Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen - Warum der Milieuschutz in Berlin wenig wirkt

Binnen sechs Jahren wurden in Berlin mehr als 90.000 Mietwohnungen in Eigentum umgewandelt. Neue Zahlen zeigen: Milieuschutzgebiete, die den Mietwohnungsbestand sichern sollen, können Verdrängung nicht verhindern. Von Thorsten Gabriel
2020 ging es noch einmal richtig zur Sache: Quasi in Torschlusspanik entschlossen sich offenbar viele Vermieterinnen und Vermieter in Berlin dazu, die Wohnungen ihrer Mietshäuser in Eigentumswohnungen umzuwandeln – kurz bevor der Bund den Ländern die gesetzliche Möglichkeit gab, dies in großem Umfang zu verbieten. Und so wurden im vergangenen Jahr 19.189 Wohnungen dem Mietwohnungsmarkt potentiell entzogen – 51 Prozent mehr als im Vorjahr und damit so viele wie seit Jahren nicht.
In einigen Bezirken fiel der Anstieg besonders drastisch aus. Das geht aus einer noch nicht veröffentlichten Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen auf eine parlamentarische Anfrage hervor, die dem rbb vorliegt. Die Linken-Abgeordnete Gabriele Gottwald ließ sich die Umwandlungszahlen genauer aufschlüsseln. In Friedrichshain-Kreuzberg etwa stieg die Zahl der umgewandelten Wohnungen von 2019 auf 2020 um 98 Prozent (auf 2.986) und in Pankow um 75 Prozent (auf 2.880). In Tempelhof-Schöneberg waren es sogar satte 225 Prozent mehr (insgesamt 2.377) und in Spandau – wenn auch auf niedrigerem Niveau – 159 Prozent (565).
Teils mehr Umwandlungen innerhalb von Milieuschutzgebieten als außerhalb
Weitere Zahlen belegen eindrücklich, dass auch Milieuschutzgebiete kaum helfen, Wohnungsumwandlungen zu verhindern, obwohl diese dort genehmigungspflichtig sind. Zwischen 2015 und 2020 wurden in den Berliner Milieuschutzgebieten insgesamt 44.969 Mietwohnungen zu Eigentumswohnungen. In den allermeisten Fällen war dies möglich, weil Vermieterinnen und Vermieter zusicherten, in den folgenden sieben Jahren die Wohnung ausschließlich den Mieterinnen und Mietern zum Kauf anzubieten.
Unterm Strich wurden so in vielen Bezirken innerhalb von Milieuschutzgebieten mehr Wohnungen umgewandelt als außerhalb. In Friedrichshain-Kreuzberg waren es zwischen 2015 und 2020 insgesamt 10.595 Wohnungen innerhalb dieser Gebiete und 7.197 außerhalb. Noch deutlicher fällt der Unterschied in Pankow aus: Dort waren es 8.528 umgewandelte Wohnungen in Milieuschutzgebieten und nur 3.456 im übrigen Bezirksbereich.
Für diese Entwicklung gibt es vor allem zwei Erklärungen: Zum einen liegen die besonders attraktiven Wohnungen nun mal im Milieuschutz (andernfalls wären sie nicht schützenswert), zum anderen haben viele Bezirke in den vergangenen Jahren ihre Milieuschutzzonen erheblich ausgeweitet, so dass auch allgemein immer mehr Wohnungen innerhalb dieser Gebiete liegen.
Neues Gesetz ermöglicht stadtweite Regulierung von Umwandlungen
Dass auch außerhalb der Milieuschutzgebiete die Zahl der Umwandlungen im vergangenen Jahr nochmal stark angezogen hat, hängt damit zusammen, dass Berlin jetzt erstmals stadtweit und nicht nur in ausgewiesenen Quartieren die Möglichkeit hat, Umwandlungen zu regulieren. Mit dem "Baulandmobilisierungsgesetz" hat der Bund den Ländern vor kurzem die Möglichkeit gegeben, dies per Verordnung zu regeln. Der Senat beschloss eine entsprechende Vorlage am 3. August. Dadurch werden Wohnungsumwandlungen nun berlinweit stärker reguliert als dies bislang in Milieuschutzgebieten möglich war.
Zwar sieht das Gesetz auch hier Ausnahmetatbestände vor, diese allerdings sind geringer als bei den Vorgaben im Milieuschutz. Will ein Eigentümer etwa sein Mietshaus in Eigentumswohnungen aufteilen, muss er dafür nachweisen, dass zwei Drittel der Mietparteien bereit sind, ihre Wohnungen selbst zu kaufen. "In der Regel wird es erforderlich sein, dass der Eigentümer notariell beurkundete Erklärungen einer entsprechenden Anzahl von kaufwilligen Mietern vorlegt", teilt die Staatssekretärin für Wohnen, Wenke Christoph (Linke), in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage mit. Eine reine einseitige Absichtserklärung des Eigentümers, an zwei Drittel der Mieter veräußern zu wollen, reiche nicht aus, betont sie.
Opposition sieht Umwandlungsgeschehen eher positiv
Nach Ansicht der Linken-Abgeordneten Gabriele Gottwald ist das ein Hoffnungsschimmer. "Ich erhoffe mir von der Neuregelung eine drastische Abnahme der Umwandlungen, was bitter Not tut", sagte sie dem rbb. Es sei sehr bedauerlich, dass es auf Bundesebene nicht schon früher zu der gesetzlichen Regelung gekommen sei. "Der Entwurf dazu lag bereits im letzten Jahr vor, doch die CDU im Bund hat eine Beschlussfassung leider blockiert. Den drastischen Anstieg der Umwandlungen besonders in 2020 hätte man verhindern können."
Dass die Union sich mit diesem Vorhaben schwertat, ist wenig überraschend. Denn für die CDU, aber auch für die anderen Oppositionsparteien im Abgeordnetenhaus, AfD und FDP, sind Umwandlungen per se nichts Schlechtes. Mehr Mieter zu Eigentümern zu machen, ist aus ihrer Sicht nicht zuletzt als Altersvorsorge eine gute Idee. Doch gerade von den umgewandelten Wohnungen haben Mieterinnen und Mieter in den vergangenen Jahren nahezu gar nicht profitiert. So wurden zwischen 2015 und 2019 gerade mal 54 Wohnungen wirklich an Mieter verkauft – was 0,3 Prozent der umgewandelten Wohneinheiten entspricht.
Scheel: 6.000 Euro pro Quadratmeter zu teuer für Normalverdiener
Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) hatte sich bei seinem Amtsantritt vor einem Jahr nicht grundsätzlich gegen Wohneigentum ausgesprochen. "Wenn ich eine selbst genutzte Eigentumswohnung zu vernünftigen Preisen kriege, dann kann das durchaus auch einen Normalverdiener interessieren", sagte er damals im Gespräch mit dem rbb.
"Das Problem ist nur: Für 6.000 Euro pro Quadratmeter kann sich der Normalverdiener keine Wohnung leisten." Eigentumswohnungen an sich seien deshalb "weder Teil des Problems noch Teil der Lösung" der Probleme auf dem Wohnungsmarkt. Problematisch aber ist aus Sicht der Regierungsparteien SPD, Linken und Grünen die Umwandlung: Denn nach zehn Jahren steht einem neuen Eigentümer das Recht zu, Mietern wegen Eigenbedarf zu kündigen.
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