Protest gegen Brandenburger Haushaltspläne - "Es ist ein Skandal, gerade bei Frauen und Familien zu sparen"

Knapp 15 Milliarden Euro umfasst der Haushalt des Landes Brandenburg für 2022 - der dritthöchste Etat in der Geschichte. Frauen- und Familien-Initiativen müssen aber mit weniger Geld auskommen. Dagegen regt sich Protest. Von Lisa Steger
Freie Träger, die Frauen und Familien unterstützen, sollen im nächsten Jahr gut 148.000 Euro weniger erhalten. Das geht aus dem Haushaltsentwurf hervor, der dem rbb vorliegt. Eine Kürzung um knapp sieben Prozent, also noch moderat.
Die Vorhersage für die folgenden Jahre bis 2025 zeigt jedoch: Wenn man die Projekte betrachtet, die schon beschlossen sind oder für das nächste Jahr noch beschlossen werden sollen, sind die Kürzungen deutlicher und betragen knapp ein Viertel: ein Rückgang der Zuschüsse um rund eine Million.
Betroffen wären, wie es auf Seite 115 des Entwurfs heißt, beispielsweise Familienverbände, Ferienfreizeiten für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen sowie Mädchenarbeit.
Feministinnen sprechen von einem falschen Signal
Sparen muss jetzt beispielsweise Birgit Uhlworm von der Selbsthilfeinitiative Alleinerziehender "SHIA" in Königs Wusterhausen im Kreis Dahme-Spreewald. Ihre einzige Bürokraft muss sie entlassen. "Wir sind der Meinung, es ist ein Skandal, dass gerade bei Frauen und Familien gespart wird", findet Uhlworm. "Alle, die Kinder haben, wissen, was es bedeutet, Homeschooling zu erleben - oder das Kind zuhause betreuen zu müssen, weil die Kita geschlossen war."
In der Pandemie hätten mehr alleinerziehende Mütter Rat gesucht als vorher, erklärt Uhlworm auf Anfrage. Fragen rund um Hartz IV hätten eine große Rolle gespielt.
Abspecken bei Veranstaltungen geplant
Die Frauenzentren in Cottbus, Schwedt und Potsdam müssen ebenfalls Kürzungen hinnehmen; mit zehn Prozent weniger Geld rechnet Michaela Burkard vom Frauenzentrum Potsdam, das auf drei Stockwerken in einem Haus am Schiffbauerdamm arbeitet. Die Schulden- und Familienberatungen sollen bleiben, sagt Burkard. Abspecken will sie bei Veranstaltungen. "One Million Rising" - eine Million erhebt sich - der Weltfrauentag: Wir versuchen zu erreichen, dass nichts ausfällt." Events, die bisher größer waren, könnten aber in einem kleineren Rahmen stattfinden, so Michaela Burkard.
Viele Veranstaltungen im Frauenzentrum Potsdam sind allerdings jetzt schon klein. Zu Treffen wie etwa dem Frauenfrühstück oder der Interkulturellen Gruppe erscheinen 10 bis 20 Menschen. Das fehlende Geld über Eintrittspreise hereinzuholen, komme nicht in Frage. "Wir nehmen, wenn es geht, keinen Eintritt, wir wollen jeder Frau die Chance geben, teilzunehmen", betont Burkard.
Kürzungen bei Kinderwunschbehandlungen
Schlechte Nachrichten birgt der Etatentwurf auch für manche Paare, die unfreiwillig kinderlos sind. Einige benötigen eine Reagenzglasbefruchtung, oft in Verbindung mit der sogenannten ICSI-Methode, der "Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion". Dabei wird mit einer sehr feinen Nadel eine einzelne Samenzelle in eine Eizelle eingeführt, die der Frau zuvor entnommen wurde.
Die Krankenkassen übernehmen in der Regel nicht die vollen Kosten. Bisher haben Brandenburger Paare die Möglichkeit, bis zu 50 Prozent ihres Selbstkostenanteils als Landeszuschuss zu bekommen - und dies bei bis zu drei Behandlungszyklen: Je nach Art der Behandlung können es gut 3.200 Euro pro Zyklus sein. Es ist eine freiwillige Leistung des Landes. Ein Rechtsanspruch besteht nicht.
Der Bund und einige Bundesländer finanzieren das Programm gemeinsam. In diesem Jahr hat das Land Brandenburg dafür 450.000 Euro selbst aufgewandt. Im nächsten Jahr sollen es, wie der Entwurf auf Seite 110 festhält, nur noch 210.000 Euro sein - weniger als die Hälfte.
Ein falsches Signal, findet Verena Letsch vom Frauenpolitischen Rat: "Im nächsten Jahr gibt es noch das Geld, im Jahr darauf soll es ganz abgesägt werden." Viele Paare könnten sich jedoch solche Behandlungen nicht leisten. "Ich möchte keinen Vorschlag machen, wo überhaupt gespart werden soll", sagt die Feministin, "ich kann auch nicht erkennen, dass es einen Zwang gibt, jetzt zu sparen."
In Brandenburg wird derzeit viel investiert, zum Beispiel durch Tesla, und das wird mehr Steuern einbringen, so Letsch. "Warum nicht jetzt die Schulden machen? Jetzt, wo das Geld gebraucht wird?"
Keine Kürzungen bei queeren Projekten
Der Haushaltsentwurf liegt jetzt dem Landtag vor, der ihn voraussichtlich im Dezember beschließen wird. Vermutlich aber nicht in der vorliegenden Fassung.
Doch nicht gekürzt wird vermutlich bei queeren Projekten, die laut Entwurf rund 100.000 Euro weniger bekommen sollten. Nach Protesten haben die an der Regierung beteiligten SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen Änderungsanträge angekündigt, sie wollen die Kürzungen abwenden.
Die Kürzungen betreffen den Etat des Grünen-geführten Sozialministeriums. Sprecher Gabriel Hesse teilt auf rbb-Anfrage schriftlich mit, die Landesregierung habe den Ministerien Kürzungsvorgaben gemacht: "Die Maßnahme war eine sehr schwierige, jedoch notwendige Entscheidung, die nach intensiven Verhandlungen von der Landesregierung getroffen wurde."
Ingo Decker, Sprecher des SPD-geführten Finanzministeriums, betont auf rbb-Anfrage, in den letzten Jahren seien die Zuschüsse für Frauen und Familien stark erhöht worden. Das relativiere die nun beabsichtigte Kürzung. Und: Für Opfer von Gewalt wolle man im nächsten Jahr sogar knapp 190.000 Euro mehr ausgeben als in diesem Jahr. "Dieser Haushalt steht vor enormen Herausforderungen", so Decker. Wir haben eine Ausgabendynamik, die wir auf Dauer nicht fortsetzen können." Es gebe "hohe Lasten wegen Corona."
Am 3. November wird sich der Sozialausschuss des Brandenburger Landtags mit den Sparplänen beschäftigen. Ein Zusammenschluss von 38 Frauenorganisationen will an diesem Tag vor dem Parlament protestieren.
Sendung: radioeins, 20.10.2021, 3 Uhr