Anhaltende Gewalt in Nahost - Berliner Polizei erhöht Schutz jüdischer Einrichtungen

Angesichts der Gewalt zwischen Israel und palästinensischen Gruppen verschärft Berlin den Schutz jüdischer Einrichtungen. Vor den pro-palästinensischen Protesten am Samstag kündigte Berlins Innensenator an, konsequent gegen antijüdische Aktionen vorzugehen.
In Reaktion auf die anhaltende Waffengewalt im Konflikt zwischen bewaffneten palästinensischen Gruppen und der israelischen Armee verschärft Berlin die Sicherheitsmaßnahmen für jüdische Einrichtungen in der Hauptstadt. Das teilte die Innenverwaltung am Freitag mit.
Die jüdische Gemeinschaft sei verständlicherweise um ihre Sicherheit besorgt, erklärte Innensenator Andreas Geisel (SPD). "Unsere Sicherheitsbehörden beobachten die Entwicklung im Nahen Osten und ihre möglichen Auswirkungen für Berlin sehr genau." Geisel sicherte den Juden bestmöglichen Schutz zu. Jeder Form von Antisemitismus und Israelfeindschaft werde entschieden entgegen getreten: "Flaggen zu verbrennen, ist kein Akt der Meinungsäußerung, sondern eine Straftat der Hasskriminalität, die hart verfolgt wird."
Israelischer Botschafter besorgt
In Deutschland war es in den vergangenen Tagen zu mehreren teils unangemeldeten Protestzügen in verschiedenen Bundesländern gekommen, wobei etwa Israel-Flaggen entwendet oder angezündet wurden. Rund um Synagogen in Gelsenkirchen, Münster, Bonn und Mannheim hatte es solche Vorfälle gegeben. Auch in Berlin kam es am Donnerstag zu einem Vorfall - vor der Parteizentrale der CDU wurde eine gehisste Israel-Flagge entwendet.
Der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, bat die deutschen Behörden am Freitag, die Sicherheit jüdischer Gemeinden gegen antisemitische Übergriffe zu gewährleisten. "Ich bitte die deutschen Behörden dringend, alles dafür zu tun, für die Sicherheit unserer Gemeinde hier zu sorgen", sagte Issacharoff am Freitag im ARD-Morgenmagazin. Die israelische Regierung sei besorgt über die antisemitischen Vorfälle. Der Konflikt im Nahen Osten habe nichts mit der jüdischen Gemeinschaft hier in Deutschland zu tun, sagte Issacharoff.
Pro-palästinensische Proteste in Berlin
Hunderte Demonstranten zogen am Freitagnachmittag zur Unterstützung von Palästinensern durch Berlin. Anlass ist neben der Gewalt in Nahost der sogenannte Nakba-Tag am Samstag.
Auch am Samstag wollen in Berlin verschiedene Palästinensergruppen auf die Straße gehen. Die Polizei sei vorbereitet und angemessen aufgestellt, sagte eine Polizeisprecherin am Freitag. Es gehe hier auch darum, den Corona-Infektionsschutz mit der Versammlungsfreiheit in Einklang zu bringen. Bereits in den vergangenen Tagen hatte es in Berlin mehrere solcher Proteste gegeben. Dabei kam es auch zu Angriffen auf Polizisten, mehrere Personen wurden festgenommen.
Laut Polizei beziehen sich die Demonstrationen am Samstag in Neukölln und Kreuzberg auf den Nakba-Tag (deutsch: Katastrophe), an dem an Flucht und Vertreibung von Hunderttausenden Palästinensern aus dem Gebiet des späteren Israels erinnert wird. Angemeldet sind für die Demonstrationen 80 bis 250 Teilnehmer. Die israelische Unabhängigkeitserklärung erfolgte am 14. Mai 1948, die Palästinenser begehen den Nakba-Tag jedes Jahr am 15. Mai.
Zentralrat der Muslime verurteilt Antisemitismus
Mohamad Hajjaj, Vorsitzender des Berliner Landesverbands des Zentralrats der Muslime, verurteilte im rbb sehr klar die antisemitischen Aktionen bei Protesten oder am Rande von Protesten in Deutschland: "Wir machen das in unseren Predigten ganz deutlich und sagen den Leuten: Die Hemmschwelle zwischen legitimer Kritik an der Politik und dem Antisemitismus ist nicht hoch." Es dürfe nicht darum gehen, ein ganzes Land und die gesamte Religionsgemeinschaft der Juden zu diskreditieren, erklärte er im Inforadio. Dennoch sei es legitim, an der Politik Einzelner in Israel Kritik zu üben. Für ihn und den Zentralrat der Muslime sei es wichtig, in diesem Konflikt mäßigend einzuwirken, so Hajjaj.
Cottbuser Polizei berät mit Gemeinde über Schutzmaßnahmen
Auch die Polizei in Brandenburg erklärte am Freitag, die Situation "sehr ernst" zu nehmen und "vorbereitet" zu sein. So seien die einzelnen Polizeidirektionen im Land noch einmal sensibilisiert worden. In Cottbus etwa, wo vor wenigen Jahren die Schlosskirche an der Spremberger Straße in eine Synagoge umgewidmet wurde, stehe die Polizei in Kontakt mit der jüdischen Gemeinde. Schutzmaßnahmen würden immer "nach Einschätzung der Lage" umgesetzt, erklärte der Sprecher. Das könnten unter anderem sogenannte Standwagen der Polizei vor der Synagoge oder "eine verstärkte Streifentätigkeit" sein. Bislang habe es Brandenburg aber keine vergleichbaren Fälle wie in NRW gegeben.
Weitere jüdische Glaubenseinrichtungen in Brandenburg befinden sich in Potsdam, etwa die Synagogengemeinde oder die Jüdische Gemeinde der Stadt Potsdam. Hinzu kommt die Jüdische Gemeinde in Brandenburg an der Havel.
Eskalation des Konflikts
Seit mehreren Tagen greifen militante und mit Raketen bewaffnete palästinensische Gruppen aus dem Gazastreifen Ziele in Israel an, vor allem in den Städten Aschdod, Aschkelon, Tel Aviv und Jerusalem. Israel macht die im Gazastreifen herrschende, islamistische Hamas für alle Angriffe aus der Region verantwortlich. Das israelische Militär seinerseits hat Ziele im Gaza-Streifen als Reaktion auf den Beschuss angegriffen. Dort starben nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza mehr als 100 Menschen seit der Eskalation der Gewalt. In Israel wurden nach Angaben der Armee bisher acht Menschen durch den Beschuss getötet.
Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hat sich während des muslimischen Fastenmonats Ramadan und nach der zuletzt erfolgten Absage der palästinensischen Parlamentswahl immer weiter zugespitzt. Als Auslöser gelten etwa Polizei-Absperrungen in der Jerusalemer Altstadt, die viele junge Palästinenser als Demütigung empfanden. Hinzu kamen Auseinandersetzungen von Palästinensern und israelischen Siedlern im Jerusalemer Viertel Scheich Dscharrah wegen angekündigter Zwangsräumungen sowie heftige Zusammenstöße auf dem Tempelberg (Al-Haram al-Scharif).
Sendung: Inforadio, 14.05.20221, 10.05 Uhr
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