Niederlage in internem Machtkampf - Warum Stohn so plötzlich als SPD-Fraktionschef zurückgetreten ist

Über den Rücktritt des Brandenburger SPD-Fraktionsvorsitzenden Erik Stohn werden nun weitere Details bekannt. Seine Ablösung wurde offenbar von langer Hand geplant - und Stohns größter Konkurrent ist ausgerechnet sein ehemaliger Protegé. Von Oliver Soos
Die Verwunderung bei den Pressevertretern im Potsdamer Landtag war groß am Dienstagnachmittag. SPD-Fraktionschef Erik Stohn hatte gerade angekündigt, den Vorsitz der größten Regierungsfraktion im Landtag abzugeben - also einen ziemlich einflussreichen und gut bezahlten Job. Was besonders überraschte, war Stohns Begründung. Die SPD habe ein "sehr gutes Bundestagswahlergebnis" in Brandenburg und in Ostdeutschland erzielen können, so Stohn. "Und eines ist damit auch klar: In den Koalitionsverhandlungen muss so viel Osten stecken wie noch nie. Das sind Dinge, die ich bei Gesprächen in Berlin einbringen will."
Stohn deutet Verwendung auf Bundesebene an
Bei den Journalisten im Raum kamen sofort Fragen auf, welcher Posten für Stohn in Aussicht stehe - besonders zu einem so frühen Zeitpunkt, wo eine neue Bundesregierung noch gar nicht steht. Staatssekretär in einem Bundesministerium? Vielleicht sogar Ost- Beauftragter der neuen Bundesregierung? Gibt es möglicherweise eine Absprache mit SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der in Potsdam und Umgebung seinen Wahlkreis gewinnen konnte? Stohn wollte dazu nichts Konkretes sagen. "Wenn etwas gut gelingen soll, dann basiert das auf Vertrauen und Verschwiegenheit", sagte der scheidende SPD-Fraktionschef. "Ich werde mich in den kommenden Wochen sehr intensiv darum kümmern, in enger Abstimmung mit Dietmar Woidke wie gewohnt. Und zur gegebenen Zeit gibt es wieder etwas mitzuteilen."
Fraktion schon lange unzufrieden mit Stohn
Nach der Pressekonferenz sickerten dann aber immer mehr fraktionsinterne Informationen durch. Aus SPD-Kreisen erfuhr der rbb, dass Stohn schon länger in der Kritik stand: wegen "holpriger Landtagsreden", wegen seiner Leistung als Vorsitzender und wegen mangelnder Verlässlichkeit in Absprachen.
Zudem tobt innerhalb der SPD-Fraktion ein Machtkampf: Der parlamentarische Geschäftsführer, Daniel Keller, will Stohn den Chefposten streitig machen. Nun soll er angekündigt haben, bei der nächsten Wahl zum Fraktionsvorsitz in einer Kampfkandidatur gegen Stohn antreten zu wollen. Hinter den Kulissen gab es deswegen nach rbb-Informationen bereits heftigen Streit. Stohn habe nun zurückgezogen, um einer Abwahl zuvorzukommen.
Konkurrenz durch Stohns Protegé Keller
Ausgerechnet Keller war es, der bei Stohns Pressekonferenz direkt neben ihm auf dem Podium saß. Anmerken ließ er sich freilich nichts. "Ich bin 2019 als junger Abgeordneter erstmalig in den Landtag eingezogen", so Keller. "Kein Anderer als Erik Stohn war es, der mich auch motiviert hat, meinen Hut für den parlamentarischen Geschäftsführer in den Ring zu werfen."
Keller ist ein 35-jähriger Judoka aus Potsdam, mit Trainererfahrung im Kinder- und Jugendsport. Er betonte, dass die Wahl eines neuen SPD-Fraktionsvorstands in Ruhe vorbereitet würde. Die konnte schon sehr bald erfolgen, bei der Herbstklausur der SPD-Fraktion Ende Oktober.
Sendung: Inforadio, 06.10.2021, 7:00 Uhr