Streit um Zahl an Berliner Schulen - Senat wehrt sich gegen "Verschleierungs"-Vorwürfe zu Quereinsteigern

Berliner Schulen fällt es immer schwerer, ausgebildete Lehrerinnen und Lehrern zu finden. Der Senat setzt daher auf Quereinsteiger - um deren Anzahl nun ein Streit entbrannt ist.
Die Berliner Bildungsverwaltung wehrt sich gegen Vorwürfe, sie verschleiere den Anteil der Quereinsteiger an den Schulen und tue nicht genug, um eine Abwanderung von Lehrkräften zu verhindern.
Dem Berliner FDP-Bildungsexperten Paul Fresdorf hatte die Verwaltung auf Anfrage mitgeteilt, die Zahl der Quereinsteiger liege in Berlin bei acht Prozent. Dabei werden allerdings nur jene Menschen gezählt, die sich aktuell in der Ausbildung für den Quereinstieg befinden - nicht diejenigen, die das bereits hinter sich haben. Das wären schätzungsweise 7.000 der etwa 33.000 Berliner Lehrkräfte – also rund 21 Prozent.
FDP prognostiziert "bildungspolitisches Desaster"
Fresdorf kritisiert, die Bildungsverwaltung verschleiere, statt transparent zu agieren. Nicht nur bei der Zahl der Quereinsteiger, auch bei der Zahl der insgesamt verfügbaren Lehrkräfte. Die Modellrechnungen der Verwaltung zu den geplanten Neu-Einstellungen hält Fresdorf für viel zu optimistisch. Er befürchtet: "Damit steuert Berlin ungebremst in ein bildungspolitisches Desaster, was zulasten vieler Generationen gehen wird."
Auch ein Vertreter des Gesamtpersonalrats spricht gegenüber dem "Tagesspiegel" von einer "Verschleierung durch wechselnde Begrifflichkeiten und Zahlenspielereien".
Die Bildungsverwaltung erklärte gegenüber dem rbb, die Quereinsteiger hätten, wie andere Lehramtsanwärter auch, die zweite Staatsprüfung abgelegt. Daher weise man diese Personen nicht mehr gesondert aus - worauf man sich auch in der Kultusministerkonferenz mit den anderen Bundesländern verständigt habe. Sprecher Martin Klesmann betont: "Von daher ist das kleine Verschleierung, sondern die übliche Praxis in Deutschland."
700 Kündigungen im Sommer?
Zu Aussagen im "Tagesspiegel", wonach zum Sommer in Berlin rund 700 ausgebildete Lehrkräfte gekündigt haben [tagesspiegel.de/Bezahlschranke] und manche Schulen keine einzige regulär ausgebildet Lehrkraft mehr finden, heißt es aus der Bildungsverwaltung, das könne man bisher nicht bestätigen.
Die pauschale Vermutung, dass viele Lehrkräfte kündigen, um in anderen Bundesländern zu arbeiten, die verbeamten, weist die Bildungsverwaltung zurück. Lehrkräfte kündigten aus unterschiedlichen Gründen, etwa auch aus privaten Anlässen, Umzug des Ehepartners, Neuorientierung oder früherer Ruhestand, hieß es.
Verwaltung: Koalition bremst Verbeamtungs-Ideen
FDP-Bildungsexperte Fresdorf fordert, die rot-rot-grüne Regierung müsse alles daran setzen, gut ausgebildete Lehrkräfte für die Hauptstadt zu gewinnen und auch zu halten. Dafür müsse endlich in die Bildungspolitik investiert werden. Die Bildungsverwaltung betont, Senatorin Sandra Scheeres spreche sich schon seit langem für eine Rückkehr zur Verbeamtung aus. Das sei in der Koalition aber nicht durchsetzbar.
Sendung: Inforadio, 28.07.21, 12:35 Uhr