Jahren etliche Kolleginnen und Kollgen,die nicht hier geboren waren oder zur 2. bzw. weiteren Generationen von Eingewanderten gehörten. Völlig unabhängig von der ursprünglichen Herkunft waren das alles Menschen die nicht über irgendeine Quote zu uns kamen sondern aufgrund ihrer Sprach- und Fachkenntnisse. Somit gab es auch oft die Möglichkeit der internen Übersetzung,wenn Kunden ohne deutsche Sprachkenntnisse und ohne Dolmetscher erschienen. Die Verwaltung ist genauso wie die Polizei Spiegelbild der Bevölkerung und das wird sich auch prozentual in der Belegschaft im Laufe der Zeit mehr zeigen. Ausbildung dauert aber und die Bevölkerung erwartet zu Recht Kompetenz in der Verwaltung und anderen öffentlichen Bereichen. D.h.,es braucht fähiges,ausgebildetes Personal.

  13. 17.

    Das mit dem Abschaffen der gefährlichen Orte finde ich gut,bin ich sofort dabei. Fangen wir im Görlitzer Park an und machen dann am Gesundbrunnen weiter.

  14. 16.

    Das mit dem Abschaffen der gefährlichen Orte finde ich gut,bin ich sofort dabei. Fangen wir im Görlitzer Park an und machen dann am Gesundbrunnen weiter.

  15. 15.

    Was wollen Sie mir mit Ihrem Beitrag sagen? Drücken Sie sich doch bitte verständlich aus. Danke.

  16. 14.
    Antwort auf [Wolfi] vom 25.05.2021 um 11:32

    Vier hier bestens bekannte Rechtsextreme geben die besten Beispiele für "strukturellen Rassismus" ab. Sowas hat bei der Polizei nichts zu suchen.

    "Noch wichtiger wäre allerdings, den Rassismus an der Wurzel zu packen, ihm die Grundlage zu entziehen. "Erstmal müssten zum Beispiel gefährliche Orte abgeschafft werden, wo die Polizei anlass- und verdachtslos kontrolliert, und wo 'racial profiling' so schwerwiegend ist", erklärt Céline Barry."

    Die Rechtsextremen hier zeigen wie tief Rassismus in der Gesellschaft verwurzelt ist, auch wenn diese Rechtsextremen nicht repräsentativ für unsere Gesellschaft stehen. Ganz im Gegenteil, sie sind eine Minderheit, die sich hier immer wieder überrepräsentiert Gehör verschaffen kann.

    FÜNF Kommentare, Claqueuere nicht mitgezählt...

  17. 13.

    Ja, das sieht man wie sie darauf achten. Bißchen einseitig die Forderung aber so langsam wundert mich hier überhaupt nichts mehr.

    Beste Beispiele wie sie respektvollen Umgang achten: https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2021/05/a100-demonstration-pfingstmontag-berlin-ausbau-autobahn.html

    Vom bewußt geförderten "nickklau" mal ganz abgesehen.

  18. 12.

    Wir verstehen, dass dieses Thema polarisiert. Konstruktive Diskussionen darüber sind gut und wichtig. Bitte achten Sie jedoch darauf, dass die Gespräche respektvoll bleiben.

  19. 11.

    "Sprecht mit Deutsch, wir leben in Deutschland und es gibt Menschen die sind nicht des Englischen mächtig. "

    Na dann fangen Sie mal an deutsch zu lernen.

  20. 10.

    Gefährliche Orte abschaffen?
    Weil nicht sein darf, was nicht sein soll?
    Bzw. politisch unerwünscht ist?
    Für mich sind alle Menschen gleich, und ich mag auch die Vielfalt, aber wenn die Polizei am Kotti oder im Görli Leute kontrolliert, dann ist das doch völlig OK.
    Wenn ich auf Verdacht kontrolliert werde, würde mir nie im Traum einfallen zu sagen: Kontrollieren Sie aber bitte auch den Schwarzen oder warum werde ich als Weißer kontrolliert?
    Ich dachte übrigens auch, es sollte egal sein, welche Hautfarbe wir tragen. Der Begriff "People of Colour" ist wie "Migrationshintergrund" übrigens so eine Sprach-Verschwurbelung, wo ich mich frage, was das soll?
    Warum darf man nicht mehr Schwarzer, Afrikaner, Latino, Araber usw. sagen? Das sind doch uralte Bezeichnungen.
    Übrigens kann man doch seine Herkunft mit Stolz tragen.
    Die meisten "Ausländer" gehen auch damit völlig locker um.
    Bei uns in der Schwulen Szene z. B. ist nie jemand sauer, wenn man über Herkunft oder Abstammung redet.

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