Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin - Auswärtiges Amt muss afghanischer Ortskraft und Familie Visa erteilen

Ein afghanische Ortskraft, die bis 2017 für die GIZ gearbeitet hatte, hat Anspruch auf Visa für sich und seine Familie. Das Verwaltungsgericht Berlin hat dies aufgrund der aktuellen Aufnahmepraxis entschieden. Das Urteil könnte Signalwirkung haben.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat in einem Eilverfahren das Auswärtige Amt dazu verpflichtet, einer Ortskraft aus Afghanistan und dessen Familie Visa zu erteilen. Zur Begründung verwiesen die Richter am Mittwoch auf die aktuellen Aufnahmekriterien des Außenamts, sowie auf öffentliche Erklärungen von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU).
Angesichts der "außergewöhnlichen Umstände" nach dem Vormarsch der Taliban reiche dies bereits aus, um das Außenministerium in einem Eilverfahren zur Erteilung eines Visums zu verpflichten, erklärte das Gericht.
Die Entscheidung beziehe sich zwar formal nur auf die Antragssteller. Sollte das Auswärtige Amt die Entscheidung nicht zum Oberverwaltungsgericht tragen, könne davon in der Praxis aber eine gewisse Signalwirkung ausgehen, sagte ein Gerichtssprecher rbb|24 auf Anfrage.
Mann war bis 2017 für die GIZ tätig
Die Antragsteller, ein Ehepaar und drei Kinder, sind afghanische Staatsangehörige, die sich derzeit in Kabul aufhalten. Der Mann hatte bis 2017 für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gearbeitet. Weil er sich und seine Familie als bedroht sieht, wandte er sich Anfang August an das Auswärtige Amt mit dem Ziel, nach Deutschland auszureisen.
Das Amt lehnte den Erlass einer Aufnahmeentscheidung ab und verwies darauf, dass die Tätigkeit bereits seit 2017 beendet sei. Daraufhin habe sich der Antragsteller über einen in Deutschland ansässigen Anwalt an das Verwaltungsgericht gewandt. Er machte geltend, dass die Taliban nach ihm suchten. Er sei 2016 bereits einmal angeschossen worden, auch seine Kernfamilie sei in Gefahr.
Auswärtiges Amt pochte auf Ermessensspielraum
Das Auswärtige Amt sah den Angaben zufolge dennoch keinen Anspruch auf eine Aufnahme. Es habe darauf hingewiesen, dass der Erlass einer Aufnahmeentscheidung in ihrem Ermessen stehe. Zudem habe das Amt einen außenpolitischen Handlungsspielraum, hieß es.
Das Verwaltungsgericht hingegen verwies darauf, dass das Auswärtige Amt die Aufnahmekriterien geändert habe: Ehemalige Ortskräfte und deren Familien könnten demnach auch dann eine Aufnahme beanspruchen, wenn ihre Tätigkeit zumindest bis 2013 angedauert habe. Deshalb müsse sich der Antragsteller die Beendigung seiner Tätigkeit im Jahr 2017 nicht entgegenhalten lassen.
Auch die beiden volljährigen Kinder erhalten Visa
Auch die Volljährigkeit zwei seiner Kinder stehe deren Aufnahmeanspruch nicht entgegen. So habe das Bundesentwicklungsministerium öffentlich erklärt, die Aufnahmepraxis, die volljährige Kinder von Ortskräften bislang unberücksichtigt ließ, zu ändern [www.tagesschau.de]. Das reiche angesichts der außergewöhnlichen Umstände aus.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Gegen den Beschluss kann noch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Sendung: Inforadio, 25.08.2021, 17:40 Uhr
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