Bundespolizei übernimmt Erstkontrollen - Brandenburg erhält wegen steigender Flüchtlingszahlen Hilfe vom Bund

100 Geflüchtete kommen täglich über Belarus und Polen nach Brandenburg. Um die Behörden zu entlasten, werden in Kürze auch verstärkt Bundespolizisten eingesetzt. Sie sollen etwa die Corona-Kontrollen der Menschen übernehmen.
Brandenburg wird wegen der steigenden Zahl von Flüchtlingen, die über Belarus und Polen nach Deutschland kommen, verstärkte Hilfe der Bundespolizei erhalten. Er habe mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vereinbart, dass die Hilfseinsätze spätestens in anderthalb Wochen beginnen würden, sagte der Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Dienstag im rbb-Inforadio. Dabei solle die Bundespolizei unter anderem die Erstkontrolle von Migranten übernehmen.
Dies bedeute, dass die Bundespolizisten auch für Coronatests, Sicherheitsüberprüfung und Erstversorgung sorgten, sagte Stübgen weiter. "Und dass unmittelbar danach das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Verteilung in die anderen Bundesländer organisiert, so dass unsere Ausländerbehörde sich dann vor allem um diejenigen kümmern kann, die in Brandenburg bleiben."
Stübgen gegen Grenzschließung
Eine Grenzschließung zu Polen lehnte der brandenburgische Innenminister ab. Verstärkte Kontrollen an der polnischen Grenze finde er aber richtig, sofern die Bundespolizei auch die Kapazitäten dafür habe. Stübgen zufolge kommen über Belarus und Polen täglich über hundert geflüchtete Menschen nach Brandenburg. Die Zahlen steigen demnach weiter.
Laut Bundesinnenministerium wurden seit August etwa 4.500 illegale Grenzübertritte an der polnisch-deutschen Grenze verzeichnet. Die Flüchtlinge kommen dabei auch in großer Zahl nach Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Das Bundeskabinett befasst sich am Mittwoch mit der Lage. Seehofer will dabei Handlungsoptionen präsentieren.
Kelch befürchtet Integrationsprobleme
Angesichts der steigenden Zahl von Flüchtlingen fordert Cottbus Hilfe vom Land.
Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) befürchtet Integrationsprobleme, wenn die Stadt im kommenen Jahr wieder Migranten aufnehmen muss - unter anderem, weil die Gelder dafür gekürzt werden sollen.
Im rbb wies Kelch auf entsprechende Planungen im Landeshaushalt hin. Demnach ist vorgesehen, das Integrations-Budget und das Geld für die Migrationssozialarbeit zu kürzen, Gelder für Deutschkurse seien bereits gestrichen worden.
Kelch rief die Landesregierung auf, eine Wohnsitzauflage mit integrationsverpflichtenden Maßnahmen für Flüchtlinge in den Landkreisen und kreisfreien Städten zu erlassen. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass die Menschen wieder aus den Kreisen in die größeren Städte ziehen, was diese überfordern würde.
In den Cottbuser Schulen gebe es schon jetzt Klassen, in denen mehr als die Hälfte der Schüler Migranten seien, so Kelch weiter. Das sei eine Gefahr für den Bildungsstandort, denn so könne Bildungsarbeit in hoher Qualität nicht mehr gewährleistet werden.
Forderungen nach Sanktionen gegen Airlines
Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte am Montag Sanktionen gegen Fluggesellschaften vorgeschlagen, die an der Migration über Belarus in die EU verdienen. Den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko nannte er den "Chef eines staatlichen Schleuserrings".
Stübgen erklärte dazu, er unterstütze die Forderung nach Sanktionen gegen Fluggesellschaften. "Das ist auch schon in anderen Fällen gemacht worden: ein EU-weites Landeverbot für beteiligte internationale Fluggesellschaften. Dann würden die meisten sehr schnell überlegen, ob sie den von Belarus orchestrierten Menschenhandel unterstützen", sagte der Minister am Montagabend im rbb-Nachrichtenmagazin Brandenburg Aktuell.
Landrat Schmidt: befristete Kontrollen an der Grenze sinnvoll
Der Landrat des Kreises Märkisch-Oderland, Gernot Schmidt (SPD), hält die Einführung befristeter Kontrollen an der Grenze zu Polen angesichts zunehmender illegaler Einreisen über Belarus nach Brandenburg für sinnvoll. "Unser Partner Polen lässt die Bundesrepublik im Regen stehen", sagte Schmidt der "Märkischen Allgemeinen" [maz.de, Paywall].
Migranten dürften weiterziehen, ohne dass ihre Personalien erfasst würden. Nach seiner Ansicht ließen sich die Einreisen am einfachsten an den Brückenverbindungen wie beispielsweise an der Autobahn 12 bei Frankfurt (Oder) und der Bundesstraße 1 nahe Kostrzyn überprüfen. Zuvor hatte der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, temporäre Kontrollen an der Grenze zu Polen vorgeschlagen und mit einem "nahezu explosionsartigen" Anstieg der Zahl der Aufgriffe begründet.
Lukaschenko rächt sich wegen EU-Sanktionen
Deutschland und die EU werfen dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, Flüchtlinge aus dem Nahen Osten über die Grenzen von Polen, Litauen und Lettland in die EU zu schleusen. Motiv ist demnach Vergeltung für europäische Sanktionen, die sich gegen Menschenrechtsverstöße richten.
Sendung: Infordaio, 19.010.2021, 12:20 Uhr