53-Jähriger in U-Haft - Mutmaßlicher "NSU 2.0"-Verfasser gab sich offenbar als Polizist aus

Wie ist der mutmaßliche Urheber der "NSU 2.0"-Drohbriefe an Polizeidaten gekommen? Nach der Festnahme des Berliners gehen die Ermittler davon aus, dass er sich als Polizist ausgegeben haben könnte. Viele Fragen bleiben gleichwohl offen.
Nach der Festnahme des mutmaßlichen Verfassers der "NSU 2.0"-Drohschreiben sind die Ermittlungen nach Angaben der Frankfurter Staatsanwaltschaft keineswegs abgeschlossen. "Es gibt weitere offene Fragen", betonte Albrecht Schreiber, der Leiter der Behörde, am Mittwoch bei der Vorstellung der bisherigen Erkenntnisse.
Offen sei vor allem nach wie vor die Frage, wie der am Montagabend festgenommene 53-jährige Berliner sich die Daten mit den Adressen seiner Opfer verschafft habe. Auch ob er eventuell Helfer oder Mittäter gehabt habe, müsse untersucht werden: "Wir sind nicht am Ende."
Ermittler gehen von "social engeneering" aus
Nach "aktuellem Wissenstand" deute nichts auf die Beteiligung von Polizeibeamten an den Drohschreiben hin, sagte Hanspeter Mener, der im vergangenen Jahr als Sonderermittler die Ermittlungen übernommen hatte. Wie der Mann, der seit mehreren Jahren arbeitslos war und nach eigenen Angaben eine Ausbildung im IT-Bereich habe, an die Adresse der Empfänger der Drohschreiben kam, müsse noch geklärt werden.
Die Hypothese gehe von erfolgreichem "social engineering" des Verdächtigen aus, der sich erfolgreich als Polizist oder Behördenmitarbeiter ausgegeben haben könnte. Wegen der Abfragen an den Polizeicomputern in Frankfurt, Wiesbaden und Berlin war die Polizei unter großen Druck geraten.
Rätsel um nicht zugängliche Personendaten
Unterzeichnet waren die Drohschreiben mit "NSU 2.0" in Anspielung an die Mordserie der rechtsextremen Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Empfänger der Drohschreiben waren überwiegend Personen des öffentlichen Lebens, vor allem aus der Medienwelt und der Politik.
Die Linke-Fraktionschefin im Berliner Abgeordnetenhaus, Anne Helm, sagte dem rbb, an die teilweise gesperrten Meldeadressen der Empfänger komme man nicht ohne weiteres heran. Die Frage, wie der Festgenommene an die Daten gekommen sein soll, bleibe nach wie vor offen.
Wegen Amtsanmaßung bereits vorbestraft
Der Beschuldigte hatte sich der Staatsanwaltschaft zufolge 1992 schon einmal als Kriminalpolizist ausgegeben und wurde deshalb wegen Amtsanmaßung verurteilt.
Auf die Spur kamen die Ermittler dem Mann nach eigenen Angaben über die Auswertung und Überwachung rechtspopulistischer Plattformen und Foren. Dabei sei ein User eines Forums aufgefallen, dessen Beiträge in Form und Duktus den Drohschreiben ähnelten. Eine sprachwissenschaftliche Analyse des BKA habe den Verdacht erhärtet. Über ein namensgleiches Profil in einer Schachplattform und die IP-Adresse sei man schließlich auf den Verdächtigen gekommen.
Am Dienstag war der Verdächtige in Untersuchungshaft genommen worden. Ein Richter am Amtsgericht Berlin Tiergarten habe den Haftbefehl in Vollzug gesetzt, teilte die Staatsanwaltschaft Frankfurt mit.
Sendung: Inforadio, 05.05.2021, 07:30 Uhr