Reaktion auf Ampel-Koalitionsvertrag - Brandenburg fordert deutlich mehr Bundesmittel für den Nahverkehr
Für das Erreichen der Klimaziele ist ein massiver Umstieg auf den ÖPNV unabdingbar. In einem Flächenland wie Brandenburg ist das besonders schwierig. Die Ampelkoalition verspricht mehr Mittel, wird im Vertrag aber nicht konkret. Von Thomas Bittner
Es klingt so klar im Koalitionsvertrag: "Ziel ist, die Fahrgastzahlen des öffentlichen Verkehrs deutlich zu steigern." Wer in Brandenburg an der Haltestelle oder dem Bahnhaltepunkt steht und auf eine Verbindung zum nächsten größeren Ort wartet, dem wird diese Botschaft in den Ohren klingeln. Die Ampelkoalition will den ÖPNV attraktiver machen. Aber sie weiß, dass das nur mit Ländern und Kommunen geht. Etwas vage heißt es, dass man mit ihnen über einen Ausbau- und Modernisierungspakt diskutieren wolle.
Mehr Bundesmittel schon ab 2022
Die Regionalisierungsmittel werden ab 2022 erhöht, verspricht der Koalitionsvertrag. Konkreter wird man nicht. Regionalisierungsmittel sind die Gelder, die die Länder vom Bund erhalten, um den Nahverkehr in ihrer Region zu finanzieren. Eigentlich sollten damit die regionalen Bahnstrecken finanziert werden. Aber Brandenburg nutzt das Geld auch, um den Busverkehr im Land zu unterstützen. Rund 480 Millionen Euro bekommt das Land in diesem Jahr, mehr als neun Milliarden Euro bekommen alle Bundesländer zusammen.
Schon die Vorgängerregierung der Ampel hatte eine Erhöhung versprochen, insgesamt 5,2 Milliarden Euro bis 2031. Damit sollten die Bundesländer verstärkt Verkehr auf Nebenstrecken anbieten können. Doch die Länderverkehrsminister hatten im Sommer einstimmig abgewunken: Das sei nicht ausreichend, die Klimaziele seien damit nicht erreichbar. Mindestens 1,5 Milliarden Euro mehr pro Jahr müsse der Bund überweisen.
Ob die Ampelregierung tatsächlich diese Summe aufbringen wird, lässt sie im Koalitionspapier offen. Das Brandenburger Infrastrukturministerium fordert jetzt eine "deutliche Aufstockung" der Mittel. "Die bis 2031 zugesagten Mittel tragen den gesetzlich festgesetzten Klimazielen des Bundes und der damit verbundenen Verkehrswende in keiner Weise Rechnung", heißt es auf rbb-Anfrage aus dem Ministerium.
Ticketverkauf deckt nur die Hälfte der Kosten
Mehr Mittel werden dringend gebraucht. In Brandenburg decken die Einnahmen aus dem Bahnticketverkauf die Kosten nur ungefähr zur Hälfte. Und Landesmittel können auch nicht üppig fließen. "Für den kommunalen Nahverkehr gibt es im Haushaltsentwurf 2022 eine Nullrunde, anstatt der versprochenen 1,3 Millionen Euro mehr pro Jahr", kritisierte die Linksfraktion.
Auch die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken kommt nicht voran. Zwar wird die Heidekrautbahn wieder aufgebaut, aber sonst wird vorerst wohl keine einzige Bahnstrecke wieder in Betrieb gehen. Brandenburgs Landesregierung arbeitet gerade am Landesnahverkehrsplan für die Jahre 2023 bis 2028. Eine Zusage des Bundes für mehr Mittel könnte Bewegung in die Sache bringen.
Begleitetes Fahren ab 16 Jahren
Die Menschen in Brandenburg dazu zu motivieren, auf das Auto zu verzichten, wird nicht leicht. Die Zahl der privaten Autos liegt hier über dem Bundesdurchschnitt und die Länge der Wege wird größer. Durchschnittlich braucht ein Brandenburger über 20 Kilometer, um zur Arbeit zu kommen, Tendenz steigend. Das Auto gehört zum Alltag. Schon Vorschulkinder legen knapp zwei Drittel ihrer Wege im Auto zurück, anstatt mit dem Fahrrad, einem Bus oder der Bahn unterwegs zu sein.
In Brandenburg wird schon deshalb die Idee, das begleitete Autofahren ab 16 Jahren zu ermöglichen, auf ein positives Echo stoßen. Brandenburg gehörte zu den ersten Ländern, in denen von 2006 bis 2010 Modellversuche für einen Führerschein ab 17 Jahren erfolgreich liefen. Das Unfallrisiko sank um 22 Prozent, die Zahl der Verkehrsverstöße um 20 Prozent.
Jugendliche können heute, wenn sie eine mindestens 30 Jahre alte Begleitperson mit mindestens fünf Jahren Fahrpraxis und nicht mehr als einem Punkt in Flensburg haben, schon vor dem 18. Geburtstag am Steuer sitzen. Wenn das schon ab 16 möglich wird, können Jugendliche schon frühzeitig für die Gefahren im Straßenverkehr geschult werden. Ein guter Schritt in Richtung Verkehrssicherheit, aber nicht unbedingt ein Pfad zu mehr klimaneutralem Verkehr.