Rias-Bericht - Wieder mehr antisemitische Vorfälle in Berlin gemeldet

Do 09.12.21 | 11:51 Uhr
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Ein Mann mit einer Kippa nimmt an der Solidaritätskundgebung «Berlin trägt Kippa» der Jüdischen Gemeinde zu Berlin teil. (Quelle: dpa/Michael Kappeler)
Bild: dpa/Michael Kappeler

Die Zahl antisemitischer Vorfälle in Berlin ist 2021 deutlich angestiegen. Insgesamt wurden zwischen Januar und Ende Juni 522 Vorfälle bekannt. Das waren 75 mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres (447), wie die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (Rias Berlin) am Donnerstag mitteilte.

Im Schnitt seien Rias Berlin jeden Tag knapp drei antisemitische Vorfälle bekannt geworden. Registriert wurden demnach in den ersten sechs Monaten zwölf Angriffe, 22 gezielte Sachbeschädigungen, 15 Bedrohungen, 447 Fälle "verletzenden Verhaltens" wie etwa Äußerungen und Online-Kommentare sowie 26 antisemitische Massenzuschriften.

"Querdenker" und antiisraelische Demonstrationen

Sigmount Königsberg, Beauftragter gegen Antisemitismus der Jüdischen Gemeinde Berlin, erklärte zu den neuen Zahlen: "Wie bereits 2020 werden aus Teilen des 'Querdenker'-Milieus antisemitische Verschwörungsmythen propagiert sowie die Schoa und die NS-Zeit relativiert und bagatellisiert."

Berlins Antisemitismus-Beauftragter Samuel Salzborn betonte, Vorfälle häuften sich, wenn Antisemiten Vorwände fänden, um ihren Hass zu rechtfertigen. Dies sei zuletzt im Kontext der verschwörungsideologischen "Querdenkerszene" und bei antiisraelischen Demonstrationen im Frühjahr sichtbar geworden.

In 98 Vorfällen waren insgesamt 128 Personen direkt betroffen. 87 der Betroffenen waren jüdisch oder israelisch "oder wurden als solche adressiert", wie es in dem rund 50 Seiten umfassenden Bericht heißt. 252 der 292 betroffenen Institutionen seien ebenfalls jüdisch oder israelisch gewesen.

Antisemitismus gegen Israel

Die häufigste inhaltliche Erscheinungsform im ersten Halbjahr 2021 war Rias zufolge der israelbezogene Antisemitismus, dem mit 251 fast die Hälfte der 522 Vorfälle zugeordnet wurden. Allein im Mai habe Rias 211 antisemitische Vorfälle gezählt, so viele wie in keinem anderen Monat seit Beginn der systematischen Dokumentation im Jahr 2015. Hintergrund dafür waren unter anderem Anfeindungen, die sich gegen Berliner Jüdinnen und Juden richteten und im Zusammenhang mit der erneuten Eskalation im Nahostkonflikt standen.

Außerdem wurden insgesamt 78 antisemitische Vorfälle, darunter 20 Versammlungen, mit Bezug zur Corona-Pandemie registriert. Die antisemitische Deutung der Pandemie sei damit weiter ein Thema, wenn auch in geringerem Umfang als 2020. In den vergangenen Jahren dokumentierte Rias Berlin für die erste Jahreshälfte einschließlich der Nachmeldungen 515 (2017), 579 (2018) und 457 (2019) Vorfälle.

Die Berliner Polizei registrierte laut einer parlamentarischen Anfrage von Januar bis Juni 2021 insgesamt 161 antisemitische Straftaten in der Hauptstadt.

Sendung: Fritz, 09.12.2021, 12 Uhr

4 Kommentare

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  1. 4.

    Daten von Januar bis Juni ? 2021 ?
    Im Dezember ? Sehr wichtiges Thema.
    Ist wohl SaureGurkenZeit ?

  2. 3.

    Kritik an Regierungen ist grds. Teil von Rede- und Meinungsfreiheit. Israelbezogener Anitsemitismus zeigt sich aber vor allem darin, dass Israel als Land eine Sonderstellung, einen Doppelstandard bezieht, der eben auf andere Nationen nicht angewendet wird. Auch Boykottaufrufe hinsichtlich von in besetzten Gebieten produzierten o. geerneteten Gütern sind insofern antisemitisch, da sie andere Regionen dieser Erde mit ähnlicher Besetzungsproblematik anders behandeln. Insofern verfängt Ihr Beitrag. Auch der selbstentlastende Hinweis auf historischen Antisemitismus ist eher Ausdruck von latentem Antisemitismus als von dessen Bekämpfung.

    Der Artikel behandelt die spezifischen Vorfälle. Hier hätte es einer Einordnung des rbb bedurft. Denn israelbezogener Antisemitismus ist nur eine seiner Formen, Am weitesten verbreitet sind latenter sowie sekundärer Anitsemitismus, leider von einem Großteil der Mehrheitsgesellschaft gebillgt, wie diverse Studien zu Demokratiefeindlichkeit zeigen.

  3. 2.

    Mit Verlaub, aber RIAS Berlin ist besetzt vom legendären RIAS Berlin - Eine freie Stimme der freien Welt. Man möge sich doch bitte eine eigene Corporate Identity zulegen.

  4. 1.

    Also israelkritische Haltung oder Ansicht ist nicht per sé Antisemitismus. Eine kritische Haltung gegenüber der israelischen Politik bedeutet für mich niemals, mit antisemitischen Dingen zu liebäugeln - im Gegenteil - Antisemitismus hat da überhaupt nichts zu suchen. Bedauerlicherweise wird jedoch aus geschichtlicher Weise ein Vieles an Kritikpunkten an Deutschland festgemacht - wobei der widerwärtige Antisemitismus viel weiter zurückgeht und keine reine Deutsche Sache ist. Judenfeindlichkeit ist sowas von dämlich und unbegründet. Wenn ich daran denke, wie viele jüdische Menschen vor gut 100 Jahren und weit davor für Volk und Vaterland eingetreten sind und bereit waren, für das Land, in dem sie lebten, sogar in der Armee ihr Leben zu riskieren und dann die Nazis diesen ekelhaften Krieg gegen sie führten, wird mir schlecht und ich verneige mich in Demut vor allen Juden u. Jüdinnen, denen das größte Unrecht widerfuhr und heute wieder hier oder anderswo widerfährt.

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