Reaktion auf Ampel-Koalitionsvertrag - Brandenburg fordert deutlich mehr Bundesmittel für den Nahverkehr

Do 25.11.21 | 21:38 Uhr | Von Thomas Bittner
  12
Eine Bushaltestelle in Wittstock in der der Uckermark. (Quelle: imago-images/serienlicht)
Bild: imago-images/serienlicht

Für das Erreichen der Klimaziele ist ein massiver Umstieg auf den ÖPNV unabdingbar. In einem Flächenland wie Brandenburg ist das besonders schwierig. Die Ampelkoalition verspricht mehr Mittel, wird im Vertrag aber nicht konkret. Von Thomas Bittner

Es klingt so klar im Koalitionsvertrag: "Ziel ist, die Fahrgastzahlen des öffentlichen Verkehrs deutlich zu steigern." Wer in Brandenburg an der Haltestelle oder dem Bahnhaltepunkt steht und auf eine Verbindung zum nächsten größeren Ort wartet, dem wird diese Botschaft in den Ohren klingeln. Die Ampelkoalition will den ÖPNV attraktiver machen. Aber sie weiß, dass das nur mit Ländern und Kommunen geht. Etwas vage heißt es, dass man mit ihnen über einen Ausbau- und Modernisierungspakt diskutieren wolle.

Mehr Bundesmittel schon ab 2022

Die Regionalisierungsmittel werden ab 2022 erhöht, verspricht der Koalitionsvertrag. Konkreter wird man nicht. Regionalisierungsmittel sind die Gelder, die die Länder vom Bund erhalten, um den Nahverkehr in ihrer Region zu finanzieren. Eigentlich sollten damit die regionalen Bahnstrecken finanziert werden. Aber Brandenburg nutzt das Geld auch, um den Busverkehr im Land zu unterstützen. Rund 480 Millionen Euro bekommt das Land in diesem Jahr, mehr als neun Milliarden Euro bekommen alle Bundesländer zusammen.

Schon die Vorgängerregierung der Ampel hatte eine Erhöhung versprochen, insgesamt 5,2 Milliarden Euro bis 2031. Damit sollten die Bundesländer verstärkt Verkehr auf Nebenstrecken anbieten können. Doch die Länderverkehrsminister hatten im Sommer einstimmig abgewunken: Das sei nicht ausreichend, die Klimaziele seien damit nicht erreichbar. Mindestens 1,5 Milliarden Euro mehr pro Jahr müsse der Bund überweisen.

Ob die Ampelregierung tatsächlich diese Summe aufbringen wird, lässt sie im Koalitionspapier offen. Das Brandenburger Infrastrukturministerium fordert jetzt eine "deutliche Aufstockung" der Mittel. "Die bis 2031 zugesagten Mittel tragen den gesetzlich festgesetzten Klimazielen des Bundes und der damit verbundenen Verkehrswende in keiner Weise Rechnung", heißt es auf rbb-Anfrage aus dem Ministerium.

Ticketverkauf deckt nur die Hälfte der Kosten

Mehr Mittel werden dringend gebraucht. In Brandenburg decken die Einnahmen aus dem Bahnticketverkauf die Kosten nur ungefähr zur Hälfte. Und Landesmittel können auch nicht üppig fließen. "Für den kommunalen Nahverkehr gibt es im Haushaltsentwurf 2022 eine Nullrunde, anstatt der versprochenen 1,3 Millionen Euro mehr pro Jahr", kritisierte die Linksfraktion.

Auch die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken kommt nicht voran. Zwar wird die Heidekrautbahn wieder aufgebaut, aber sonst wird vorerst wohl keine einzige Bahnstrecke wieder in Betrieb gehen. Brandenburgs Landesregierung arbeitet gerade am Landesnahverkehrsplan für die Jahre 2023 bis 2028. Eine Zusage des Bundes für mehr Mittel könnte Bewegung in die Sache bringen.

Begleitetes Fahren ab 16 Jahren

Die Menschen in Brandenburg dazu zu motivieren, auf das Auto zu verzichten, wird nicht leicht. Die Zahl der privaten Autos liegt hier über dem Bundesdurchschnitt und die Länge der Wege wird größer. Durchschnittlich braucht ein Brandenburger über 20 Kilometer, um zur Arbeit zu kommen, Tendenz steigend. Das Auto gehört zum Alltag. Schon Vorschulkinder legen knapp zwei Drittel ihrer Wege im Auto zurück, anstatt mit dem Fahrrad, einem Bus oder der Bahn unterwegs zu sein.

In Brandenburg wird schon deshalb die Idee, das begleitete Autofahren ab 16 Jahren zu ermöglichen, auf ein positives Echo stoßen. Brandenburg gehörte zu den ersten Ländern, in denen von 2006 bis 2010 Modellversuche für einen Führerschein ab 17 Jahren erfolgreich liefen. Das Unfallrisiko sank um 22 Prozent, die Zahl der Verkehrsverstöße um 20 Prozent.

Jugendliche können heute, wenn sie eine mindestens 30 Jahre alte Begleitperson mit mindestens fünf Jahren Fahrpraxis und nicht mehr als einem Punkt in Flensburg haben, schon vor dem 18. Geburtstag am Steuer sitzen. Wenn das schon ab 16 möglich wird, können Jugendliche schon frühzeitig für die Gefahren im Straßenverkehr geschult werden. Ein guter Schritt in Richtung Verkehrssicherheit, aber nicht unbedingt ein Pfad zu mehr klimaneutralem Verkehr.

Beitrag von Thomas Bittner

12 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 12.

    Warten auf`n Bus.....

  2. 11.

    Genau das liegt doch die Illusion des Ausbaus öffentlicher Verkehrsmittel im ländlichen Raum. Wenn der so attraktiv werden sollte, dass ein Umstieg vom Auto überhaupt in Frage käme, wären so viele Leerfahrten oder unterbesetzte Fahrten notwendig, dass am Ende das Klima sogar noch höher belastet würde, als es jetzt mit der individuellen Mobilität der Fall ist. Es müsste nämlich, um das zu vermeiden die individuelle Mobilität mit dem eigenen Fahrzeug gegen eine öffentliche Einzelmobilität getauscht werden. Das ergibt weder wirtschaftlich, noch ökologisch irgendeinen Sinn. ÖPNV spielt seine Vorteile ausschließlich im städtischen Umfeld aus. Die Herausforderung für die Zukunft kann also sinnvoll nur sein, ländliche Individualmobilität mit dem städtischen ÖPNV zu verzahnen, heißt den Umstieg an geeigneten Sammelpunkten nicht nur zu ermöglichen sondern auch zu garantieren. Alles andere sind Träumereien.

  3. 10.

    Also ich fahre innerhalb Berlins 11km mit dem Fahrrad zur Arbeit, auch im Winter. Auf dem Land geht das natürlich nicht, weil man sich als Radfahrer den Weg mit 100km/h schnellen Autos teilen muss. Da könnte man ja auch mal ansetzen. Strecken bis 15km sind mit bem E-Bike sehr angenehm.

  4. 9.

    Gibt es auch Geld für den überfälligen Ausbau der S-Bahnstrecken für ein zweites Gleis?

  5. 8.

    Ich stimme Ihnen zu. Selbst bei uns im Berliner Speckgürtel ist ÖPNV schwierig. Da wäre es schon ein Vorteil, wenn man wenigstens eins von zwei Familienautos abschaffen könnte. Ich wäre für mehr Homeoffice, da wo es möglich ist. Ausserdem müssten Busse und Bahnen auch über Kreisgrenzen fahren. Zwischen BAR und OHV gibt es keine Busverbindung. Man müsste erst von BAR nach Berlin reinfahren, um dann weiter nach OHV zu kommen. Da ist man mit dem Auto viel schneller. Immer nur mehr Geld für den ÖPNV zu fordern, macht keinen Sinn, das Nahverkehrs-Angebot muss auch attraktiv sein und ein Vorteil gegenüber dem Individualverkehr. Wenn ich mit dem Bus die dreifache Fahrzeit brauche, wird wohl niemand auf ÖPNV umsteigen.

  6. 7.

    Theorie und Praxis. Wie soll denn der ÖPNV im ländlichen Raum aussehen? Stundentakt? Und dann fahren Busse für 3 Personen über die Dörfer? Wer arbeitet muss in der Regel flexibel sein und da kann, außer in Großstädten, der ÖPNV niemals unter vernünftiger Auslastung mithalten. Ich müsste für ca. 12 Km Arbeitsweg, je nach Uhrzeit, 1 oder 2 mal umsteigen mit Wartezeiten und Fußweg von der letzten Bushaltestelle wäre ich 1,5 - 2,5 h (1 Strecke)unterwegs, trotz vieler Busse nur nicht in die Nähe meines Arbeitsplatzes. Auto ca. 10 - 15 min. Bevor ich auf den Bus umsteige würde ich eher aufhören zu arbeiten.

  7. 6.

    Andreas:
    "Hey Leute, ich bin Wessi und musste wegen meinem Beruf nach Berlin ziehen. Ich kann aber der zukünftigen Politik nichts abgewinnen."

    Dann geh doch zurück, wenn es dir hier nicht gefällt, und lass uns in Ruhe. Niemand hindert dich daran!

  8. 5.

    Sebastian:
    "Selbst wenn die Bushaltestelle vor dem Haus steht, ich nehme das Auto! :-))"

    Da ist aber jemand auf seinen infantilen trotzigen Egoismus mächtig stolz, sonst würde er es wohl hier nicht posten. Das sind die Menschen, die den anderen Menschen in der Gegenwart und Zukunft das Leben schwer machen, indem sie mit bewusster Absicht mehr kaputt als ganz machen.

  9. 4.

    "Brandenburg fordert deutlich mehr Bundesmittel für den Nahverkehr "
    Das wird nichts. Merkel ist dabei tausende Migranten von Polen zu übernehmen. Der poln. Staatschef war heute in Berlin.

  10. 3.

    Nicht nur das, es wird nur versprochen und dann kommt es eh ganz anders. Wie heute in der MOZ zu lesen war, wird nämlich die nächste Rentenerhöhung nicht so ausfallen, wie angekündigt! Von den ca 5% wird es auf höchstens die Hälfte auslaufen. Vielen, vielen Dank an die neue Regierung. Wir werden garantiert keine Freunde mehr.

  11. 2.

    Hey Leute, ich bin Wessi und musste wegen meinem Beruf nach Berlin ziehen. Ich kann aber der zukünftigen Politik nichts abgewinnen. Klimawandel überall, aber eine saubere und sofortige Lösung für die Bezroffenen aus den Neien Bundesländern wird nicht getroffen. Ihr steuert geradezu hinaus auf eine Rechtskradikale Entwickling. Wollt Ihr das wirklich?
    Macht euch mal Gedanken über die Zukunft derer, die z.B. im Tagebau im Osten arbeiten und bald keine Arbeit mehr haben. Klimawandel her oder hin.

  12. 1.

    Selbst wenn die Bushaltestelle vor dem Haus steht, ich nehme das Auto! :-))

Nächster Artikel