Klimagipfel COP26 - Holzbau und Regenspeicher - wie Städte zum Klimaschutz beitragen können

Städte sind für rund 60 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Die Weltklimakonferenz in Glasgow hat daher einen ganzen Tag dem Klimawandel in den urbanen Zentren gewidmet. Von Alina Ryazanova
Globale Entscheidungen müssen regional umgesetzt werden. Darin waren sich am vorletzten Tag der aktuellen Weltklimakonferenz (COP26) alle einig, als das Thema "Städte, Regionen und die bebaute Umwelt" in den Mittelpunkt gerückt ist. Bürgermeister:innen und Expert:innen aus der ganzen Welt riefen dazu auf, Stadtlandschaften in nachhaltige, kohlenstofffreie Oasen mit sauberer Luft und nachhaltiger Infrastruktur umzuwandeln.
Auch im deutschen Pavillon auf der COP26 diskutieren Expert:innen darüber, wie Städte einerseits klimaneutraler werden, andererseits weiterhin bewohnbar bleiben können.
Großteil der weltweit benötigten Energie fließt in die Städte
Städte benötigen ungefähr 80 Prozent der weltweiten Energie und sind gleichzeitig für 60 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. "Die Herausforderung an die Städte ist, dass sie sich einerseits an den Klimawandel anpassen müssen, also an stärkere Hitzewellen und Dürren, an Überflutungen, extreme Niederschläge und andererseits, dass sie mit den Emissionen runtergehen müssen", sagt Kira Vinke, Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Die Wege dazu scheinen klar: Alternative Energien sollen genutzt werden anstelle von Kohle, Öl oder Gas, um die Emissionen zu senken. Neue Häuser sollen nachhaltiger gebaut werden. Immerhin ist der Bausektor für etwa 38 Prozent der globalen energiebezogenen CO2-Emissionen verantwortlich. Die Verwendung konventioneller Baumaterialien wie Beton, Stahl oder Aluminium wird etwa 75 Prozent des CO2-Budgets für das 1,5-Grad-Ziel verbrauchen. Als denkbare Alternative sieht Kira Vinke daher das Bauen mit Holz: Dieses könnte Gebäude in eine Kohlenstoffsenke verwandeln, weil im Holz, das von den Bäumen aus der Luft aufgenommene und in ihren Stämmen eingelagerte CO2 gespeichert wird.

Bergmannkiez und Schumacher-Quartier als Vorreiter
In Afrika müssen rund 70 Prozent der städtischen Infrastrukturen für Abwasserentsorgung, Strom und Verkehr erst noch gebaut werden. Aber was ist mit Städten wie Berlin, in denen die urbane Struktur schon längst existiert? Hier kommt es auch auf den Verkehrssektor an.
Eins der Vorreiterbeispiele in Berlin ist der Bergmannkiez, sagt Susanne Lottermoser, Leiterin der Unterabteilung Stadtentwicklung im Bundesministerium des Innern, Bau und Heimat: "In Kreuzberg hat man versucht, die Bergmannstraße fußgängerfreundlicher zu gestalten." Solche Projekte werden häufig auch durch den Bund gefördert.
Für Wachstum und nachhaltige Erneuerung waren im Bereich der Städtebauförderung allein 2021 für die Länder und Kommunen 290 Mllionen Euro vorgesehen. Doch das Geld gibt es nicht einfach so: "Voraussetzung ist, dass auch Klimaschutz und Klimaanpassung mitgedacht werden", sagt die Stadtplanerin auf Bundesebene. Das heißt insbesondere, dass man zum Beispiel Bäume und Beete pflanzen sollte oder Versickerungsflächen einbaut, in die das Wasser fließt. Das sei ein starker Hebel für Klimaschutz und Anpassung an die Wetterextremen. Sie benennt das Schumacher-Quartier am Gelände rund um den Flughafen Tegel als Modell-Viertel für eine klimafreundliche Stadt. Eine Schwammstadtteil soll es werden, der Regenwasser aufnimmt und speichert, statt abzuleiten.
Klimaneutrales Berlin
Doch Berlin hat nach Meinung der Klimaforscherin Kira Vinke noch Potenzial: "Wir haben hier zwar eine gute Infrastruktur beim ÖPNV, gleichzeitig aber sind extrem viele Autos in der Stadt, die zum Beispiel Menschen, die mit dem Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen, regelrecht verdrängen." Kira Vinke ist eine von vielen Expert:innen, die neben den Vertreter:innen der Staaten auf der COP26 zusammenkommen, um ein gemeinsames Verständnis für die Klimakrise und ihre Lösungen zu entwickeln. Dabei ist die Rolle der Städte entscheidend: "Die Implementierung der Lösungen passiert auf nationalstaatlicher Ebene oder sogar auf kommunaler städtischer Ebene", sagt die Klimaforscherin.
Den notwendigen Druck auf politische Entscheidungen, um diese Lösungen voranzutreiben, versuchen Aktivist:innen und Nichtregierungsorganisationen wie German Zero aus Berlin auszuüben. Die NGO unterstützt Bürgerbegehren für Klimaneutralität, unter anderem die Initiative "Klimaneustart" in Berlin, die von der Hauptstadt fordert, Klimaschutzziele schneller als geplant zu erreichen. Schließlich möchte Berlin bis spätestens 2045 klimaneutral werden. Aktivist:innen von "Klimaneustart" wollen CO2-Emissionen bereits bis 2025 um 70 Prozent und bis 2030 um 95 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 reduzieren. Dafür haben sie dem Senat ca. 39.000 Unterschriften vorgelegt.
"Klimaneutral heißt, dass alle Emissionen gesenkt werden. In den Städten vornehmlich im Gebäudebereich und dem Verkehrsbereich", sagt Julian Zuber, Geschäftsführer von German Zero. So können Kommunen zum Beispiel selbst entscheiden, wie klimaneutral Dienstleister der Energieversorgung sind, die sie einkaufen: "Sie haben die Kraft, Kohlekraftwerke abschalten und Erneuerbare hochzufahren."

Klimagipfel als Hoffnung
"UN-Klimakonferenzen sind träge, das ist die Natur der Sache", sagt Julian Zuber. Trotzdem sei er über den Ausgang des Gipfels optimistisch. Kira Vinke beobachtet die Verhandlungen und tritt selbst auf den COP26-Veranstaltungen auf. Ihr Gefühl ist gemischt: Der Klimagipfel sei für sie ein Ort, auf dem vor allem nach der coronabedingten Pause, wieder aktiver Austausch zwischen Wissenschaft und Politik stattfindet – unter anderem dazu, wie man Emissionen in den Städten sinkt.
Doch nach aktuellem Stand der Verhandlungen sei selbst die 2-Grad-Grenze schwer einzuhalten, sagt die Wissenschaftlerin: "Wir werden sehr starke Hitzewellen erleben in Berlin und dafür brauchen wir eine Infrastruktur." Man profitiert auch von Erfahrungen anderer Länder: "Die Bevölkerung in Portugal oder Spanien weiß, wie sie sich zu verhalten hat. Aber in Deutschland sind wir einfach nicht daran gewöhnt, mit solchen extremen Ereignissen umzugehen." In den nächsten Tagen werden Staaten entscheiden, wie der Pariser Klimaabkommen konkret umgesetzt wird und wie sich das auf die Städte auswirkt.
Sendung: Inforadio, 12.11.2021, 7:20 Uhr