Brandenburger Verwaltung fehlt Nachwuchs - "Wir haben eine Arbeitsverdichtung, das ist nicht mehr feierlich"

Bis 2030 verlässt rund ein Drittel der Mitarbeiter Brandenburgs Landes- und Kommunalverwaltungen. Bewerber sind Mangelware. Detlef Daubitz, stellvertretender Bürgermeister in Oberbarnim, fordert deshalb sehr grundsätzliche Veränderungen.
rbb|24: Herr Daubitz, in den Verwaltungen Brandenburgs ist man insbesondere in ländlichen Regionen auf Bewerbersuche. Gilt eine Karriere in der Verwaltung nicht als attraktiv?
Detlef Daubitz: Aus meiner Sicht ist das größte Problem, dass unsere Personalplaner glauben, dass die Aussicht auf einen krisensicheren Job im öffentlichen Dienst das Non plus ultra sei. Das trifft aber auf die jungen Menschen nicht mehr zu. Denen muss die Arbeit Spaß machen und sie muss vereinbar sein mit Familie und Beruf. Es muss flexiblere Arbeitszeiten geben, da sehen die Leute heute ihren Schwerpunkt. Wir müssen deshalb bei der Nachwuchsgewinnung anders rangehen.
Was muss sich ändern?
Wir müssen in die Schulen gehen und den Jugendlichen die Ausbildungsprofile konkret erklären, um so auch das Bild des öffentlichen Dienstes bei den jungen Leuten zu verändern. Außerdem müsste man die sozialen Medien mehr mit einbeziehen, auf die die Jugendlichen abfahren. Zudem müssten die Azubis auf Dauer übernommen werden, denn wir brauchen die Leute.
Dann kriegen wir den Nachwuchs, denn die Arbeit an sich macht ja Spaß. Ich habe ja mein ganzes Berufsleben im öffentlichen Dienst verbracht, das waren 49 Jahre. Die altertümliche Vorstellung, der öffentliche Dienst sitzt am Schreibtisch und arbeitet irgendwelche Akten ab, stimmt schon lange nicht mehr. Die Arbeit ist komplexer, vielfältiger geworden.
Sie fordern auch Strukturveränderungen innerhalb von Verwaltungen. Arbeitszusammenhänge sollten umgebaut werden. Was meinen Sie damit?
Wir haben immer noch starre, hierarchische Verhältnisse. Man muss überlegen, ob man nicht flachere Hierarchien schafft, die Arbeit in Teams organisiert, mehr Projekte macht, die konkrete Arbeit also anders gestaltet. Dazu braucht es aber auch flexiblere Arbeitszeiten.
Ein Beispiel: Mich hat ein Kollege angesprochen, der auch mal am Sonnabend im Büro arbeiten wollte. Aber unsere Behörde ist zu, die Heizung ist runtergefahren. Warum geht das nicht? Da sind wir oftmals zu unbeweglich. Ich finde, wir sollten diese Möglichkeiten mehr nutzen, ansonsten schaut sich der potentielle Nachwuchs schnell nach einem anderen Job um.
Tatsächlich raten auch Verwaltungswissenschaftler zu einem Umbau der internen Arbeitsstrukturen. Warum passiert das nicht?
Es ist noch nicht angekommen, das ist ja unser Problem. Ein Beispiel: Wir haben einen riesigen Mangel an Fachkräften im Gesundheitswesen und bei den Pflegeberufen, aber auch im Sozial- und Erziehungsdienst. Erzieher, die in der Jugendhilfe Gruppen betreuen, können inklusive Bereitschaftsdienst auf bis zu 58 Stunden Wochenstunden Arbeitszeit kommen. Das ist doch nicht attraktiv! Wir lesen ständig von Überlastung in Pflegeeinrichtungen. Die Leute opfern sich auf, aber sie sehen, weil sich nichts ändert, auch keine Perspektive und suchen sich etwas anderes.
Wie wirkt sich die Corona-Pandemie aus?
Corona macht sich in den Verwaltungen insgesamt bemerkbar, weil die Leute gezwungen sind, die Gesundheitsämter zu verstärken. Und: Wir haben nicht nur Corona, wir haben ja zum Beispiel bei uns in Märkisch-Oderland auch noch die Schweinegrippe, wo viel zusätzlich gemacht werden muss. Man zieht also Leute aus anderen Bereichen ab, denn die Bundeswehr alleine reicht nicht. Mit der Folge, dass sie an ihren alten Arbeitsplätzen fehlen und gleichzeitig Überstunden ohne Ende schieben. Damit haben wir dann eine Unzufriedenheit über alle Mitarbeiter, weil die anderen die liegen gebliebene Arbeit ihrer Kollegen mitmachen müssen. Wir haben eine Arbeitsverdichtung im Augenblick, das ist nicht mehr feierlich. Da muss dringend was passieren.
Was wären schnelle Lösungsansätze?
Wir sind ja durch Corona von heute auf morgen in das Thema Digitalisierung geschmissen worden. Man staunt, wie schnell die Leute sich darauf eingestellt und gemerkt haben: Die Digitalisierung kann auch eine Hilfe sein. Home-Office etwa hilft bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gerade in den ländlichen Regionen Brandenburgs fahren die Kollegen oftmals lange Wege, die nicht notwendig sind, weil man nicht jeden Tag im Büro sein muss. Aber es reicht nicht aus, wenn man sagt: Okay, ihr kriegt alle einen Laptop. Es muss regelmäßige Fortbildungen geben.
Stichwort Internet: In den letzten Jahren wurden immer wieder kritisiert, dass der Netzausbau in Brandenburg zu schlecht sei. Hat sich das verbessert?
An vielen Stellen in Brandenburg muss man beim Telefonieren immer noch vom Handy auf das Festnetz umsteigen. Breitband gibt's oft gar nicht. Bei uns im Ort haben sich deswegen schon Firmen gegen unsere Gemeinde entschieden. Und natürlich ist ein schlechtes Internet auch für jede Verwaltung eine Katastrophe. Da müssen wir unbedingt ran.
Herr Daubitz, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Ludger Smolka.
Sendung: Brandenburg aktuell, 26.11.2021, 19:30 Uhr