Fehlende Wohnungen in Berlin - Wenn Ämter den Neubau ausbremsen

Berlin baut, aber zu wenig und zu langsam. Ob privat, genossenschaftlich oder städtisch – Investoren stimmen darin überein, sie könnten schneller und damit mehr Wohnungen errichten. Doch oft bremst die Berliner Verwaltung. Von Ute Barthel und Jana Göbel
Es ist schon 30 Jahre her, dass der Bezirk Treptow-Köpenick beschlossen hat, dass an der Flutstraße in Berlin-Schöneweide ein Wohnviertel entstehen soll. Bisher ist davon nichts zu sehen auf dem Gelände des ehemaligen Industriegebiets an der Spree.
Dabei könnten hier längst 900 neue Wohnungen stehen, sagt Eva Weiß, Geschäftsführerin des privaten Bauträgers BUWOG. 2015 hatte die BUWOG die Fläche erworben und schnell ein Konzept vorgelegt: Eine Hälfte mit Kaltmieten ab 13 Euro kalt pro Quadratmeter aufwärts, die andere Hälfte wird Eigentum. Bezirk und Bezirksparlament haben auch nichts dagegen, doch bis heute gibt es kein Baurecht. Überall gehe es schneller als in Berlin, erklärt Eva Weiß. Lange Planungszeiten würden die Wohnungen am Ende auch noch teurer machen, weil die Baupreise stiegen.
Die Berliner Verwaltung bremst den Neubau
Snezana Michaelis leitet die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag. In Spandau errichtet ihr Unternehmen gemeinsam mit der ebenfalls landeseigenen WBM den neuen Stadtteil Waterkant: 2.500 Wohnungen, überwiegend für Gering- und Normalverdiener. Doch es gab Verzögerungen bei der Bauplanung. Hunderte Wohnungen werden deutlich später fertig. Auch auf anderen Gewobag-Baustellen verschieben sich die Fertigstellungstermine, weil die Verwaltung zu langsam war. Snezana Michaelis erklärt, sie bekomme in den Ämtern oft zu hören, was alles nicht geht. Sie wünscht sich stattdessen eine andere Haltung, nämlich: Wir tun alles, dass es geht.
Solche Erfahrung macht auch die Genossenschaft IDEAL. Die Vorstände Michael Abraham und Kathleen Beständig zeigen auf einen ehemaligen Parkplatz in Tempelhof, auf dem 49 Wohnungen entstehen sollen. Doch die Entscheidung über die Baugenehmigung hängt seit Monaten zwischen Bezirks- und Senatsebene fest. Laut IDEAL-Vorstand Michael Abraham hätte der Bezirk das Recht, selbst zu entscheiden, doch das traue er sich offensichtlich nicht. "Das nervt", sagt Kathleen Beständig.

Der Bedarf wird nicht gedeckt
Seit langem hängt der Wohnungsbau in der Hauptstadt dem Bevölkerungswachstum hinterher. Der Neubau ist zwar inzwischen auf Touren gekommen und aktuell entstehen in Berlin so viele Wohnungen wie seit Jahrzehnten nicht. Von einer Entlastung des angespannten Wohnungsmarktes kann dennoch keine Rede sein.
Die Angebotsmieten für Bestand und Neubau stiegen. 2010 lagen sie laut IBB-Wohnungsmarktbericht (Investitionsbank Berlin) bei 6,49 Euro pro Quadratmeter kalt, im vergangenen Jahr bei 10,51 Euro.
"Wir haben zu spät angefangen", sagt Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Die Linke) dazu dem rbb. Und außerdem sei man zu optimistisch gewesen. Das Neubauziel von 20.000 neuen Wohnungen pro Jahr sei unter der Voraussetzung aufgestellt worden, dass es keinerlei Hemmnisse oder Probleme gebe. Der Senator kritisiert im rbb-Interview die mangelnde Abstimmung zwischen den Behörden. "Ich verhehle nicht, dass man manchmal den Eindruck hat, es geht gar nicht mehr um die Sache, sondern nur noch um das Rechthaben."

Mehr Arbeit, aber das Personal fehlt
Treptow-Köpenick gehört zu den Bezirken, die am meisten bauen. Im backsteinernen Köpenicker Rathaus sitzt Sabine Tillack, sie betreut das Projekt der BUWOG in Schöneweide, bei dem sich der Investor seit fünf Jahren um Baurecht bemüht.
Tillack gibt zu, es hätte vielleicht etwas schneller gehen können mit der Bearbeitung - aber nicht viel. Die Abstimmungen zu den Verfahren würden immer aufwändiger, erklärt Sabine Tillack. Immer mehr Instanzen müssten bei einem Bauplanverfahren beteiligt werden, so zum Beispiel die Feuerwehr, die Stadtreinigung, die BVG, die Wasserbetriebe, oft die Deutsche Bahn, die Handwerkskammer, verschiedene Senatsverwaltungen, die Berliner Forsten, die Energieunternehmen, die Mobilfunkunternehmen, und viele andere mehr. 13 Seiten ist ihre Liste lang.
Mehr Baustellen also und mehr Aufwand, aber nicht mehr Personal: Im Gegenteil sei jahrelang Personal abgebaut worden, sagt der Baustadtrat von Treptow-Köpenick Rainer Hölmer (SPD). Jetzt sei der Personalmangel der Flaschenhals beim Neubau. Das habe der Senat nicht bedacht.
Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Die Linke) erklärt dazu: "Wir haben auch mit dem Wohnbau-Beschleunigungsprogramm zusätzliche 100 Stellen geschaffen". Teilweise habe seine Verwaltung Kräfte in die Bezirke entsandt. Und er habe auch komplette Verfahren an sich gezogen „gerade weil die Bezirke nicht in der Lage waren, die Bebauungspläne in der nötigen Zeit zu realisieren“. Insgesamt 18 Planungsverfahren hat der Stadtentwicklungssenat nach rbb-Recherchen in dieser Wahlperiode in sein Haus geholt, damit es schneller geht.
Entlastung durch Neubau in fünf Jahren
Scheel will erreichen, dass in fünf Jahren eine Entlastung auf dem Berliner Mietenmarkt eintritt: "Der Senat arbeitet mit Hochdruck daran, dass hier wieder zu angemessenen Bedingungen leistbarer Wohnraum entsteht."
Eva Weiß, Geschäftsführerin der BUWOG würde lieber heute als morgen in Schöneweide Wohnungen bauen. Ihr Unternehmen hat die ehemalige Industriefläche in Schöneweide von Altlasten befreit und bisher einen zweistelligen Millionenbetrag investiert.
Lange hatten sich Bezirk und Investor darum gestritten, wer welchen Anteil der Kosten übernimmt. Seit sechs Monaten liegt nun der fertig ausgehandelte, 45 Seiten umfassende Vertrag beim Bezirk und wird geprüft. Ende April sollte er unterschrieben werden. Doch daraus wurde - nach mehreren Verschiebungen - wieder nichts. Sabine Tillack von der Baubehörde teilte dem rbb mit, die Prüfung sei leider immer noch nicht abgeschlossen. Die BUWOG muss also weiter warten. Eva Weiß hofft dennoch, dass 2024 die ersten Wohnungen fertig werden - das eigentliche Bauen gehe nämlich schnell, sagt sie.
Sendung: rbb-Fernsehen, 04.05.2021, 21:00 Uhr