Modellprojekt läuft aus - Geisel fordert Bundesmittel für Koordination von IS-Rückkehrern
Innensenator Geisel fordert Bundesmittel für die Betreuung von Rückkehrern aus IS-Kriegsgebieten. Ein entsprechendes Berliner Projekt liefere einen wertvollen Beitrag für mehr Sicherheit, die Finanzierung ist jedoch befristet. Von Christoph Reinhardt
Wenn am Berliner Flughafen ein IS-Rückkehrer und vielleicht seine Familie eintrifft, wissen Samira Benz und die Berliner Rückkehr-Koordination meist schon lange Bescheid. Viele von ihnen melden sich selbst schon auf dem Rückweg in der Türkei über die Konsulate an. Aber auch andere Meldewege hätten sich bewährt, sagt Benz. "Wir werden auch von den Sicherheitsbehörden in Kenntnis gesetzt dass eine Rückkehr ansteht, vom Verfassungsschutz, von den Auslandsnachrichtendiensten."
"Können sie nicht daran hindern, einzureisen"
Keiner der potenziell gefährlichen Rückkehrer soll durchs Raster fallen. "Das könnte fatal sein“, sagt der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD). Denn nur gegen einige liegt ein Haftbefehl vor, zum Beispiel wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder wegen anderer Straftaten. Dann übernimmt die Justiz. Wo das nicht der Fall ist und wo vielleicht Kinder im Spiel sind, müssen viele Behörden zusammenarbeiten. Polizei und Schulen, Krankenkassen und Jugendämter oder vielleicht die Kinderschutzambulanz sind gefragt.
Die Koordination soll gewährleisten, dass es dabei keine Informationsverluste gibt. Denn eine rechtsstaatliche Alternative zur Wiedereingliederung von Menschen mit deutschem Pass gebe es nicht, sagt der Innensenator. "Wir können sie nicht daran hindern, nach Deutschland einzureisen", so Geisel. "Aber wir können uns um sie kümmern, und das tun wir. Nicht weil wir gerne mit IS-Rückkehrern zu tun hätten, ganz im Gegenteil. Sondern weil es unsere Pflicht ist und wir damit für unsere Sicherheit sorgen."
70 Menschen aus IS-Gebieten nach Berlin zurückgekehrt
Von rund 135 Berlinern wissen die Behörden, dass sie in IS-Gebiete gereist waren. Rund 20 gelten als tot, knapp 50 sind noch in Gefängnissen oder Lagern. Rund 70 seien inzwischen wieder nach Berlin zurückgekehrt, sagt Samira Benz. Längst nicht jeder von ihnen sei noch gefährlich. "Wir haben in Berlin großes Glück, dass die meisten Fälle auch offen sind für eine Beratung und dass viele Fälle sich glaubhaft distanziert und deradikalisiert haben", sagt sie.
Allerdings: In den Kopf sehen könne man den Rückkehrern nicht, und für einen langfristigen Erfolg müsse man sie viele Jahre lang begleiten. Zehn bis 15 Jahre, schätzt der Innensenator, müsse die Arbeit der Rückkehrkoordination wohl fortgesetzt werden.
Bund soll sich weiter an Kosten beteiligen
Das Modellprojekt wird seit 2019 durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) voll finanziert, allerdings nur noch bis Ende des Jahres. Geisel hat Bundesinnenminister Seehofer aufgefordert, die Unterstützung zu verlängern: "Rückkehrkoordination ist aktive Sicherheitspolitik." Das Projekt habe Bedeutung über Berlin hinaus, sagt er. Denn die Koordination betreffe den Bund und die Länder gemeinsam.
Aus dem Anschlag vom Breitscheidplatz habe man lernen müssen, wie wichtig ein guter Austausch zwischen den Behörden sei, so Geisel. "Dass da mehrere Bundesländer befasst waren mit dem Attentäter vom Breitscheidplatz, und die Koordination zwischen den Bundesländern nicht gut gelaufen ist, ist ein Zeichen dafür, dass wir diese Koordination, die jetzt gut läuft, nicht aufgeben dürfen."
Sendung: Abendschau, 27.07.2021, 19.30 Uhr