Sharing-Angebote - Berliner Senat will Regeln für E-Scooter und Co. verschärfen

Der Senat möchte das Chaos aus Tretrollern und Leihrädern in Berlin beseitigen. Dazu sollen Sharing-Angebote zur erlaubnispflichtigen Sondernutzung werden. Unterdessen lassen Stellflächen für E-Scooter weiter auf sich warten. Von Tobias Schmutzler
Eine halbe Stunde nachdem Svenja im Wedding losgefahren war, steht sie vor dem Brandenburger Tor und lehnt sich auf den E-Scooter, den sie ausgeliehen hat. Nicht nur, aber gerade Touristen lieben die elektrischen Tretroller offenbar. Wie Svenja, deren österreichischer Zungenschlag verrät, dass sie Berlin als Gast erkundet. Und warum auf dem E-Scooter? "Zum Spaß. Wir könnten genauso gut mit der U-Bahn fahren, aber so ist es lustiger", grinst Svenja.
Den Spaß treiben viele E-Scooter-Fahrende leider auf die Spitze. Im Stadtbild fallen die Tretroller-Fahrerinnen und -Fahrer oft als notorische Regelbrecher auf. Viele nutzen zum Beispiel Gehwege, obwohl für sie die gleichen Regeln gelten wie für Fahrradfahrer. Auch zu zweit auf einem Roller zu fahren, ist verboten, aber dennoch extrem beliebt. Meist dauert es nicht lange, bis man auf einem elektrischen Roller ein Zweierpärchen erblickt, das über den Potsdamer Platz oder den Ku'damm rauscht.
Alles andere als ein kurzfristiger Hype
Die E-Scooter sind offenbar gekommen, um zu bleiben. Noch vor zwei Jahren, als die ersten Tretroller über Berliner Asphalt rollten, dachten viele, das sei nur ein kurzfristiger Hype, erinnert sich Caspar Spinnen, PR-Manager des Anbieters Voi. Doch davon könne keine Rede sein, sagt er. Sein Unternehmen zähle heute sechs Mal mehr Fahrten als 2019. Und der Boom sei nicht vorbei. "Der Bedarf ist noch lange nicht gedeckt", bekräftigt Florian Anders vom Konkurrenzunternehmen Tier.
Mehrere Tausend E-Roller habe allein Voi in Berlin auf der Straße, sagt Spinnen. Wie viele genau, wolle er aus Wettbewerbsgründen nicht sagen. Was zeigt, wie umkämpft der Markt ist. Bei den meisten Anbietern kostet die Fahrminute etwa 20 Cent, manche bieten aber auch Stundenpakete an.
Senat will Sharing-Fahrzeuge erlaubnispflichtig machen
Die E-Scooter sind ein vergleichsweise junges Verkehrsmittel, deshalb gab es für sie bisher auch wenig staatliche Regulierung. Aber das dürfte sich in Berlin bald ändern. Die Senatsverwaltung für Verkehr hat einen Gesetzentwurf erarbeitet, den der Senat bereits Anfang Juni beschlossen hat. Aktuell befasst sich das Abgeordnetenhaus mit den geplanten neuen Regeln.
Dazu gehört ein neuer Paragraf im Berliner Straßengesetz. Er soll Sharing-Angebote künftig zur "erlaubnispflichtigen straßenrechtlichen Sondernutzung" erklären. Wie genau die Regulierung dieser Sondernutzung dann aussieht, soll nicht das Gesetz regeln. Vielmehr würden die genauen Bestimmungen künftig zwischen Unternehmen und Staat verhandelt.
Konflikt mit Sharing-Unternehmen ist absehbar
Beispielsweise könnte die Zulassung eines Unternehmens, das E-Scooter verleiht, an die Bedingung geknüpft werden, dass die Firma ihr Geschäftsgebiet in die Außenbezirke ausdehnt. Die neue Behandlung als erlaubnispflichte Sondernutzung wird alle Sharing-Angebote betreffen, also auch Leihfahrräder oder Car-Sharing-Anbieter.
Hier steckt großes Konfliktpotenzial, da die Firmen sich von der Politik gegängelt fühlen dürften. Die grüne Verkehrssenatorin Regine Günther verteidigt ihre Vorschläge dagegen als "ein wirksames Instrument zur Regulierung". Zwar könnten E-Scooter und andere Sharing-Angebote helfen, die Mobilitätswende voranzubringen, so Günther. "Sie sollen aber nicht anderen im Weg stehen, sondern klimaschonende Mobilität für alle ermöglichen."
Algorithmus soll schlecht geparkte Roller erkennen
Caspar Spinnen vom Anbieter Voi gibt zu, es sei ein Problem, dass viele E-Scooter "bescheiden" abgestellt werden. Sein Unternehmen habe dafür eine kreative Lösungsidee: Nach der Fahrt können Kundinnen und Kunden ein Foto vom geparkten E-Scooter schießen. "Wir arbeiten an einem Algorithmus, der dann erkennt, ob er gut, durchschnittlich oder schlecht geparkt ist", so Spinnen. Auf dieser Basis sollen Nutzerinnen und Nutzer "verwarnt" werden können.
Anschließend würde das Unternehmen gegebenenfalls den Roller umparken. Aktuell sei das Fotoschießen nach der Fahrt noch optional. In den nächsten Monaten soll es aber verpflichtend werden. Oft seien es aber auch gar nicht die Fahrerinnen und Fahrer selbst, meint Spinnen, sondern Dritte, die sich einen mehr oder weniger gelungenen Spaß mit den Rollern erlauben, indem sie sie umwerfen oder aufeinanderstapeln.
Bisher zu wenig E-Scooter-Stellplätze
Sicher würde es auch helfen, wenn mehr Abstellflächen extra für elektrische Tretroller zur Verfügung stünden. Schon vor zwei Jahren vereinbarten Senat, Bezirke und Anbieter auf einem Gipfeltreffen, dass ausgewählte Autoparkplätze in E-Scooter-Stellflächen umgewandelt werden sollen. Tatsächlich geklappt hat das bisher selten. Der Boxhagener Platz in Friedrichshain ist ein Positivbeispiel. Auch in Biesdorf wurde vor Kurzem am U-Bahnhof Elstarwerdaer Platz in Zusammenarbeit mit der BVG ein Sharing-Parkplatz eingerichtet, der von der Mobilitäts-App Jelbi erfasst wird.
Doch insgesamt gehe es viel zu langsam voran, kritisiert Florian Anders, Head of Corporate Communications beim Anbieter Tier. "Wir würden uns wünschen, dass schneller mehr Abstellflächen geschafft werden." Bisher gebe es nur etwa 15 davon in der Stadt, aber flächendeckendes Netz müsse das Ziel sein, sagt er. Andere Städte seien da schon wesentlich weiter. Zudem seien Unklarheiten bei den Zuständigkeiten ein bremsender Faktor, so Anders. Zudem müssten Tiefbaufirmen an der Umwandlung beteiligt werden – und die sind wie alle Handwerksunternehmen seit Längerem gut ausgelastet.
Konflikte mit Radfahrern
Einige handfeste Lösungansätze werden also schon verfolgt, aber grundsätzlich werden die Probleme rund um die E-Scooter erstmal bleiben. Auch im Spannungsfeld mit anderen Verkehrsteilnehmenden. Diesen Konflikt bringt Sabrina, die gerade am Brandenburger Tor mit einem Roller unterwegs ist, auf den Punkt: "Wir sind so ein bisschen für die Radfahrer, was die Radfahrer für die Autos sind: manchmal ein bisschen im Weg", lacht sie. Sie versuche aber durchaus, immer weit rechts zu fahren – und die Fahrradfahrer vorbeizulassen, sagt Sabrina. Dabei rutscht ihr am Ende des Satzes noch versehentlich ein "vielleicht" heraus.
Sendung: Abendschau, 22.08.2021, 19.30 Uhr
Die Kommentarfunktion wurde am 23.08.2021 um 15:12 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.