Streit in der Brandenburger Koalition - Alle auf die Grünen

Die Brandenburger Kenia-Koalition galt lange Zeit als sehr harmonisch - im Vergleich zur Berliner Landesregierung. Doch mittlerweile knirscht es auch in Potsdam immer mehr. SPD und CDU kritisieren vor allem die Grünen, die ihren Partnern wiederum unkollegiales Verhalten vorwerfen. Von Oliver Soos
Die Brandenburger Grünen-Landesvorsitzende Julia Schmidt ärgert sich über die zunehmenden Sticheleien gegen ihre Partei. "Ob da Neid dahintersteckt, das müssen CDU und SPD selbst beantworten", sagt sie. Und ergänzt: "Ich kann erkennen, dass die beiden Parteien wegen unseres Höhenflugs ganz schön unter Druck sind und dass sie uns als ihren Hauptkonkurrenten im Bundestagswahlkampf identifiziert haben."
Aus der Brandenburger SPD kommen die Sticheleien eher hinter vorgehaltener Hand. Da hört man, dass die Grünen keine soziale Partei seien und keine Volks- sondern nur eine Klientelpartei. Die Grünen-Fraktion im Potsdamer Landtag arbeite zum Teil unprofessionell und brauche oft sehr lange, um Entscheidungen zu fällen, heißt es. Außerdem sei Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock im Vergleich zu SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz inhaltlich ganz schön blank.
Lästern - das können auch die Brandenburger Grünen
Doch auch die Brandenburger Grünen können lästern. Da ist dann von einer sich überschätzenden SPD die Rede, die sich für die einzige wahre Staatspartei in Brandenburg halte und nicht merke, dass ihr die Felle davonschwimmen. Und mit Olaf Scholz würde die SPD nicht für einen Aufbruch stehen. Doch sowohl Grünen-Landeschefin Julia Schmidt, als auch SPD-Landtagsfraktionschef Erik Stohn betonen, dass die Koalition weit entfernt von einer Spaltung sei und immer noch gut und verantwortungsvoll für das Land zusammenarbeite.
Dabei waren es die beiden, die zuletzt einen offenen Konflikt über den geplanten Braunkohleausstieg austrugen. Als SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke im Bundesratsplenum mitteilte, dass Brandenburg am Ausstiegsdatum 2038 festhalten wolle, veröffentlichte Julia Schmidt eine Pressemitteilung, in der sie der SPD vorwarf, Veränderungen zu ignorieren und Augenwischerei zu betreiben. "Alle Studien sagen, dass der Ausstieg früher kommen wird, weil sich Kohle wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Wir brauchen eine Debatte, wie wir den Strukturwandel in der Lausitz schneller gestalten können", erklärte Schmidt.
CDU: Grüne werden sich nach Veggieday die Inlandsflüge vornehmen
Der Brandenburger SPD-Fraktionschef Erik Stohn ging kurz nach dieser Meldung selbst an die Öffentlichkeit und warf den Grünen vor, sich nicht an Abmachungen zu halten. "Ich glaube es braucht Verlässlichkeit in der Politik und diese haben wir mit dem Koalitionsvertrag geschaffen, wo der Kohlausstieg für 2038 festgelegt wurde. Wir brauchen einen geordneten Strukturwandel, der Perspektiven, Arbeitsplätze, Versorgungssicherheit und bezahlbaren Strom vorsieht", sagte Stohn und fügte hinzu: "Uns geht es da nicht um den 26. September."
Den Vorwurf, Wahlkampfgetöse zu machen, hört man in diesen Tagen von allen Seiten. Dabei ist die CDU am offensten ins Gefecht gezogen.
Manch ein Beobachter geriet ins Staunen darüber, wie der Brandenburger CDU-Vorsitzende Michael Stübgen auf der CDU-Landesvertreterversammlung Ende Mai in Potsdam gegen die Grünen loslederte. Die Partei würde als Heilsbringer für das ganze Land gehypt, mit Annalena Baerbock als neuer Heiligenfigur der Bundespolitik, sagte Stübgen und sprach von einer Verbotspartei, die sich nach dem Veggie-Day nun die Inlandsflüge vornehmen wolle.
Wer die Grünen wähle, würde das nur wegen des guten Gefühls in Zeiten des Klimawandels tun, so Stüben. Dabei zog er den Vergleich zum Ablasshandel im Mittelalter, als sich Katholiken bei der Kirche von ihren Sünden freikaufen konnten.
Seitenhiebe auch gegen Landwirtschaftsminister Vogel
Stübgen verteilte auch Seitenhiebe gegen den eigenen Koalitionspartner in Brandenburg, zunächst gegen seinen grünen Kabinettskollegen Axel Vogel. "Bei den Brandenburger Landwirten hält sich die Begeisterung über den Grünen-Landwirtschaftsminister in Grenzen", sagte Stübgen und warf Vogel Unentschlossenheit bei der Umsetzung der vereinfachten Regelungen zum Wolfsabschuss vor. Es folgte auch eine Abrechnung mit der Grünen-Fraktion im Landtag: "Wann immer es ums Entscheiden geht, ist bei den Grünen nichts."
Als Beispiel nannte Stübgen die Blockadehaltung der Grünen bei den Finanz-Zuschüssen für den Flughafen BER. "Wenn wir nichts machen, muss der Flughafen Insolvenz anmelden. Die andere Möglichkeit ist, dass wir jetzt im Haushalt dafür sorgen, dass der BER wieder Kapitalmarkt- und kreditfähig ist. Wir als Koalitionsspitzen haben alle Daten, Fakten und Zahlen, die wir brauchen. Doch die Grünen sagen: Nein, wir wollen erst noch ein Sanierungsgutachten haben."
Stübgen unterstellte den Grünen, dass es ihnen nur darum ginge, das unpopuläre Thema Flughafenfinanzierung auf die Zeit nach der Bundestagswahl zu verschieben.
Schmidt: "Das ist in gewisser Weise populistisch"
Die Brandenburger Grünen-Landesvorsitzende Julia Schmidt hat den Auftritt mitverfolgt. Darauf angesprochen lächelt sie und rollt gleichzeitig mit den Augen. "Das waren wirklich sehr allgemeine Unterstellungen. Das ist in gewisser Weise populistisch und sehr schade", sagt Schmidt. Mit der CDU gebe es von Natur aus die größten inhaltlichen Differenzen, vor allem in der Klimapolitik und beim Thema Abschiebungen, doch Stübgens Auftritt bei der Landesvertreterversammlung wirke so, als sei die CDU nicht mehr bereit für inhaltliche Auseinandersetzungen, so Schmidt.
Doch dann erzählt die Grünen-Politikerin, dass sie immer noch einen guten Draht zu einigen CDU- und SPD-Abgeordneten habe, die weniger gegen ihre Partei poltern. Man gehe immer noch hin und wieder gemeinsam ein Feierabend-Bierchen trinken, so Schmidt.
Es gibt also durchaus noch eine Chemie zwischen den Kenia-Koalitionären, auch wenn der Ton zum Teil rauher geworden ist.
Die Kommentarfunktion wurde am 08.06.2021 um 13:28 Uhr geschlossen
Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.