Hitzige Debatte im Abgeordnetenhaus - Berlin will weitere Ortskräfte aus Afghanistan aufnehmen

Do 02.09.21 | 22:07 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Ehemalige Ortskräfte aus Afghanistan. Bild: rbb
Bild: rbb

Berlin sei vorbereitet, weitere afghanische Ortskräfte unterzubringen, sagt Linken-Integrationssenatorin Elke Breitenbach. Die Fraktionen im Abgeordnetenhaus allerdings streiten über die Voraussetzung und Umsetzung dieser Unterbringung.

In einer vom Wahlkampf überschatteten Debatte hat sich das Berliner Abgeordnetenhaus am Donnerstag mit der Lage von afghanischen Flüchtlingen und vor allem Ortskräften der Bundeswehr und anderer Organisationen beschäftigt.

Jarasch fordert Aufnahmeprogramm

Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch forderte ein Aufnahmeprogramm für Angehörige von afghanischen Flüchtlingen in Berlin. Diese Menschen seien verzweifelt und würden zurzeit in großer Zahl Hilfsorganisationen wie die Berliner Beratungsstelle für politische Verfolgte kontaktieren.

Jarasch kritisierte zugleich die Bundesregierung: Diese habe zu spät die Lage in Afghanistan erkannt und die Aufnahme von Flüchtlingen lange erschwert oder gar verweigert. Sie dankte dem Senat, der früh die Bereitschaft zeigte, Flüchtlinge aus Afghanistan aufzunehmen. "Berlin duckt sich nicht weg, Berlin macht den Rücken gerade", so Jarasch.

Dregger warnt vor einem "Flüchtlingsstrom"

CDU-Fraktionschef Burkardt Dregger unterstützte die Aufnahme von afghanischen Ortskräften, die vor allem der Bundeswehr jahrelang geholfen haben. "Wer unseren Truppen und weiteren Stellen treu gedient hat, hat auch unsere Treue verdient." Ein Flüchtlingsstrom aus Afghanistan müsse jedoch verhindert werden, so Dregger. Deswegen sollten die meisten zu erwartenden afghanischen Flüchtlinge in den Nachbarländern Afghanistans untergebracht werden. Der Linkspartei warf Dregger vor, im Bundestag gegen den Bundeswehreinsatz in Kabul zur Evakuierung von Ortskräften gestimmt zu haben.

Die SPD-Abgeordnete Ülker Radziwill warf wiederum Dregger vor, mit der Not der Menschen in Afghanistan Wahlkampf zu betreiben. Sie kritisierte, dass der CDU-Abgeordnete Christian Gräff in Marzahn-Hellersdorf Klagen gegen die Unterbringung von afghanischen Flüchtlingen unterstützen wolle. Radziwill forderte, dass Berlin besonders afghanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufnimmt: "Denn Terrorregime wie die Taliban hassen die freie Wissenschaft."

Pazderski erkennt einen "gutmenschlich-dekadenten Zeitgeist"

AfD-Fraktionschef Georg Pazderski warf den Regierungsparteien in Bund und Berlin vor, mit "ideologischer Blindheit" die Probleme in Afghanistan jahrelang ignoriert zu haben. Das sei typisch für den "gutmenschlich-dekadenten Zeitgeist" in Deutschland. Pazderski stellte in Frage, dass alle bisher aus Afghanistan evakuierten Menschen schutzbedürftig sind. "Niemand weiß, ob wir auf diesem Wege nicht auch Personen zu uns geholt haben, die unsere Hilfe gar nicht verdienen, weil sie bestechlich oder gewaltbereit waren, für die Taliban spioniert haben oder sogar Terroristen sind."

Den bereits hier lebenden Afghanen warf Pazderski vor "Ehrenmorde, Messerstechereien, Übergriffe auf Frauen sowie Sozialbetrug" begangen zu haben. Deswegen müssten die meisten Flüchtlinge aus dem Land in Nachbarländern untergebracht und gehalten werden. Einreisen nach Deutschland dürften nicht ohne Sicherheitscheck und Identitätsprüfung geschehen.

FDP fordert "rechtsstaatliches Aufnahmeverfahren"

Der rechtspolitische Sprecher der FDP, Holger Krestel, sieht in der Flüchtlingsfrage vor allem den Bund in der Verantwortung. Für afghanische Ortskräfte brauche es ein rechtsstaatliches Aufnahmeverfahren, "unter Berücksichtigung der von ihnen erbrachten Leistungen".

Sozialsenatorin Elke Breitenbach von den Linken bedankte sich "bei den demokratischen Parteien" für die Bereitschaft, afghanische Flüchtlinge in Berlin aufzunehmen. Das Land habe schnell eine bereits geschlossene Aufnahmeeinrichtung wieder reaktiviert und bereits am 23. August dort die ersten 192 Ortskräfte mit ihren Familien, "darunter sehr viele Kinder", untergebracht. Eine weitere Unterkunft sei ebenfalls bereits wieder hergerichtet worden, so Breitenbach.

Breitenbach verteidigt Reserve-Unterbringungskapazitäten der Stadt

Die afghanischen Flüchtlinge, die in Berlin ankommen, würden allerdings auf andere Bundesländer verteilt. Die Senatorin verteidigte, dass Berlin immer Unterbringungskapazitäten in Reserve halte, so gebe es zum Beispiel in den Gemeinschaftsunterkünften immer 1.000 freie Plätze. Breitenbach erinnerte zugleich an die zahlreichen Angehörigen, die von den Flüchtlingen in Afghanistan zurückgelassen werden mussten. Auch denen müsse Deutschland jetzt helfen. "Weil sie Demokratinnen und Demokraten sind, und keine Messerstecher", sagte Breitenbach in Richtung der AfD. "Weil es Menschen sind, die um ihre Freiheit kämpfen, um die Freiheit ihrer Töchter. Das sind die Menschen, die hierherkommen."

Sendung: Inforadio, 02.09.2021, 14 Uhr

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Beitrag von Sebastian Schöbel

19 Kommentare

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  1. 19.

    In Deutschland wurden in den letzten Jahren unzählige Investitionen in die marode Infrastruktur verschoben, d.h. nicht getätigt weil kein Geld dafür da war. Dazu zählen marode, gesperrte Brücken, Straßen, Schule, Sporthallen usw.
    Aber wir wollen immer noch die ganze Welt retten und alle armen Menschen aus aller Welt können zu uns kommen und werden dann rundum versorgt. Dagegen muß dann der deutsche Arbeiter bis 70 arbeiten gehen.
    Ich sehe da eine Schieflage.

  2. 18.

    Tja als Rentner können sie umziehen und haben Herrn Kurz als Kanzler , sie können da Deutsche Fernsehen ohne GEZ zuzahlen schauen , das Benzin kostet nur 1,26 € der Lieter …….das ganze Leben gestaltet sich voll
    kommen neu , diesen Schritt habe ich endlich getan und schaue nun ganz anders auf mein ehemaliges Heimatland !
    Viel Spaß euch daheim , hier schüttelt man nur mit den Kopf über Deutschland ….

  3. 17.

    Inzwischen ist bekannt, dass unter den von der Bundeswehr Ausgeflogenen ca. 5600 Afghanen lediglich ca. 360 Ortskraefte waren. Ich bin dafür, dass diese 360 Personen in Deutschland aufgenommen werden und die Übrigen ein ordentliches Asyl erfahren durchlaufen sollten. Wer nach Prüfung keinen Anspruch auf Asyl hat, sollte auch nur einen befristeten Aufenthalt, wie die Asylbewerber aus anderen Ländern auch, erhalten und nach Möglichkeit unser Land auch wieder verlassen. Eine bevorzugte Behandlung dieser Afghanen erachte ich nicht als notwendig

  4. 16.

    Stellen wir es noch dem Bürger frei, Flüchtlinge im eignem Haushalt aufzunehmen und eine rundum Versorgung zu garantieren.
    Wer sagt denn, dass die politische (n) Lage (n) sich nicht verändern, dazu kommt auch das Heimweh, weil die deutsche Kultur nicht das Richtige ist.
    Zu Afghanistan kann ich nur einen Beitrag unseres Altkanzler Schmidt aus dem Jahre 2010, eingestellt bei Zeitonline empfehlen. Für Afghanistan könnte aber noch einige andere Länder mit ihrem Namen herhalten

  5. 15.

    In Deutschland gibt es marode Schulen, fehlende Kita Plätze, beim sozialen Wohnungsbau herrscht extremer Handlungsbedarf, ÖPNV muss endlich ausgebaut werden, Digitalisierung der Schulen etc. Es wäre schön, wenn man sich darum genauso intensiv kümmern würde. Deutschland kann nicht die ganze Welt retten.

  6. 14.

    Klar kann Ösiland keinen mehr aufnehmen - ist ja auch deutlich kleiner. Folglich schneller voll.

  7. 13.

    Kümmert euch erstmal um die Probleme im eignen Land bevor ihr global tätig werdet."
    Gilt das jetzt auch für die Ausbeutung von Rohstoffen oder die Nutzung von billigen Arbeitskräften?
    Werden die deutschen PC´s künftig nur noch von braven deutschen Arbeitern in Garmisch Partenkirchen aus Rohstoffen aus der Lüneburger Heide zusammengeschraubt?
    Und kommt das Öl dann aus den riesigen Ölfeldern Thüringens?
    Gut, könnte zu einigen Schwierigkeiten führen. Aber dafür haben wir dann auch pro Kopf xxxx kg Schweinefleisch im Jahr mehr. Müßen wir dann ja nicht mehr nach China exportieren.

  8. 12.

    Die Linken und Grünen, die das so ähnlich fordern, sind meistens auch diejenigen, die dann die Integration denjenigen überlassen, die schon jetzt überfordert sind: Sozialarbeitern, Lehrern, Nachbarn in prekären Stadtteilen...
    Sie gehören mit ihrer hier gern vorgetragenen moralischen Aura sicher nicht dazu...

  9. 11.

    Leider kann ich Herr Kurz aus Österreich jetzt nicht wählen....."
    Es steht Ihnen natürlich frei umzuziehen..........

  10. 10.

    Es ist schon schlimm, wenn man mit ansehen muss, wie die Millionenbeträge an ausländische Staaten von unserer Regierung verteilt werden, und man dabei nur zusehen kann. Ein großer Teil versickert dabei leider immer wieder i n dunkle Kanäle. Ich kann dem Beitrag von Ich nur voll und ganz zustimmen. Diese EU-Aufrüstungspolitik ist nicht zu verantworten.

  11. 9.

    Also mal die Fakten. Wenn ich Menschen aufnehme brauchen sie als erstes Wohnraum.
    Davon haben wir ja Zuviel anscheinend. Um die Miete zu bezahlen braucht man Geld. Das ist nicht das Geld der Politik sondern ganz einfach Steuergelder.Ach ja arbeiten müssen auch noch alle. Fakt ist Siemens Alstom usw. bauen zur zt Arbeitsplätze ab. Wenn ich sehe was auf Deutschland für Infrastruktur Probleme in nächster Zukunft auf uns zukommen wird mir Angst und Bange. Fakt ist ich hatte 30 Jahre einen Arbeitgeber der mir Lohn bezahlt hat als das Arbeitsverhältnis zu Ende war gab es auch nichts mehr. Ich bin dafür Leute ins Land zu holen, aber erst wenn es keine Kinderarmut im Land gibt und Rentner nicht mit 70 noch arbeiten müssen. Selbstverständlich kann Frau Breitenbach mit ihren Geld Patenschaften übernehmen aber nicht immer zu Lasten der Allgemeinheit. Kümmert euch erstmal um die Probleme im eignen Land bevor ihr global tätig werdet.

  12. 8.

    Diejenigen, die wir da aufnehmen, sind natürlich in der Mehrzahl total progressiv und tolerant gegenüber alternativen Lebensentwürfen... Einfach immer nur die komplette Gegenposition zu Einwanderungsgegnern beziehen, wirkt auf die Dauer auch etwas einfältig.

  13. 7.

    Irgendwann reicht es doch ..... die Altersarmut in Deutschland wird immer mehr aber dafür haben wir kein Geld um diese zu stoppen. Es tut schon weh, wenn man liest, das wir immer wieder Flüchtlinge aufnehmen aber die 35/40 Jahre Gearbeitet haben können sehen wo Sie bleiben. Österreich hat doch vollkommen Recht mit dem Satz.... es Reicht wir können keinen mehr aufnehmen.

  14. 6.

    Das ist mir schon klar das der Bund der Arbeitgeber war aber es ist trotzdem IHR Heimatland .

  15. 5.

    Der Bund war der Arbeitgeber der Ortskräfte, also haben sie für uns gearbeitet.

  16. 4.

    Ich bin weder ausländerfeindlich noch rechts noch Nazi das möchte ich vorab betonen weil man sich ja immer erst rechtfertigen muss wenn man was sagt .....leider .
    Für mich alles nicht nachzuvollziehen . In erster Linie haben diese Menschen für IHR Land gedient und nicht für UNS . Es ist ihr Land und vielleicht auch mal für kämpfen und nicht immer nur unsere Soldaten dort sterben lassen .
    Frage mich auch wo kommt bitte das ganze Geld her wenn wir nicht mal für alle Schulen in der Pandemie Desinfektionsmittel geschweige Lüftungsanlagen haben. Es wird langsam kalt und die Kinder sitzen weiterhin mit offenen Fenstern und im Durchzug in den Schulen. Mich würde es freuen wenn wir langsam auch mal wieder anfangen an die eigene Bevölkerung zu denken . Nicht falsch verstehen ich habe wirklich nichts gegen helfen und solidarisch bin ich auch aber langsam reicht es mir auch !

  17. 3.

    Leider kann ich Herr Kurz aus Österreich jetzt nicht wählen.....

  18. 2.
    Antwort auf [Sebastian Rother] vom 02.09.2021 um 22:15

    Je mehr wir aufnehmen, desto besser. Danke!
    Ob das den Neonazis und Rassisten gefällt, ist natürlich irrelevant.

  19. 1.
    Antwort auf [Sebastian Rother] vom 02.09.2021 um 22:15

    berlin hofiert vieles......ist doch lange bekannt!

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