Grundsteinlegung am Montag - Grundstein, Meilenstein, Schlussstein? Potsdam baut seine Synagoge

Am Montag ist die feierliche Grundsteinlegung für die Neue Synagoge in Potsdam: Der Bau kann nach jahrelangen Verzögerungen beginnen. Doch ob das die zerstrittene jüdische Gemeinschaft der Stadt befriedet, muss sich erst noch zeigen. Von Astrid Flügge
Potsdam baut eine Synagoge! – Der einst provozierende Satz an der Brandmauer des Potsdamer Kronprinzenpalais trifft jetzt endlich für das Langzeitbauprojekt zu, das eigentlich schon 2012 fertig sein sollte. Das Banner war angebracht worden, als zwischenzeitlich das Projekt nach ergebnislosen Gesprächen zum Stillstand gekommen war.
Doch am Montag legen Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), Ministerin Manja Schüle (SPD), der Präsident der Zentralen Wohlfahrtstelle und der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer, den Grundstein für die Potsdamer Synagoge. Erst jetzt ist das Ende jahrzehntelanger Provisorien für die Potsdamer Juden wirklich in Sicht. Ob das jedoch die zersplitterte jüdische Gemeinschaft befriedet, bleibt offen. Schließlich hat gerade dieses Bauprojekt die jüdische Gemeinschaft der Landeshauptstadt gespalten.
Synagoge soll jüdisches Leben in Potsdam fördern
Gegründet 1992 von Zuwanderern aus den einstigen Sowjetrepubliken, ist die jüdische Gemeinde von Potsdam die älteste in Brandenburg. Für die Ausübung ihres Glaubens und die Gemeindearbeit arrangieren sie sich bis heute mit Übergangslösungen, da die historische Synagoge von den Nazis geschändet und später abgerissen wurde.
Um die Rückkehr des jüdischen Lebens zu fördern, unterstützte auch das Land Brandenburg den Bau einer Synagoge. Nach mehrfachen Umzügen und Provisorien schien für die auf 800 Mitglieder angewachsene Gemeinde 2005 endlich der Neubau eines Gotteshauses in Potsdam in greifbarer Nähe: Das Grundstück in bester Innenstadtlage an der Schloßstraße 1 war gefunden und vom Land lagen 5,4 Millionen Euro für den Neubau bereit. 2007 begannen die Planungen mit dem nach internationalem Wettbewerb gefundenen Architekten Jost Haberland.
Kritik an den Plänen des Architekten
Das 2010 vorgestellte Ergebnis, ein klar gegliederter kantiger Kubus, der über vier Etagen verteilt religiöse und soziale Räume für die jüdischen Gläubigen schafft, stieß jedoch in großen Teilen der Gemeinde auf Widerstand: Für die Kritiker um den aus Israel stammenden und in Potsdam lebenden Musiker Ud Joffe sind der Betsaal zu klein und zu viele nichtreligiöse Bereiche vorhanden. Auch die nüchterne Fassadengestaltung des viergeschossigen Gebäudes, das auch Büros und Räume für die Gemeindearbeit vorsieht, stieß auf Ablehnung. Die Kritiker wünschten sich einen imposanteren Eingangsbereich und größere Fenster.
Synagogenbau wird auf Eis gelegt
Nach heftigen Debatten verließ ein Teil der Mitglieder die Potsdamer jüdische Gemeinde 2010 und gründete die Synagogengemeinde mit Ud Joffe als Vorsitzendem. Doch es gelang ihnen nicht, stärkeren Einfluss auf die Planungen zu nehmen, auch wegen des Widerstandes des Architekten. Schlichtungsversuche des Landesverbandes der Juden in Brandenburg liefen ins Leere, und so verhängte das Land 2011 schließlich ein Baumoratorium: Das Vorhaben wurde auf Eis gelegt.
Der Zentralrat der Juden schaltete sich bereits 2011 erstmals als Vermittler ein, konnte aber auch keine Annäherungen der verhärteten Positionen bewirken. Während in der Nachbarschaft der neue Landtag im Nachbau des barocken Stadtschlosses einzog, wucherte weiter Unkraut in der Baugrube hinter dem Filmmuseum. Die Synagogengemeinde suchte neue Partner und gründete sogar einen eigenen Landesverband-West mit der Jüdischen Gemeinde der Stadt Brandenburg.
Eine AG Synagoge wird gegründet – und scheitert
2015 schließlich holte das Land die Zentrale Wohlfahrtsstelle der Juden (ZWST) in Deutschland als neutralen Dritten und möglichen Träger des Bauprojektes ins Boot. Am Entwurf des Vorhabens wurde weitergearbeitet, und 2017 lenkte die Synagogengemeinde ein. Hoffnung kam auf, dass der jahrelange Streit beigelegt werden könne.
Anfangs lief es auch gut: Gemeinsam wurden Feiertage und Feste begangen, während eine Arbeitsgemeinschaft Synagoge Kompromisse suchte. 2020 wurde als Baustart anvisiert. Doch die AG Synagoge scheiterte, weil die ausgehandelten Kompromisse letztlich doch nicht von allen getragen wurden.
Stoffbanner an der Grundstücksbranche mahnt an Bauvorhaben
Jahrelang kündete nur das verwitterte Stoffbanner "Potsdam baut doch an der Synagoge" an der Brandmauer des Nachbarpalais am brachliegenden Grundstück weiterhin vom Vorhaben. Der jüdisch-Christliche Bauverein hatte es während des Baumoratoriums aufgehängt, um das Projekt voranzubringen. Doch es wurde mittlerweile von den benachbarten Neubauten verdeckt, die auf dem historischen Grundriss des Karrès neben Landtag und Filmmuseum heranwuchsen. Inzwischen ist das Banner abgenommen, die Hauswand verputzt: Einzig die schmale Baulücke Schloßstraße 1 klafft weiter mahnend.
Die Politik in Gestalt der Wissenschaftsministerin schaltet sich ein.
Anfang des Jahres 2021 wagt die neue Ministerin für Kultur Manja Schüle (SPD) einen neuen Vorstoß. Zusammen mit der zentralen Wohlfahrtsstelle und dem Zentralverband der Juden in Deutschland soll der Neubau der Potsdamer Stadtsynagoge jetzt endlich in Angriff genommen werden. Die Kosten sind inzwischen auf 13,7 Millionen Euro gestiegen und nach der Fertigstellung 2024 soll zunächst die Zentrale Wohlfahrtsstelle das Haus übernehmen und allen jüdischen Gemeinden bereitstellen. Ziel ist es letztlich, dass diese es nach einer Übergangszeit später in Eigenregie übernehmen.
Zwar ist auch diese Entscheidung begleitet von Protesten wegen der Einmischung in innerreligiöse Prozesse seitens des Landes. Außerhalb von Potsdam und Brandenburg aber schüttelt man lange schon den Kopf darüber, warum trotz passendem Bauplatz und gesicherter Finanzierung nicht gebaut wird.
Jetzt geht es also los und wenigstens in der jüdischen Stammgemeinde der Stadt Potsdam macht sich Erleichterung breit – auch wenn es noch ein paar Jahre dauern wird, bis Synagoge und Gemeindezentrum endlich fertig gebaut sind.
Sendung: Antenne Brandenburg, 08.11.2021, 15:50 Uhr