Berliner Verwaltung - Anderthalb Jahre Wartezeit auf Termine bei der Einbürgerungsbehörde

Es gibt Dinge, die passen einfach nicht zusammen: Öl und Wasser, heiß und kalt, Termine und Berliner Behörden. Einige Einbürgerungsämter haben mittlerweile frühestens Ende 2022 Zeit. Bei Betroffenen löst das Existenzängste aus. Von Oliver Noffke
Ammar Abouabdullah lebt in Berlin-Charlottenburg und würde gern einen Antrag auf Einbürgerung stellen. "Ich habe das Einbürgerungsamt am 28. April kontaktiert und da wurde mir gesagt, dass ich auf einer Warteliste für einen Termin bin." Sechs Monate später hat sich an dieser Situation für den 27-Jährigen nichts getan: Er wartet nach wie vor auf eine Erstberatung. "Vor vier Tagen habe ich noch einmal geschrieben und da wurde mir gesagt, man könne nichts tun." Stattdessen sei er darauf hingewiesen worden, dass es bis zu einem Jahr dauern könne, eine Erstberatung zu erhalten.
Abouabdullah sagt, dass er alle Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfülle, "und trotzdem bekomme ich keinen Termin". Die andauernde Hängepartie ist für ihn eine Belastung, denn sein Aufenthaltstitel ist befristet. "Manchmal bekomme ich Albträume, dass ich nicht hier sein kann, sondern zurück nach Syrien muss", sagt er. "Nicht nur weil die Situation in den Gebieten schlecht ist, wo gekämpft wird. Auch wo die Leute sicher leben, ist ihre Situation schlecht."
Zwei Termine mit persönlicher Anwesenheit
Dass es schwer ist, in Berlin einen Termin auf dem Bürgeramt zu bekommen, ist nicht neu. Ummeldung, Reisepassverlängerung, Ehefähigkeitszeugnis – sobald die Verwaltung etwas von den Bürgern fordert oder von ihnen gebraucht wird, fällt es ihr schwer überhaupt erreichbar zu sein. Das ist nicht erst seit der Corona-Pandemie der Fall.
Die Einbürgerung erscheint jedoch als besonders nervenaufreibender Verwaltungsakt. Denn in vielen Bezirken sind dazu zwei Termine auf dem Amt notwendig - oftmals beide mit persönlicher Anwesenheit: Eine Erstberatung, bei der auch personalisierte Anträge ausgegeben werden, sowie ein zweiter Termin, um die ausgefüllten Formulare abzugeben. Außerdem muss das Prozedere zwingend im Heimatbezirk durchlaufen werden. "Ich habe versucht einen Termin in Spandau zu bekommen, aber das ging nicht", sagt Abouabdullah. Wie die Antragsstellung und Bearbeitung im Detail verläuft, ist zwischen den Bezirken offenbar nicht einheitlich geregelt.
"Wir sind vorerst bis Dezember 2021 ausgebucht"
In einer ähnlichen Position befindet sich Anas Modamani. Der 24-Jährige stammt ebenfalls aus Syrien. Die Dauer seiner Aufenthaltsgenehmigung ist an die Regelstudienzeit seines Bachelor-Studiengangs gekoppelt. Im Januar hat er begonnen beim Bezirksamt Lichtenberg einen Termin für die Erstberatung zur Einbürgerung zu erhalten. "Erst hieß es, geht nicht wegen Corona, dann war das vorbei, aber ich bekam trotzdem keinen Termin", sagt Modamani. "Ich habe ohne Pause angerufen. Es klingelt, aber keiner geht ran."
Im September habe er schließlich einen Termin für die Erstberatung erhalten. Um es allen möglichst einfach zu machen, habe er die notwendigen Unterlagen sowie Kopien davon komplett mitgenommen, sagt der Student. "Die Sachbearbeiterin hat mir dann gesagt, ich darf die Unterlagen mitnehmen, aber für die Abgabe brauchen wir einen neuen Termin." Vor ein paar Tagen erhielt er eine Nachricht von der Lichtenberger Einbürgerungsstelle: "Wir sind vorerst bis Dezember 2021 ausgebucht", stand darin.
"Ich habe Angst, dass ich das nie bekommen werde, obwohl ich mich gut integriert habe", sagt er. Er habe mehrere Jahre Sprachkurse belegt, habe nun eine eigene Wohnung gefunden und arbeite neben dem Studium als Kassierer in einem Supermarkt. "Ich hoffe wirklich, dass man die Chance auf ein Gefühl von Sicherheit bekommt", antwortet Modamani auf die Frage, was er denn von der Berliner Verwaltung halte, "damit ich endlich die innere Ruhe finde, um einmal im Leben tief schlafen zu können."
Giffey: "Es ist wichtig, dass wir uns neu um dieses Ziel kümmern"
Auf den Seiten der Berliner Verwaltung im Internet, kann man momentan lediglich für drei der zwölf Bezirke überhaupt die Möglichkeit anwählen einen Termin zu buchen. Aber auch das ist nichts weiter als eine digitale Fatamorgana, denn viel mehr als ein Monatsplan ohne freie Kapazitäten verbirgt sich dahinter meist gar nicht.
Franziska Giffey, Berliner SPD-Vorsitzende und designierte Regierende Bürgermeisterin, sagte am Freitag in der Abendschau, dass die Verwaltung vor der Pandemie schon einmal ganz nah dran war am selbstgesteckten Ziel, den Bürgern innerhalb von zwei Wochen einen Termin anbieten zu können. Die Pandemie habe dies jedoch zunichte gemacht. "Es ist wichtig, dass wir uns neu um dieses Ziel kümmern." Die Landesregierung müsse die Bezirke in die Lage versetzen, ihre Aufgaben zu erfüllen, so Giffey. "Ich habe 16 Jahre Bezirkserfahrung hinter mir, wenn nicht genügend Menschen da sind, die es machen, oder wenn Verfahren so gestaltet sind, dass die, die vor Ort den Kontakt haben, das nicht für praktikabel halten, dann ist das ein Problem."
Termin Ende kommenden Jahres
Eine Woche nachdem Mohamad al Jamous das Bezirksamt Pankow um einen Termin für die Einbürgerung gebeten hat, wurde ihm mitgeteilt, dass man sich innerhalb von vier Wochen bei ihm melden werde. Im Juli wurden ihm dann – anders als In Charlottenburg-Willmersdorf oder Lichtenberg – die Antragspapiere zugeschickt. Und ein Termin für die Abgabe: Dezember 2022. "Nur um die Unterlagen abzugeben", sagt er. "Die haben mir gesagt, die Bearbeitung dauert zwei Jahre."
Immerhin, sagt al Jamous, hat er einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Dennoch lässt ihn die lange Wartezeit ratlos zurück. "Ich überlege, ob ich einen Anwalt einschalten soll oder den Bezirk wechseln. Ich weiß nicht, was ich machen soll."
Sendung: Abendschau, 22.10.2021, 19.30 Uhr