Kommentar | Ausschreitungen in Rigaer Straße - Das Happening der Durchgeknallten

Einen Tag vor der geplanten Brandschutz-Begehung fliegen in der Rigaer Straße Steine auf Einsatzkräfte, die versuchen, brennende Barrikaden zu löschen. Damit baden jetzt Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter das Versagen der Politik aus, kommentiert René Althammer.
Einmal in aller Klarheit: Wer einen Pflasterstein auf einen Menschen wirft, der nimmt in Kauf, dass er ihn schwer, gar tödlich verletzen kann. Wer nachts von einem Hausdach Steine auf Menschen wirft, der kämpft nicht für eine "an sich gute Sache". Er stellt sich außerhalb von Recht und Gesetz. Er hat keinen Respekt vor dem menschlichen Leben. Und er ist feige und hinterhältig, wenn er im Schutz der Dunkelheit Feuerwehrleute oder Polizisten angreift. Und darum geht es jetzt in der Rigaer Straße 94.
Berlin ist über Jahrzehnte berühmt geworden für alternative Projekte, neue Lebensentwürfe, den Respekt vor dem und den anderen. Alternative Projekte öffnen oft Wege in die Zukunft – seien es andere Wohnformen, seien es Orte zum Experimentieren. Sie sind ein Wert an sich und deshalb wert, gefördert und unterstützt zu werden. Ihre Freiheit und Freiräume gilt es zu verteidigen.
Der Staat muss handeln
Wer sich jedoch das Recht herausnimmt, Nachbarn zu terrorisieren, Recht und Gesetz, den Rechtsstaat und die Entscheidungen unabhängiger Gerichte zu ignorieren, der zerstört willentlich die Grundlagen von Freiheit und Demokratie. Hier muss der Staat handeln und eingreifen. Wer nicht mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen die gewaltbereiten Militanten in der Rigaer Straße vorgeht, der muss auch die Verantwortung dafür übernehmen, wenn Menschen zu Schaden kommen.
Juristische Spielereien, Spitzfindigkeiten und Ausnahmeregelungen, wie sie das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg über Jahre hinweg zelebriert hat, konnten die Militanten nur als klammheimliche Beifallsbekundung verstehen. Das Ergebnis ist heute auf der Straße zu besichtigen. Schwarze Rauchschwaden ziehen durch die Straßen, Pyrotechnik knallt – das Happening der Durchgeknallten. Das vermeintliche "Recht auf Selbstverteidigung" unterscheidet sich in nichts von dem rechtsextremer Reichsbürger oder Neonazis, die in "ihren Räumen" ihre Regeln und ihr Rechtsverständnis durchsetzen wollen. Das ist nicht "links", das ist nur noch menschenverachtend und kriminell.
Die Politik hat zu lange toleriert
Dass es so weit kommen konnte, hat Ursachen. Viel zu lange haben Berliner Politiker toleriert, was nicht zu tolerieren ist. Hauseigentümer wurden quasi "gebrandmarkt", als sie ihr Recht wahrnehmen wollten. Die politische Unterstützung galt jenen, die jetzt Polizisten und Feuerwehrleute angreifen und ihre Nachbarn terrorisieren. Den Militanten stand - wie jedem anderen auch – der Rechtsweg offen. Sie haben ihn zu Recht genutzt. Er hat auch ihre berechtigten Interessen geschützt. Jetzt ist er ausgereizt und sie sollten das Urteil akzeptieren. Wenn nicht, dann machen sie sich gleich mit allen, gegen die sie sonst vehement politisch zu Felde ziehen: den Rechtsextremen aller Couleur, die den Staat ebenso missachten und bekämpfen.
Sendung: Abendschau, 16.06.2021, 19:30 Uhr
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