Brandenburg - Streit um neues Ein- und Ausreisezentrum am BER

Do 04.11.21 | 19:34 Uhr | Von Oliver Soos
Das geplante "Behördenzentrum" am BER Berlin Brandenburg. (Quelle: rbb)
Video: Brandenburg aktuell | 03.11.2021 | Thomas Bittner | Bild: rbb

In Schönefeld soll ein Behördenzentrum gebaut werden, über das es viele Diskussionen gibt. Kritiker fürchten, dass hier das neue Abschiebe-Drehkreuz für ganz Deutschland entsteht. Brandenburgs Innenminister Stübgen will davon nichts hören. Von Oliver Soos

Im Zusammenhang mit dem geplanten Ein- und Ausreisezentrum am Flughafen BER gibt es Kritik an Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU).

Diese kommt vom betroffenen Landkreis Dahme-Spreewald und aus dem Brandenburger Landtag, dort sogar von einem Koalitionspartner. "Das große Problem ist, das wir nicht wissen, was in Schönefeld geplant ist", sagte die asylpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Marie Schäffer, Anfang dieser Woche. "Uns geht es darum, dass wir in der Koalition gemeinsam solche sensiblen Themen angehen und dass nicht Entscheidungen getroffen werden, die später nicht mehr rückgängig machbar sind", so Schäffer.

Absprachen gab es dagegen zwischen Stübgen und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Am 25. Oktober, an Seehofers letztem Tag im Amt, haben die beiden Minister eine gemeinsame Absichtserklärung über das neue Behördenzentrum in Schönefeld unterschrieben. Entstehen soll ein Ein- und Ausreisezentrum des Landes und des Bundes. Darüber wurde am Mittwoch im Innenausschuss des Brandenburger Landtags gestritten.

Was hat Stübgen mit Seehofer vereinbart?

"Was genau steht in dieser Grundsatzvereinbarung? Können wir sie bekommen? Bei uns entsteht der Eindruck, dass sie am Landtag vorbei Fakten schaffen wollen", sagte die migrationspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion Andrea Johlige. Stübgen weigerte sich, diese internen Absprachen öffentlich zu machen. Doch es stehe den Parlamentariern selbstverständlich zu, Akteneinsicht zu nehmen, so Stübgen. Die Abmachungen seien rechtlich nicht bindend, doch der Brandenburger Innenminister wolle sie mit Seehofers Nachfolgerin oder Nachfolger aufgreifen und umsetzen.

Missachtung des Parlaments?

Die Linken-Abgeordnete Johlige ging Stübgen in der Ausschusssitzung hart an und warf ihm Intransparenz und eine Missachtung des Parlaments vor. "Im September wurde im Innenausschuss gemauert und uns erzählt, dass noch nicht so richtig klar wäre, was da eigentlich gebaut werden soll. Kurze Zeit später erfahren wir, dass der Gemeindevertretung in Schönefeld schon im März eine umfangreiche Planung vorgestellt wurde, nämlich dass auf 4,4 Hektar, sieben Gebäude plus Tiefgarage gebaut werden sollen, darunter auch eines für Abschiebegewahrsam", sagte Johlige.

Der Plan für das Behördenzentrum wurde aus der Gemeinde Schönefeld an die Öffentlichkeit gespielt. Demnach liegt das Gelände an der Kirchstraße, in einem recht heruntergekommenen Gewerbegebiet, das an das Flughafengelände angrenzt und in dem schon jetzt einige Behörden des neuen Behördenzentrums ansässig sind. Die Gebäude, die hier entstehen sollen, werden umschrieben als "Ankunftsgebäude", "Transitgebäude", "Funktions- und Justizgebäude", "Gewahrsamsgebäude" und "Rückführungsgebäude". Genutzt werden sollen sie von der Zentralen Ausländerbehörde Brandenburgs, dem Justizministerium des Landes, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, der Bundespolizei und dem Ausländeramt des Landkreises Dahme-Spreewald.

Im Ausschuss zählte Innenstaatssekretär Markus Grünewald einige Themenfelder auf, die hier bearbeitet werden sollen: "Flughafenasylverfahren, Zurückweisungsfälle, die kurzfristig untergebracht werden müssen, Erstregistrierung von Asylbewerbern, zentrale Bearbeitung und Abwicklung freiwilliger Ausreisender, Dublin-Rücküberstellungen, Vollzug des Ausreisegewahrsams, Bearbeitung der Anträge des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, behördliche und gerichtliche Anhörungen." Außerdem soll es ein Rückführungsgebäude der Bundespolizei geben, so Grünewald.

"Wir nennen es Behördenzentrum."

Minister Stübgen wehrte sich im Innenausschuss entschieden gegen alle Vorwürfe. "Ich bin meiner Informationspflicht nachgekommen, aber natürlich erst zu einem Zeitpunkt, an dem überhaupt etwas perspektivisch am Projekt hätte dran sein können", sagte Stübgen. Grundvoraussetzung sei eine Änderung des Bebauungsplans auf dem Areal in Schönefeld gewesen. Dafür habe die Gemeindevertretung im März einen groben Plan des Behördenzentrums bekommen, um ihm wenige Wochen später zuzustimmen. Doch der Entscheidungsprozess habe sich bis Mitte August hingezogen. Unmittelbar nach der Zustimmung habe er das Kabinett und den Innenausschuss-Vorsitzenden im Landtag unterrichtet, so Stübgen.

Der Minister machte deutlich, dass er sich über die Spekulationen und Berichte der vergangenen Wochen geärgert habe: "Wir nennen es Behördenzentrum. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn sie das akzeptieren und nicht in Zukunft von Ein- und Ausreise sprechen. Ich habe auch in der Presse schon gelesen, dass jemand behauptet, hier würde ein internationales Abschiebe-Drehkreuz entstehen oder sonst etwas. Es bringt überhaupt nichts, mit erfundenen, völlig aus der Luft gegriffenen Begriffen irgendwelche politischen Bereiche damit bespielen zu wollen", sagte Stübgen. Etwas verwunderlich ist dann allerdings, dass auf der Homepage des Innenministeriums von einem Ein- und Ausreisezentrum die Rede ist.

Einer von vier Flughäfen, von denen abgeschoben wird

Stübgen betonte, dass der BER schon allein deshalb nicht das deutsche Abschiebe-Drehkreuz werde, weil er nur einer von vier Flughäfen sei, von denen abgeschoben werden soll und an denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ansässig sei. "Es geht nicht um eine vielfach erhöhte Gewahrsamsunterbringung. Wir brauchen einfach mehr Platz, weil die jetzige Gewahrsamsunterbringung humanitär nicht zumutbar ist." Andrea Johlige von den Linken verwies dagegen auf ihre Anfrage an das Innenministerium, die hervorgebracht hatte, dass die Zahl der Unterbringungsplätze von aktuell 32 auf 120 erhöht werden soll, in den neuen Transit- und im Gewahrsamsgebäuden.

Streit gab es auch, als Johlige den Innenminister mehrfach aufforderte, die Kosten zu benennen, die auf das Land durch das neue Behördenzentrum zukommen werden. Soweit sei die Planung noch nicht fortgeschritten, erwiderte Stübgen und kündigte an, dass der Bau bereits im kommenden Jahr starten werde, dass die Finanzmittel aber erst ab dem Jahr 2023 im Landeshaushalt eingeplant werden sollen. Das gehe, weil das Land nicht selbst der Bauherr sei, so Stübgen. Johlige warf ihm daraufhin vor, den Bau vorzuziehen, um Tatsachen zu schaffen. "Mir tun die Grünen als ihr Koalitionspartner leid", sagte Johlige.

Gemeindevertreter fühlt sich getäuscht

Kritik kam auch aus der Gemeindevertretung in Schönefeld. Der dortige SPD-Fraktionsvorsitzende Rainer Block fühlt sich getäuscht. "Wir waren nach einigem Hin und Her bereit, dem Plan eines Behördenzentrums zuzustimmen, in der Annahme, dass hier nur Geflüchtete, die in Brandenburg untergebracht sind, unter ganz bestimmten Voraussetzungen zur Ausreise anreisen würden. Wenn jetzt aber Abschiebungen aus ganz Deutschland stattfinden sollen, bedeutet das, dass es in Schönefeld immer wieder Protestaktionen geben wird", sagte Block.

Die Inbetriebnahme für das neue Behördenzentrum ist für das Jahr 2025 geplant. Die Linken im Brandenburger Landtag kündigten an, das Projekt weiter kritisch begleiten zu wollen. Die Grünen und die Freien Wähler forderten, dass die Kommunikation mit dem Innenministerium besser werde. Von der SPD kam der Appell an die Linken, künftig "dramatisierende Situationsbeschreibungen" zu unterlassen. Die AfD hingegen äußerte die Sorge, dass in Schönefeld nicht konsequent genug abgeschoben werde.

Sendung: Brandenburg aktuell, 4.11.21, 19:30 Uhr

Beitrag von Oliver Soos

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