Brandenburger BER-Sonderausschuss - Das Ende eines Feigenblatts

Der BER ist eröffnet und im Brandenburger Landtag stellt der BER-Sonderausschuss seine Arbeit ein. Dabei sind noch viele Fragen offen. Auch die, was der Ausschuss eigentlich gebracht hat - und welche Chancen er verpasst hat. Von Hanno Christ
Als die Abgeordneten in der letzten Sitzung des BER-Sonderausschusses im Brandenburger Landtag über dem Abschlussbericht brüteten, ging es offenbar noch um eine Prise Restschärfe, mit der die Arbeit des Gremiums gewürzt werden sollte. Sollte man bedauern oder kritisieren, dass es mit den Schallschutzmaßnahmen nicht so schnell vorangeht?
Die letzte Sitzung des Sonderausschusses ging am Montag ohne Pomp und Sekt nach gerade mal 45 Minuten im Kleinklein zu Ende. Kein Glanz, trotz eröffnetem Flughafen? Dazu gab es kaum einen Anlass, schließlich fällt die Leistung dieses Gremiums bei der Verhinderung von Pannen und bei der Beschleunigung des Milliardenprojektes überschaubar aus.
Reaktion auf verschobene Eröffnung
Anders als in Berlin leistete sich Brandenburg 2013 keinen Untersuchungsausschuss, sondern beschränkte sich auf ein parlamentarisches Begleitgremium, eben jenen Sonderausschuss. Der Schock nach der plötzlichen Absage der Eröffnung im Frühsommer 2012 und dem darauffolgenden Chaos saß noch tief. Und der Schrecken darüber, wie wenig Verantwortliche, das Parlament und die Öffentlichkeit von den Vorgängen auf der größten Baustelle Ostdeutschlands wussten.
Die Ausschüsse in Berlin und Brandenburg waren eine Reaktion auf die Unkenntnis, aber auch auf die Wurstigkeit, mit der die Regierenden das Projekt BER an die Wand fuhren. In Berlin wollte man nach hinten schauen. In Brandenburg sollte der Blick nach vorne gerichtet werden.
Der Landtag wollte fortan den Prozess der Fertigstellung, der Inbetriebnahme und der Umfeldentwicklung des Flughafens begleiten, für mehr Transparenz sowie zügige Information sorgen. Kurz nach Aufsichtsratssitzungen fand sich jeweils ein gutes Dutzend Parlamentarier ein, lud Geschäftsführung, Aufsichtsratsvorsitzende, Minister, Ministerpräsidenten und Sachverständige ein. Immer wieder eingestreut wurden dabei Begehungen der Flughafen-Baustelle, ganz gleich wie viel ingenieurtechnischen Sachverstand die Parlamentarier mitbrachten. Motto: Ein gut dokumentierter Besuch auf der Baustelle suggeriert immer Wachsamkeit und Kontrolle.
Bühne statt Kontrollgremium
Dabei schlich sich auch in den Ausschuss über die Jahre eine gewisse Wurstigkeit ein. Nicht selten wurde das, was bereits über die Medien öffentlich geworden war, auf den Sitzungen noch einmal aufgewärmt - je nach Parteizugehörigkeit mal mehr oder weniger heiß. Und für Beobachter entstand der Eindruck, dass die Ausschussmitglieder sich zuweilen vorab selbst hektisch und oberflächlich belesen hatten.
Dabei hätte das Fenster der Öffentlichkeit mit fundierten Fragen weiter aufgestoßen werden können. Amann, Mehdorn, Mühlenfeld, Lütke Daldrup - die Flughafenchefs kamen und gingen. Die Verantwortlichen wechselten die Plätze, wirklich zur Verantwortung gezogen wurde aber niemand. Der Pannen-BER überdauerte sie alle und erwies sich letztlich beinahe mächtiger als alle Kontrolleure.
Die wirklich analytischen Fragen stellten andere Institutionen wie der Landesrechnungshof: Er deckte auf, dass die Brandenburger Landesregierung weder in Gesellschafterversammlung noch Aufsichtsrat ihren Aufsichtspflichten ausreichend nachgekommen war.
Medien und Politiker drehten sich im Kreis
Währenddessen der Ausschuss brav seine Arbeit tat, flossen weitere Milliarden in eine Baustelle, auf der es einfach nicht vorangehen wollte, wurden Eröffnungen erneut verschoben und Korruptionsfälle aufgedeckt. Die Medien der Republik schrieben sich wund am Pannen-BER, die Parlamentarier lasen das und stellten daraufhin wieder Fragen im Ausschuss – über die die Medien wiederum berichteten. Der BER blieb im Gespräch, am Desaster vor den Toren der Hauptstadt änderte das wenig.
Vielmehr wurde der Ausschuss zeitweilig zur Bühne nicht nur der Politiker, sondern auch der Flughafenverantwortlichen. Aufsehenerregend war beispielsweise der Auftritt des Flughafenchefs Hartmut Mehdorn im März 2013, als er die Offenhaltung Tegels auch nach der Eröffnung des BER erwog. Ob aus Kalkül oder Unkenntnis – Mehdorn rüttelte damit plötzlich an jahrzehntelangen Planungen. Jedenfalls machte er den kleinen Landtags-Ausschuss damit schlagartig bekannt.
Kostenexplosion trotz Beobachtung
Wenn es aber mal wieder teurer wurde, erfuhr es der Sonderausschuss erst später – nach den Aufsichtsratssitzungen. Bis zuletzt konnte er keine Antwort liefern, wie teuer es noch werden wird. Mehrere verschobene Eröffnungen und eine Corona-Krise später geht es nur noch darum, die Lasten für den Steuerzahler möglichst gering zu halten und eine Insolvenz zu verhindern.
Inzwischen liegen die Bau-Kosten bei rund sieben Milliarden Euro, mehr als dreimal so viel wie 2005 veranschlagt. Die Flughafengesellschaft FBB ist hoch verschuldet. Die Gesellschafter Berlin, Brandenburg und der Bund garantieren mit Darlehen, dass die FBB zahlungsfähig bleibt, haben für milliardenschwere Kredite auf dem Kapitalmarkt 100-prozentige Bürgschaften übernommen und schießen selbst noch Kapital dazu. Somit hoffen sie, die Belastungen auf Jahre zu strecken. Eine Insolvenz würde den Steuerzahler auf einen Schlag Milliarden kosten.
Schallschutz bleibt Baustelle
Meist erst am Ende einer jeden Sitzung des Sonderausschusses ging es um die Umsetzung des komplizierten und teuren Schallschutzprogrammes für 26.000 Haushalte. Im umfangreichsten Schallschutzprogramm eines europäischen Flughafens liegen zwar nach Angaben der Flughafengesellschaft rund 22.300 Anträge auf Schallschutzmaßnahmen vor, aber gerade mal 7.515 Maßnahmen wurden komplett umgesetzt.
Dabei galt der Schallschutz einst als Voraussetzung für die Inbetriebnahme des Flughafens. Die einen nutzten die Möglichkeit, eine finanzielle Entschädigung zu beantragen, schützten aber ihre Häuser nicht. Die anderen müssen bis heute immer wieder Gerichte bemühen, um ihren Schallschutz einzuklagen.
Ein striktes Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr fordern Anwohner bislang vergeblich – selbst in der Kernzeit zwischen Mitternacht und 5 Uhr wird geflogen. Für mehr Ruhe zwischen FBB und Anwohnern hat auch der Sonderausschuss nicht gesorgt.
Ausschuss endet - Arbeit bleibt
In seiner abschließenden Presseerklärung stellt der letzte Ausschussvorsitzende Thomas von Gizycki (Grüne) dem Ausschuss ein durchwachsenes Zeugnis aus: Eine Ära gehe nun zu Ende. Er räumt ein, dass es trotz engagierter Arbeit oft mühsam gewesen sei, die nötigen Einblicke zu bekommen, unter anderem wegen der schwierigen Kommunikation mit der Flughafengesellschaft.
Es ist eine ehrliche Bestandsaufnahme jahrelanger parlamentarischer Arbeit und die Erkenntnis, dass das fParlament mit dem BER an seine Grenzen gestoßen ist. Mit ihren Möglichkeiten, ihrem (Un)Wissen oder (Un)Willen ist fraglich, ob die Parlamentarier das Desaster von Schönefeld hätten verhindern können. Die Gründung des Ausschusses war eine Art parlamentarischer Aktionismus, der über acht Jahre allmählich versandete. Dass der Flughafen letztlich doch an den Start gehen konnte, war einem überschaubaren Kreis Sachkundiger zu verdanken – und die saßen nicht im Parlament.
Wenn es nun um die parlamentarische Begleitung des Flughafens geht, kehrt der Landtag wieder zu seinen Wurzeln vor 2013 zurück. Der BER findet nicht mehr in einem Ausschuss statt, sondern bekommt im Finanzausschuss einen Unterausschuss. Der dürfte damit über Jahre noch gut zu tun haben. Die finanzielle Zukunft der FBB ist mindestens unsicher. Daran haben auch acht Jahre Sonderausschuss nichts geändert.
Sendung: Brandenburg aktuell, 7. Juni 2021, 19:30 Uhr