Abschlussbericht zum Breitscheidplatz-Attentat - Summe von Fehlern und Versäumnissen machte Terroranschlag möglich

Nach fast fünf Jahren hat der Berliner Unterschungsausschuss seinen Abschlussbericht zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz vorgelegt. Er listet eine Reihe von Versäumnissen und Fehlern auf, aber auch, was sich seit dem Anschlag geändert hat.
Nur durch zahlreiche Fehler in verschiedenen Sicherheitsbehörden in Berlin wie auch im Bund ist der islamistische Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016 erst möglich geworden. Zu diesem Schluss kommt der Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses in seinem am Montag vorgestellten Abschlussbericht. Der Bericht wurde von allen Fraktionen beschlossen.
Man habe "keinen einzelnen Schuldigen" gefunden und "keine Einzelfehler" aufgedeckt, die direkt zum Anschlag geführt hätten, sagte der Ausschussvorsitzende Stephan Lenz (CDU). Allerdings habe der Ausschuss zahlreiche Fehler vor allem der Polizei und des Verfassungsschutzes festgestellt. "Und es ist die Summe dieser Fehler und Versäumnisse, die den Anschlag möglich gemacht haben."
Knapp 100 Zeugen befragt
Entscheidend sei vor allem die Fehleinschätzung des abgelehnten Asylbewerbers Anis Amri aus Tunesien im Sommer 2016 gewesen. Dieser sei als gewaltbereiter und möglicherweise hochgefährlicher Islamist bekannt gewesen. Im Sommer sei Amri aber nicht mehr weiter gründlich observiert und abgehört worden, weil das Landeskriminalamt (LKA)seinen Fall aus verschiedenen Gründen nicht mehr als so brisant einstufte.
Der Untersuchungsausschuss befragte in vier Jahren und 64 Sitzungen 97 Zeugen, darunter zahlreiche Kriminalpolizisten aus dem LKA, Verfassungsschützer, Staatsanwälte und Politiker. Mehr als 1.200 Akten standen dem Ausschuss zur Verfügung. Der 1.235 Seiten lange Bericht enthält auch gesonderte Stellungnahmen mehrerer Fraktionen.
Ein Untersuchungsausschuss des Bundestags hatte unter anderem auch die Rolle des Bundeskriminalamtes (BKA) analysiert und dort ebenfalls frappierende Fehleinschätzungen zum Attentäter festgestellt. Amri hatte den Terroranschlag mit einem Lastwagen am 19. Dezember 2016 verübt und zwölf Menschen getötet.
Zu wenig Personal und zu wenig Austausch
Als Probleme vor dem Anschlag benennt der Ausschuss, dass die für Extremismus und Islamismus zuständigen Bereiche des LKA zu wenig Personal hatten. Zudem sei der Austausch zwischen den Ausländerbehörden, den Landeskriminalämtern von Berlin und Nordrhein-Westfalen, dem Berliner Verfassungsschutz und der Berliner Staatsanwaltschaft unzureichend gewesen.
Es fehlten demnach ein "konsequentes Gefährdermanagement" und eine Zusammenführung der Ermittlungen zu Verdächtigen bei der Staatsanwaltschaft. Zudem hätte Amri intensiver sowie auch nachts und am Wochenende observiert werden müssen. Seine abgehörten Telefonate und Chats seien nicht gründlich genug ausgewertet worden.
Eigene LKA-Abteilung für Islamismus
Nach dem Anschlag wurde die Berliner Polizei personell deutlich aufgestockt. Allein im LKA wurden nach den Angaben 587 neue Stellen eingerichtet, viele davon beim Staatsschutz, der für Linksextremismus, Rechtsextremismus und Islamismus zuständig ist. 2020 wurde im LKA eine eigene Abteilung 8 für Islamismus und islamistischen Terrorismus geschaffen. Dort gibt es den Angaben zufolge 166 Stellen, doppelt so viel wie vor 2016. Ein neues Anti-Terrorzentrum hat im vergangenen Monat teilweise die Arbeit aufgenommen, bis 2022 soll es fertig sein.
Die Arbeitsabläufe im LKA etwa bei den Observationen wurden überarbeitet. Die Einstufung und Beobachtung von islamistischen Gefährdern wurde zudem auf Bundesebene durch das BKA neu konzipiert. Bei dem sogenannten Gefährdermanagement werden auch die Staatsanwaltschaften stärker als früher einbezogen. Ende 2020 beschloss der Senat einen Anti-Terrorplan.
Der Verfassungsschutz erhielt bereits 2017 ein eigenes Referat Islamismus, in dem personenzentrierter vorgegangen werden soll. Der Informationsaustausch mit dem LKA soll deutlich enger sein.
Sendung: Abendschau, 09.08.2021, 19.30 Uhr