Rassismus in Berliner Behörden - "Es braucht einen strukturellen Wandel"

Seit dem Tod George Floyds bei einem Polizeieinsatz ist das Thema Rassismus auch in Berlin stark in den Blick gerückt. Mit dem Landes-Antidiskriminierungsgesetz will das Land institutionellem Rassismus in Behörden gegensteuern. Wie gut klappt das? Oda Tischewski
Seit einem Jahr, seit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd in Minneapolis, diskutiert die Welt über strukturellen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze Menschen. Lange Zeit wurde das als ein US-amerikanisches Problem betrachtet.
Dass es das nicht ist, kann die Soziologin Céline Barry an einer Situation erklären, die auch in Berlin immer wieder vorkommt: "Es gibt einen Konflikt zwischen zwei Menschen, eine davon Schwarz, eine nicht, und die Schwarze Person ruft die Polizei. Was dann passiert, ist, dass die Polizei der Schwarzen Person nicht glaubt. Die Polizei ist oft kein vertrauenswürdiger Ansprechpartner für Schwarze Menschen in Konfliktlagen."

Als George Floyd starb und Black Lives Matter auf die Straße ging, arbeitete Céline Barry noch in der Antidiskriminierungsberatung für Schwarze Menschen im Weddinger Verein Each One Teach One – erst vor wenigen Monaten wechselte sie ans Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der Freien Universität Berlin.
Die Entwicklung des Berliner Landes-Antidiskriminierungsgesetzes (LADG) hat sie unmittelbar verfolgt – lange Zeit sah es nicht so aus, als würde sich da eine Erfolgsgeschichte anbahnen. "Die Black-Lives-Matter-Proteste in Deutschland fanden in einem Kontext statt, in dem die Polizei das Landes-Antidiskriminierungsgesetz total bekämpft und sich auch gewehrt hat gegen diesen angeblichen Generalverdacht. Es gibt zwar sehr viele Organisationen, die zu diesen Fällen recherchiert, Betroffene auch begleitet und auch immer wieder gezeigt haben, dass es diese Fälle gibt – aber es gab keine Öffentlichkeit dafür."
Das LADG – ein Erfolg?
Am 21. Juni 2020 trat das LADG schließlich in Kraft. Seither können sich Menschen gegen Diskriminierung durch staatliche Stellen zur Wehr setzen, auch klagen. Die zuständige Ombudsstelle verzeichnet im Schnitt eine Beschwerde pro Tag. Justizsenator Dirk Behrendt (Die Grünen) ist mit der Wirksamkeit des Gesetzes grundsätzlich zufrieden. Ihm geht es nun vor allem um den korrekten Umgang mit den Beschwerden und darum, neuen Vorwürfen vorzubeugen. "Wir brauchen einerseits rechtssichere Verfahren für den Fall, dass einzelne Mitarbeiter hier beschuldigt werden, diskriminierend tätig geworden zu sein ... Alle Berlinerinnen und Berliner sollen die Verwaltung ja als ihre wahrnehmen, und da gehört eben auch dazu, dass wir hier diskriminierungsfrei handeln wollen."
Die von Céline Barry beschriebenen Begegnungen zwischen Polizei und Schwarzen Menschen in Berlin bestreitet der Justizsenator nicht – es sei schwer, den bestehenden Corpsgeist aufzubrechen und eine Kultur zu etablieren, in der Fehler eingeräumt werden können. Dennoch ist er überzeugt, dass sich auch in der Polizei bereits einiges tut. "Wir haben heute eine viel vielfältigere Polizei als wir sie vor 20 Jahren hatten", so Behrendt. "Die sind nicht mehr alle blond und blauäugig, sondern da sind auch viele People of Colour. Das verändert natürlich am Auftreten der Behörde etwas und auch daran, wie sie bestimmte Sachen nach einem Einsatz aufarbeiten."
Der Weg ist noch lang
Rassistisches Verhalten erkennen und unterbinden, auf rassistische Vorfälle reagieren – das ist das eine. Noch wichtiger wäre allerdings, den Rassismus an der Wurzel zu packen, ihm die Grundlage zu entziehen. "Erstmal müssten zum Beispiel gefährliche Orte abgeschafft werden, wo die Polizei anlass- und verdachtslos kontrolliert, und wo 'racial profiling' so schwerwiegend ist", erklärt Céline Barry. "Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen einen legalen Aufenthaltsstatus haben, mit dem sie normal arbeiten können, damit sie keinen kriminalisierten Tätigkeiten nachgehen, um sich am Leben zu erhalten."
Zu beurteilen, ob das LADG wirklich wirkt, hält Céline Barry für verfrüht. Noch wurden keine Klagen vor Gericht verhandelt. Und: "Mit dem Recht allein ist es auch nicht getan – es braucht einen strukturellen Wandel. Letztendlich ist es ein gesellschaftlicher Prozess."