Stohn abgelöst - Brandenburger SPD-Fraktion wählt Keller zum neuen Vorsitzenden

Trotz einer klaren Mehrheit ist die Wahl von Daniel Keller zum SPD-Fraktionsvorsitzenden im Brandenburger Landtag nicht geräuschlos über die Bühne gegangen: Sein Vorgänger Erik Stohn attackiert Keller per Interview und spricht von Verrat. Von Torsten Sydow
Mit freundlichen Blick und wachen, das Gegenüber abschätzenden Augen, steht Daniel Keller im blauen Anzug auf der Hotelterrasse in Potsdam. Nur zwei Jahre nach dem Einzug in den Landtag Brandenburg ist er am Donnerstag von der SPD-Landtagsfraktion mit 21 von 24 Stimmen zum neuen Vorsitzenden gewählt worden. Keller war der einzige Kandidat.
Ein schneller Erfolg: Noch vor Monaten nicht absehbar und eine schmerzliche Niederlage für seinen Vorgänger, den Jüterboger Erik Stohn. Auch ein Zeichen, wie wenig kollegial es in der Fraktion zugeht und was es bedeutet, wenn eigene Schwächen nicht erkannt und abgestellt werden.
Fraktionsmitglieder kritisierten Stohns Reden als holprig
Anfang Oktober hatte Stohn angekündigt, nicht wieder für den Vorsitz anzutreten und auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz den bisherigen parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion, Daniel Keller, als Nachfolger vorgeschlagen. Eher nebulös sprach Stohn davon, sich nach den Stimmenzuwächsen für die SPD bei den Bundestagswahlen in die Verhandlungen für die Ampel in Berlin einbringen zu wollen. Als Stimme des Ostens.
Anonym bleiben wollende Fraktionsmitglieder hatten zuvor Kritik an Stohn geübt: seine Reden im Landtagsplenum seien holprig und verbesserungswürdig und Abmachungen innerhalb der Fraktion würden von Stohn nicht eingehalten.
Stohn bläst zur Attacke via Interview
Keinen Dienst erwies sich Stohn und seiner Fraktion mit einem Interview wenige Stunden vor der Neuwahl der Fraktionsführung. Er empfinde es schon als "Verrat", wenn einem Menschen in den Rücken fielen, die man einst gefördert habe, sagte Stohn der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" [Bezahlinhalt] am Donnerstag. Seinem Nachfolger warf er vor, ihn "rausgedrängt" zu haben. Keller habe ihm vor ein paar Wochen eröffnet, dass er bei den Vorstandswahlen keine Mehrheit mehr bekommen würde, sagte Stohn. Er habe von Kellers Ambitionen gewusst - aber dieses rücksichtslose Beiseiteschieben schockiere ihn.
Stohn gab zu Protokoll, der SPD-Landesvorsitzende Dietmar Woidke habe ihn gebeten, nicht zu einer Kampfkandidatur anzutreten, um eine Spaltung der Fraktion zu vermeiden. Hinter den Kulissen gab es deswegen nach rbb-Informationen bereits heftigen Streit. Woidke selbst war bei der Wahl von Keller nicht anwesend, weil er in Berlin an den Koalitionsverhandlungen zum Thema Kohle und Energie teilnimmt.
Stohn kündigte an, dass er nun verstärkt kommunalpolitisch aktiv sein werde und sich um den SPD-Kreisvorsitz Teltow-Fläming bewerben wolle.
Fraktion hüllt sich in Schweigen
Bezeichnend ist, das fast kein SPD-Fraktionsmitglied über die Aussprache vor der Wahl des Stohn-Nachfolger Auskunft geben will. "Ganz normal sind die Probleme ausdiskutiert worden", berichtet immerhin Fraktionsmitglied Björn Lüttmann aus Oberhavel. Als Fraktionsvorsitzender, der nicht mehr antritt, sehe man Dinge anders als die Kollegen, gibt Lüttmann die Debatte wieder.
Daniel Keller, der 35-jährige Jugendsporttrainer und Präsident des Deutschen Judo-Verbandes, ist ganz Politiker und geht am Donnerstag trotz mehrfacher Fragen von Journalisten nicht auf das Wut-Interview seines Vorgängers ein. Alle 25 Fraktionsmitglieder - auch Erik Stohn - würden in den kommenden drei Jahren der Wahlperiode gemeinsam "Dienst für die Sache machen. Das wird gelingen", sagt Keller beim Pressestatement. Soviel wie möglich sozialdemokratische Politik, von der Bildung bis zur Industrieansiedlung, solle umgesetzt werden.
Ludwig Scheetz als neuer Parlamentarischer Geschäftsführer an Kellers Seite
Was bleibt ist eine aufgewühlte SPD-Fraktion. Das Wort "Putsch" soll auf der Sitzung gefallen sein. Ob die SPD-Fraktion mit dem Vorsitzenden Daniel Keller und dem Parlamentarischen Geschäftsführer Ludwig Scheetz als Führungsduo mehr Selbstbewusstsein und Vorschlagsfreunde gegenüber der Staatskanzlei und der Landesregierung an den Tag legen, müssen die nächsten Monate zeigen. Wichtig wäre es, um die Rolle des Landesparlamentes zu stärken.
Enttäuscht steht der abgesetzte SPD-Fraktionschef Erik Stohn da. Er sagt über sich, er habe Geradlinigkeit behalten und wolle als direkt gewählter Landtagsabgeordneter nach vorne blicken und voller Demut und Freunde Zukunftspolitik für Brandenburg machen. Selbstkritische Sätze sind seine Sache nicht. Nicht heute. Da könnte Keller künftig den Unterschied machen.
Sendung: Brandenburg aktuell, 28.10.2021, 19:30 Uhr